Ausbildung

Kanadische Apotheker senken Risiken

Patienten profitieren von den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen

BERLIN (rr) | Die kanadischen Apotheker haben bereits einen großen Schritt weg von einem produktorientierten hin zu einem patientenorientierten Dienstleistungsberuf gemacht. Die Abgabe von Arzneimitteln macht nur noch einen kleinen Teil ihrer Arbeit aus. Zur Pflichtausstattung jeder Apotheke zählt in Kanada ein Untersuchungszimmer, in dem Patientengespräche geführt, Injektionen appliziert (z. B. Grippeimpfung) und Labortests ausgewertet werden. In begründeten Fällen dürfen Apotheker in die Behandlung eingreifen und beispielsweise Dosierung und Formulierung der Medikation sowie das Therapieregime ändern. Ebenso sind sie befugt, auf einen anderen Wirkstoff innerhalb der therapeutischen Klasse zu wechseln und lebenswichtige Medikamente im Notfall zu verordnen (z. B. bei Asthma­attacken). Bei „banalen“ Erkrankungen wie Akne, Erkältungen, allergischer Rhinitis oder Harnwegsinfektionen darf der Apotheker die Therapie hauptverantwortlich übernehmen, inklusive der Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel. In der Provinz Alberta im Westen Kanadas dürfen Apotheker darüber hinaus eine Ermächtigung einholen, eine Therapie mit verschreibungspflichtigen Medikamenten einzuleiten oder zu optimieren (initial access prescribing), meist in einem Indikationsgebiet, in dem der Apotheker eine spezielle Kompetenz erworben hat.

Foto: DAZ/rr
Prof. Dr. Ross Tsuyuki, University of Alberta, Kanada, gab in seinem Vortrag an der Freien Universität Berlin Einblick in das kanadische Apothekenwesen.

Wegbereiter dieser neuen (und honorierten) Aufgabengebiete von Pharmazeuten ist Prof. Ross Tsuyuki, Professor für Kardiologie an der University of Alberta. In verschiedenen Studien (RxING, RxACTION, RxACT) erbrachten er und sein Team den Nachweis für den Nutzen einer pharmazeutischen Intervention in den Indikationen Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Dyslipidämie. Neueste Erkenntnisse lieferte die RxEACH-Studie: Bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko konnte das relative Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis unter pharmazeutischer Betreuung nach drei Monaten um 21% gesenkt werden. Zudem wurde im Rahmen dieser Studie eine große Anzahl von Patienten identifiziert, die ein chronisches, noch nicht entdecktes Nierenleiden hatten. „Define your competency and prove it!” – rät Prof. Tsuyuki auch deutschen Apothekern, um im Rahmen einer Professionalisierung Argumente parat zu haben. |

Quelle

Vortrag „Evidence-based cardiovascular risk reduction by pharmacists – benefits of an advanced scope of practice”, gehalten von Prof. Dr. Ross Tsuyuki am 2. November 2016, Freie Universität Berlin

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