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Lindner und Lauterbach sind sich einig

FDP- und SPD-Politiker wettern gegen Rx-Versandverbot

bro/ral | Einst kämpfte die FDP dafür, dass das Versandhandelsverbot für Arzneimittel bestehen bleibt. Daran scheint sich der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner heute nicht mehr zu erinnern. In einem „FAZ“-Beitrag spricht er sich gegen ein Rx-Versandverbot aus. Damit liegt er auf einer Linie mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl ­Lauterbach. Der lässt in Sachen ­Rx-Versandverbot nicht locker und hat nun in einem Brief an alle SPD-Bundestagsabgeordneten seine Parteikollegen aufgefordert, nicht dem Druck der Apotheker nachzugeben.
Fotos: Imago
Seltene Eintracht In der Regel vertreten FDP- und SPD-Politiker eher gegensätzliche Positionen. Beim Thema Rx-Versandverbot sind sich Christian Lindner (li.) und Karl Lauterbach aber einig – leider!

Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen, will die FDP bei den Bundestagswahlen in ­einem Jahr wieder in den Bundestag bringen. Einst galten die Liberalen als Apotheker-freundliche Partei. Als die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gemeinsam mit ihrem grünen Koalitionspartner, aber auch mit der Union, im Jahr 2003 das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) erarbeitete, hatte die FDP an der Seite der Apotheker gegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Arzneimittelversandhandel gekämpft. Mittlerweile sind seit dem Inkrafttreten des GMG fast 13 Jahre vergangen und die Meinung der FDP zum Apothekenmarkt hat sich offenbar gewendet: In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe vom Samstag) sagte Lindner, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) „eine Lanze für den Apothekenwettbewerb gebrochen“ habe. Die FAZ fragte den FDP-Chef, ob er es für eine gute Idee halte, dass Bundesgesundheits­minister Hermann Gröhe (CDU) „auf Druck der deutschen Apothekenlobby“ den Rx-Versandhandel wieder verbieten will. Seine Antwort: „Es muss Wettbewerb unterschiedlicher Angebote geben. Es wäre falsch, die Apotheken unter Naturschutz zu stellen und den Versandhandel zu verbieten. Wir brauchen aber einen fairen Wettbewerb“. Dabei scheint die FDP sich für Überlegungen der SPD zu erwärmen: „Apotheken ­sollten etwa für zusätzliche Beratungsleistungen und die Erbringung einer Grundversorgung besser vergütet werden.“ Die Überlegungen des FDP-Chefs gehen noch weiter: Man müsse auch Begrenzungen des Sortiments infrage stellen, so Lindner, allerdings ohne dies näher auszuführen. Sein Resümee: „Statt Verbote, die uns in das letzte Jahrhundert katapultieren, brauchen wir bessere Regeln für Wettbewerb. Das bleibt Herr Gröhe leider schuldig.“

Lauterbach auf der Suche nach Verbündeten

Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, kämpft weiter vehement gegen ein schnelles Verbot des Rx-Versandhandels. In einem Brief an alle SPD-Abgeordneten im Bundestag, rief Lauterbach zu Geschlossenheit auf. Offenbar merkt der SPD-Gesundheitsexperte, dass seine Parteikollegen derzeit viele Gespräche mit Apothekern über die Auswirkungen des EuGH-Urteils führen. Denn seinen Brief beginnt er mit den Worten: „Liebe Genossinnen, liebe Genossen. Euch erreichen derzeit viele Briefe und E-Mails von Apothekern zu möglichen Folgen des EuGH-Urteils vom 19. Oktober 2016 zur deutschen Arzneimittelpreisbindung im Versandhandel.“

Lauterbach beschreibt weiter, dass Patienten jetzt wieder Rx-Boni von ausländischen Versandapotheken entgegennehmen dürfen. Sein Kommentar dazu: „Dies bietet insbesondere für chronisch Kranke mit geringem Einkommen eine interessante Sparmöglichkeit, auch wenn deren Zuzahlungen ohnehin auf ein Prozent des Haushaltseinkommens im Jahr begrenzt sind (Belastungsgrenze).“ Grundsätzlich spricht sich der SPD-Politiker zum wiederholten Male für den Erhalt des Versandhandels aus: Insbesondere in strukturschwachen Regionen und auf dem Land sei der Versandhandel „eine alternative Vertriebsform“. Dass der Versandhandel ein Einfallstor für Fälschungen sein könnte, darüber macht sich Lauterbach keine Sorgen. Denn: „Da der Arzneiversandhandel durch ein europaweit gültiges Zertifikat gesichert ist, werden auch hier höchste Qualitätsstandards eingehalten.“

Lauterbach ist als Fraktionsvize für das Thema Gesundheit in der SPD-Fraktion verantwortlich. Seinen Kollegen liefert er neben dem Brief eine Power-Point-Präsentation mit den wichtigsten Zahlen aus dem Apothekenmarkt. Seine Interpretation dieser Zahlen liest sich wie folgt: „Tatsache ist, dass die rund 20.000 Apotheken in Deutschland im Jahr 2015 einen Gesamtumsatz an rezeptpflichtigen Arzneimitteln von rund 40 Milliarden Euro erwirtschafteten. Der Anteil des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten daran betrug weniger als 0,5 Prozent. Die wirtschaftliche Lage der allermeisten Apotheken ist gut. Der durchschnittliche Umsatz ist in den vergangenen Jahren um je 100.000 Euro gestiegen und betrug zuletzt 2,4 Millionen Euro pro Apotheke und Jahr.“

Keine Steuer-Probleme mit EU-Versandapotheken

Der SPD-Politiker greift auch Vorwürfe auf, nach denen ausländische Versender hierzulande keine Mehrwertsteuer zahlten. Doch auch diese Behauptungen sind aus Lauterbachs Sicht nicht richtig. Er schreibt: „Die ausländischen Versandapotheken rechnen die Arzneimittel genau wie die deutschen Apotheken über die Apothekenrechenzentren mit den Krankenkassen ab. Der einzige Unterschied besteht darin, dass deutsche Apotheken selbst die Mehrwertsteuer an das zuständige Finanzamt abführen, während dies bei ausländischen Versandapotheken durch die Krankenkasse erfolgt. Fiskalisch sind damit beide Vertriebsformen gleich­gestellt.“

All diese Zahlen und Fakten verdeutlichen aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten, dass die Debatte seit dem EuGH-Urteil in die „falsche Richtung“ läuft. Deswegen appelliert er an seine Abgeordneten-Kollegen: „Statt reflexartig den Forderungen der Apotheker nach einem Versandhandelsverbot von verschreibungspflichtigen Medikamenten nachzukommen, müssen wir die Interessen der Patienten und Versicherten in den Vordergrund stellen!“

Lauterbach fordert neues Honorar-System

Die SPD sei zu einem Rx-Versandverbot nicht bereit, heißt es abschließend. Lauterbachs Vorschlag: Es müssten „langfristige Verbesserungen bei der Honorierung von Not- und Nachtdiensten“ her. Außerdem sollten die Beratungsleistungen der Apotheken vor Ort besser vergütet werden. Das seien nämlich Apothekenleistungen, die „allgemein wertgeschätzt“ würden. Und: „Außerdem müssen wir gewährleisten, dass auch inländische Apotheken ohne Wettbewerbsnachteile am Versandhandel teilnehmen können. Entsprechende Lösungsmöglichkeiten werden derzeit intensiv diskutiert.“ |

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