Aus den Ländern

„Lauterbach ist an dieser Stelle feige“

Kammerversammlung der Apothekerkammer Niedersachsen

HANNOVER (br) | Die Aussagen des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zum Arzneimittelversandhandel haben die Apotheker verärgert: In der Kammerversammlung am 16. November in Hannover sagte Kammerpräsidentin Magdalene Linz, dass Lauterbachs Argumente teils perfide und sein Verhalten gegenüber den Apothekern feige sei. Linz empfiehlt, das Rx-Versand­handelsverbot schnell gesetzlich zu verankern – auch wenn es juristisch unsicher ist.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, hatte mit einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bei den Apothekern für Unmut gesorgt. Lauterbach sagte u. a., dass der Versandhandel ein kleines Pflänzchen sei, das man nicht unter dem Druck der Apotheker-Lobby zerstören dürfe. Außerdem plädierte der SPD-­Politiker dafür, Rx-Boni zu gewähren, weil davon viele Menschen profitieren könnten. Ohnehin gehe es den Apotheken vor Ort wirtschaftlich gut, von Apothekensterben kann aus Lauterbachs Sicht keine Rede sein. Dass die Beratung ein Argument pro Apotheke vor Ort ist, wollte Lauterbach auch nicht gelten lassen. Vielmehr sei die Beratung bei Chronikern oftmals gar nicht vonnöten.

In ihrer Rede zur Lage beschwerte sich Kammerpräsidentin Linz über ein „besonders perfides“ Verhalten von Lauterbach. Dieser kämpfe nämlich normalerweise für das Wohl und die Rechte armer Menschen. „Und jetzt sagt er sinngemäß, dass sich Hartz-IV-Empfänger mithilfe von Rx-Boni ein bisschen was dazuverdienen sollen.“ Linz kritisierte zudem Lauterbachs Verhalten gegenüber den Apothekern. Einem der Vorstandsmitglieder ihrer Apothekerkammer habe Lauterbach auf dem Deutschen Apothekertag das Gespräch versagt. „Wir können doch anderer Meinung sein und über vieles diskutieren. Aber man sollte immer mit der anderen Seite in Dialog treten. An dieser Stelle finde ich sein Verhalten feige“, erklärte die Kammerpräsidentin. Linz kündigte aber an, dass sich die ABDA-Spitze schon bald mit dem SPD-Politiker treffe.

Differenz zwischen Bundes- und Landespolitikern

Linz berichtete, dass nicht die gesamte SPD Lauterbachs Meinung ist. In der vorherigen Woche hatte Sabine Dittmar, Apothekenbeauftragte in der Bundestagsfraktion der SPD, klargestellt, dass die Gesundheitspolitiker der SPD sich bislang auf keine Lösung festgelegt haben. Sie wollen alle Optionen, inklusive dem Rx-Versandverbot, prüfen. Lauterbach hingegen hatte sehr früh festgestellt, dass „die SPD“ kein Rx-Versandhandelsverbot beschließen werde. Linz machte die Delegierten der Kammerversammlung darauf aufmerksam, dass gerade SPD-Politiker aus Niedersachsen die Apotheker unterstützen. So habe die Landesgesundheitsministerin Cornelia Rundt als erste SPD-Ministerin bekundet, dass sie das Rx‑Versandhandelsverbot vorübergehend unterstützen wolle. Auch der Brief von SPD-Chef Sigmar Gabriel ist laut Linz ein gutes Signal an die Apotheker gewesen. ­Gabriel hatte sich allerdings nicht konkret für ein Versandverbot ausgesprochen.

In der Debatte um das Rx-Versandhandelsverbot stellte die niedersächsische Kammerpräsidentin zudem eine erhebliche Differenz zwischen der Meinung von Bundes- und Landespolitikern fest. Sie fand es „erstaunlich“, dass sich einige Bundespolitiker „anmaßen, zu beurteilen, wie die Versorgung bei uns in den Ländern aussieht“. Bestes Beispiel dafür seien neben Niedersachsen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Linz wies darauf hin, dass sich die Grünen-Gesundheitsminister dieser beiden Länder für die Bundesratsinitiative aus Bayern stark machen. Zur Erinnerung: Bayern hatte in der vorherigen Woche einen Antrag im Bundesrat eingebracht, der das Verbot des Rx-Versandhandels vorsieht.

Medienberichte teilweise ­erschreckend

Linz zeigte sich auch „erschreckt“ über die Qualität vieler Medienberichte nach dem EuGH-Urteil. Insbeson­dere viele Berichte vom gesundheits­politischen Korrespondenten der FAZ, Andreas Mihm, hätten sie nachdenklich gestimmt. Mihm sei ein „in Wolle gefärbter Marktliberaler“, der seinem Freund Lauterbach immer wieder eine Plattform biete. Bundesgesundheits­minister Hermann Gröhe (CDU) war u. a. von der FAZ heftig für seine Unterstützung des Rx-Versandhandelsverbots kritisiert worden. Linz sagte, dass sie Gröhe eine Reihe regionaler Zeitungsartikel aus Niedersachsen geschickt habe, die allesamt betonen, wie wichtig die Leistungen der Apotheke vor Ort sind.

Ihre Kammermitglieder motivierte Linz, mit ihrer „politischen“ Arbeit genau so weiterzumachen. Die Apotheker sollten weiterhin persönlichen Kontakt zu ihren Bundes- und Landtagsabgeordneten aufnehmen, um die Bedeutung der Apotheke vor Ort für die Versorgung in einem Flächenland zu verdeutlichen. Dabei empfahl sie den Pharmazeuten, nicht immer von einem „Versandverbot“ zu sprechen, da dieses Wort sehr unpopulär sei. Es gehe schließlich darum, nur einen sehr kleinen Teil des Versandhandels zu verbieten. Sie selbst weise auch immer darauf hin, dass es das Richtige sei, „erst einmal ein Rx-Versandverbot zu wagen“. Und weiter: „Wichtig für die Apotheke vor Ort wäre es, die Wettbewerbsverzerrung schnell aufzulösen, auch wenn das Versandhandelsverbot nicht bis ins letzte Detail juristisch sicher ist.“

Gegen ABDA-Postkarten-Aktion

Eine der jüngsten PR-Maßnahmen kritisierte die Kammerpräsidentin: Die ABDA hatte Postkarten an Bundestagsabgeordnete geschickt, auf denen politische Botschaften aufgedruckt waren. Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche hatte sich über diese Aktion beschwert und die Karte auf Twitter als „Panikmache“ bezeichnet. Linz sagte: „Ich finde persönliche Briefe und Kontakte besser. Nicht alles, was von der ABDA-Öffentlichkeit kommt, muss ich gutheißen. In diesem Fall spreche ich mich sogar entschieden gegen das Vorgehen der ABDA aus.“ |

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