Das EuGH-Urteil

Preisregelungen ins Sozialrecht

Prof. Dr. Hilko J. Meyer, Frankfurt University of Applied Sciences

Mit diesem Urteil setzt sich der EuGH in skandalöser Weise über die Zuständigkeiten des deutschen Gesetzgebers hinweg, ohne sich mit seiner entgegenstehenden Rechtsprechung und den vorgetragenen Gegenargumenten auch nur ansatzweise seriös auseinanderzusetzen. Ausgerechnet dass traditionelle Apotheken – wie der EuGH zustimmend zitiert – „grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage sind, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen“, soll eine Diskriminierung der Internethändler sein, die ihnen ein Anrecht auf Preiswettbewerb gibt. Angesichts des Anwendungsvorrangs des Urteils und der kurzfristig drohenden Inländerdiskriminierung deutscher Apotheken ist nun ein schnelles Handeln des Gesetzgebers erforderlich. Es ist zu begrüßen, dass die Beschränkung des Versandhandels auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die der EuGH 2003 für unionsrechtskonform erklärte, inzwischen auch von Mitgliedern der Regierungsfraktionen unterstützt wird. Zwölf Jahre nach Zulassung des Internethandels und angesichts der aktuellen Rechtsprechung ist diese Lösung allerdings nicht leichter geworden. Zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden, die Preisregelungen für Arzneimittel aus dem Arzneimittelrecht in das Sozialrecht zu transplantieren und damit weitgehend aus der Zuständigkeit der Union herauszunehmen. Die Grenze zwischen Preis- und Erstattungsregelungen – die in den meisten EU-Ländern nicht existiert – ist auch in Deutschland längst durchlöchert, wie die sozialrechtliche Wiederbelebung der alten Preisverordnung für OTC-Arzneimittel und die sozialrechtliche Festlegung des einheitlichen Herstellerabgabepreises unter dem Namen Erstattungsbetrag zeigen. Natürlich würde eine solche Frontbegradigung nicht ohne Kollateralschäden abgehen. Aber wenn die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet würden, den einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gemeinsam und einheitlich zu gewährleisten und keine abweichenden Preisvereinbarungen abzuschließen, wäre dies das klare Signal, dass die Bundesrepublik gewillt ist, die ihr nach Art. 151, 163 AEUV obliegende sozial- und gesundheitspolitische Verantwortung uneingeschränkt wahrzunehmen.


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