Aus den Ländern

Gemeinsam für Apotheke vor Ort kämpfen

Siemsen warnt vor Folgen des EuGH-Urteils

HAMBURG (tmb) | In der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg am 8. November warnte Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen vor den möglichen Folgen des EuGH-Urteils zur Preisbindung. Er appellierte an alle Apotheker, für den ­Erhalt der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch inhabergeführte Apotheken zu kämpfen. Wegen außergewöhnlicher Ausgaben im nächsten Jahr beschloss die Kammerversammlung, die Beiträge für 2017 deutlich zu erhöhen.

Fundament für Gemeinwohlpflichten bröckelt

Die Erklärung des EuGH, ländliche Apotheken sollten sich durch höhere Preise finanzieren, übersetzte Siemsen volkssprachlich mit: „Die Landeier könnt ihr abzocken.“ Dies erkläre auch die Verdrossenheit vieler Bürger gegenüber der EU. Wenn Chroniker wegen der Boni an Versender abwandern würden, würde den Apotheken vor Ort das Fundament für jegliche andere geforderte Leistung fehlen. Nach den Sparzwängen der letzten Jahrzehnte hätten die Apotheken keinen Spielraum für Verluste mehr. Darum sei die flächendeckende wohnortnahe Arzneimittelversorgung mittel- bis langfristig in Gefahr. Man müsse die Politiker und die Bevölkerung überzeugen, dass gerade die Kranken und Schwachen die Leidtragenden wären, wenn Apotheken ihre Gemeinwohlpflichten nicht mehr wie gewohnt erfüllen würden. „Das wäre eine Abkehr vom Solidarprinzip“, folgerte Siemsen.

Außerdem würden die Krankenkassen übersehen, dass die Rabattverträge auf einheitlichen Abgabepreisen aufbauen.

Kampagne zum Rx-Versandverbot unterstützen

Doch die Folgen des EuGH-Urteils gingen weit über die Arzneimittelversorgung hinaus. „Es stehen alle nationalen Systeme der staatlichen Daseinsvorsorge vor dem Aus, wenn es der deutschen Politik nicht gelingt, die neoliberale EU-Krake wieder in ihre Schranken zu verweisen, so wie es die EU-Verträge mit dem Subsidiaritätsprinzip ja auch vertraglich bestimmen“, sagte Siemsen. Daher appellierte er an die Apotheker, die ABDA-Kampagne zum Rx-Versandverbot zu unterstützen, individuelle Briefe an Politiker zu schreiben und die Zusammenhänge den Kunden und Patienten in den Apotheken und in sozialen Netzwerken zu erklären.

Nur kurz ging Siemsen auf seine zurückgezogene Kandidatur für das Amt des ABDA-Präsidenten ein. Seit geraumer Zeit entferne sich die aktuelle Ausübung und Wahrnehmung des Amtes von seinen Vorstellungen, erklärte Siemsen, doch nach dem EuGH-Urteil habe er auf die Kandidatur verzichtet, weil jede Energie und Zeit jetzt im Abwehrkampf gegen diesen Angriff auf das Apothekenwesen benötigt werde.

Deutlich höhere Beiträge

Zur Kammerversammlung legte die Kammer den Haushaltsplan für das Jahr 2017 vor, der bei zwei Positionen einmalig erhebliche Mehrausgaben enthält.

Erstens soll eine neue Software für die Verwaltung angeschafft werden, weil die bisherige Software nicht mehr aktualisiert wird. Zweitens soll eine Rückstellung für Steuernachforderungen gebildet werden. Diese könnten sich ergeben, wenn die Vergütung für den Präsidenten rückwirkend für zehn Jahre als umsatzsteuerpflichtig eingestuft wird. Siemsen kündigte an, der Vorstand werde dann entscheiden, die Finanzmittel freizugeben oder die Forderung gerichtlich klären zu lassen. Daraufhin schlug der Vorstand vor, die Kammerbeiträge für 2017 deutlich zu erhöhen, und kündigte zugleich an, dass die Beiträge im Folgejahr wieder gesenkt werden könnten.

Siemsen riet davon ab, die einmalig erforderlichen Beträge dem Vermögen zu entnehmen. Denn das Vermögen werde 2017 voraussichtlich auf weniger als einen halben Jahresetat sinken und solle danach wieder über diese Marke steigen. Eine solche Reserve sei nötig, damit die Kammer auch dann handlungsfähig bleibt, wenn große Beitragszahler in Konkurs gehen sollten. Daher schlug der Vorstand vor,

  • die Grundbeiträge für alle Mitglieder um knapp 25 Prozent und
  • den Betriebsstättenbeitrag in allen Positionen der Beitragsstaffel um 20 Prozent anzuheben.

Der Grundbeitrag für Vollzeitbeschäftigte wird dann 25 Euro pro Monat betragen.

Die Kammerversammlung beschloss nach kurzer Diskussion sowohl den Jahresetat mit den erhöhten Ausgaben als auch die erhöhten Beiträge mit deutlicher Mehrheit. Siemsen bekräftigte, dass die Beiträge stets nur für ein Jahr gelten und daher im nächsten Jahr neu festgelegt werden.

Außerdem beschloss die Kammerversammlung eine neue Weiterbildungsordnung, nachdem dies schon im Frühjahr vertagt worden war.

Auf Reinhard Hanpft folgt Ena Meyer-Bürck

Mit Beginn des Jahres 2017 erhält die Apothekerkammer Hamburg eine neue Geschäftsführerin. Der bisherige Geschäftsführer Dr. Reinhard Hanpft wird nach 26 Jahren in diesem Amt in den Ruhestand gehen. Seine Nachfolgerin wird Ena Meyer-Bürck, die zuvor Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Niedersachsen war. Hanpft hatte bereits im Januar an­gekündigt, er wolle zum Jahresende in den Ruhestand treten, um sich künftig mehr seinen privaten Interessen widmen zu können. Die Kammerversammlung dankte ihm mit lang ­anhaltendem Applaus.

Foto: DAZ/tmb
Die neue Geschäftsführerin Ena Meyer-Bürck mit ihrem Vorgänger Dr. Reinhard Hanpft (re.) und Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen.

Hanpft erklärte, bei seiner Arbeit sei ihm wichtig gewesen, immer das Vertrauen der Kollegen zu spüren – und dies habe er gespürt. Für die weitere Arbeit der Kammer verwies Hanpft auf das Zitat des früheren ABDA-Präsidenten Heinz-Günter Wolf: „Die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden.“ Gerade nach dem EuGH-Urteil sei die Arbeit der Kammer besonders wichtig, betonte er. Die Kammer hat einen Abschiedsempfang für Hanpft im Januar geplant.

Siemsen berichtete kurz über die Suche nach einem Nachfolger für Hanpft. Bis Mai seien fast 60 Bewerbungen eingegangen. Nach langen Verhandlungen habe die Kammer Meyer-Bürck als neue Geschäftsführerin gewinnen können. Die Volljuristin war zuletzt Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Niedersachsen. Siemsen beschrieb sie als ausgewiesene Kennerin der Apothekerschaft mit schneller Auffassungsgabe und politischem Geschick. Meyer-Bürck stellte sich in der Kammerversammlung vor und erklärte, es sei für sie reizvoll, sich nach der Verbandsarbeit nun den Herausforderungen der ordnungspolitischen Seite zu stellen. |

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