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Erstes Medikations-Management-Center an der FU Berlin eingeweiht

BERLIN (diz) | Das Institut für Pharmazie an der FU Berlin reagiert auf die neuen Herausforderungen für das Berufsbild der Apotheker: Am 20. Oktober weihte das Institut sein Medikations-Management-Center (MMC) ein, das erste seiner Art an einem pharmazeutischen Institut. Wir fragten die Abteilungsleiterin für Klinische Pharmazie & Biochemie Prof. Dr. Charlotte Kloft, ob das MMC Vorbild für andere Unis sein könnte.
Modell-Apotheke mit HV-Tisch, Sichtwahl und PC mit Warenwirtschaftssystem und ABDA-Datenbank. Hier können Patientengespräche geübt werden.

Die Pharmaziestudierenden an der FU Berlin werden in Zukunft bereits im Grundstudium an die späteren Aufgabengebiete wie Medikationsplan, Medikationsanalyse und Medikationsmanagement herangeführt. Am neu eröffneten MMC können die Studierenden Erfahrungen sammeln und lernen, was Medikationsmanagement bedeutet.

Wie Institutsleiterin Kloft im Rahmen der Einweihungsfeier erläuterte, gehörten das Medikationsmanagement und die pharmazeutische Betreuung zu den wichtigen Kernkompetenzen des modernen Apothekerberufs. Wenn die Pharmazeuten in diesem Fach gut ausgebildet seien, wirke sich das positiv auf die Arzneimitteltherapie und die Patientenzufriedenheit aus, aber auch auf die eigene Berufszufriedenheit. Sie freue sich darüber, dass nun nach einer dreijährigen Vorlaufzeit der Umbau der Räume abgeschlossen sei und mithilfe von Unterstützern die Einrichtung des MMC ein gutes Lernen ermögliche.

Das MMC ist im Haus der Klinischen Pharmazie in Berlin, Kelchstraße 31, untergebracht. Es besteht aus mehreren Räumen, unter anderem ist eine kleine „Modell-Apotheke“ eingerichtet, in der Rollenspiele geübt werden können. Ähnliche Übungsapotheken finden sich zwar auch an anderen Universitäten. In Berlin ist das Konzept, im apothekenähnlichen Setting zu lernen und zu üben, jedoch konsequent umgesetzt. Kloft hofft, dass das MMC einen Beitrag leistet als Brücke zwischen Theorie und Praxis und einen besseren Einstieg ins Berufsleben ermöglicht.

Wie die Idee zum MMC entstanden ist, wie sich die Integration in die Lehre gestaltet und was darüber hinaus mit dem MMC geplant ist, erläuterte Frau Professor Kloft im DAZ-Interview.

Fotos: DAZ/diz
Prof. Dr. Charlotte Kloft

DAZ: Frau Professor Kloft, wie fing alles an? Wann gab es die ersten Überlegungen für ein MMC?

Kloft: 2013 hatten wir einen Institutsratsbeschluss dazu. Es war mir wichtig, dass das gesamte Institut hinter dieser Idee steht. Denn auf das Institut kamen auch Ausgaben für den Umbau und die Einrichtung der Räume zu. Bei unseren Studierenden wurde die Idee begeistert aufgenommen, sie begannen sofort, leere Arzneimittelpackungen zu sammeln von Eltern, Verwandten, Freunden. Wir haben Brown Bags gepackt, uns Patientenfälle ausgedacht und sogar ein Video gedreht mit Szenen, wie man Fachwissen an den Patienten überbringt. Nach dreijähriger Auf- und Umbauphase stand das MMC. Ab diesem Wintersemester wird es ins Studium integriert.

DAZ: Frau Kloft, was war der Ausgangspunkt für die Idee, ein MMC aufzu­bauen?

Kloft: Ausgangspunkt war die Frage: Was ist heute für den Apothekerberuf qualifizierend notwendig? Und: Wie kann die Klinischen Pharmazie mit einer anwendungsorientierten Lehre dazu beitragen? Voraussetzung ist natürlich das naturwissenschaftliche Fundament, und die Klinische Pharmazie baut die Brücke zum Patienten und seiner Arzneimitteltherapie. Wir haben uns daher für die Ausbildung einen integrierten Ansatz überlegt, um die gesamte Arzneimitteltherapie im Blick zu haben. Das Perspektivpapier der Apotheker und das E-Health-Gesetz mit dem Medikationsplan ­passen da natürlich gut dazu. Ganz wichtig ist für uns: Wir wollen fall­orientiert arbeiten, also Patientenfälle besprechen.

DAZ: An welcher Stelle des Studiums beginnen Sie damit?

Kloft: Wir haben uns dazu entschlossen, im gesamten Hauptstudium vom 5. bis zum 8. Semester vertreten zu sein. Da ich auch für den Bereich Biochemie leitend zuständig bin, können wir auch dort Aspekte, die aus der Klinischen Chemie kommen, mit einbauen. Im 5. und 6. Semester biete ich Vorlesungen zum Hauptfach Klinische Pharmazie an, im 7. Semester gehen wir in Seminarform in die Grundlagen und im 8. Semester folgt dann gezielt die Kleingruppenarbeit. Darüber hinaus haben wir uns überlegt, den Studierenden schon im Grundstudium auf freiwilliger Basis eine Schnupperveranstaltung zu diesen patientenorientierten Themen anzubieten mit Blick auf die Vorbereitung zur Famulatur. So können die Studierenden sehen, wohin der Weg geht, was letztlich die Pharmazie ausmacht. Und als dritte Säule bieten wir im MMC auch die Möglichkeit, sich selbst an Brown-Bag-Reviews zu üben. Wir haben in einem Raum gepackte Brown Bags vorbereitet mit Arzneimittelumkartons und einem Zettel, auf dem der dazugehörige Patientenfall beschrieben ist, außerdem ist ein Umschlag enthalten, der einen Lösungsweg des Falls enthält. Hier können sich die Studierenden während des gesamten Studiums, wenn sie Zeit und Lust haben, an den Brown-Bag-Reviews üben und Medikationsanalysen erstellen.

DAZ: Wie kann man sich das MMC vorstellen?

Kloft: Das MMC besteht aus mehreren Räumen. Wir haben einen eigenen Rechercheraum, ausgestattet mit zahlreichen PC-Arbeitsplätzen mit Zugang zu Datenbanken und Fachliteratur. Auch hier können die Studierenden Patientenfälle bearbeiten. Des Weiteren haben wir einen Raum mit einem Beratungsplatz, einer kleinen Modell-Apotheke mit HV-Tisch, Sichtwahl (allerdings geordnet nach Therapiegebieten und auch mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln) und einem PC mit Warenwirtschaftssystem und ABDA-Datenbank. Hier können sich die Studierenden im Rollenspiel üben: Wie vermittle ich dem Patienten das, was ich weiß, so, dass es der Patient versteht. An einem Mess-/Demoplatz in diesem Raum kann man üben, Blutdruck zu messen oder einem Diabetiker Tipps zur subkutanen Injektion zu geben. Wir haben beispielsweise so eine Art Schwämme, an denen man die subkutane Applikation simulieren und üben kann.

DAZ: Ein wirklich innovatives Lehrkonzept. Was sind die nächsten Schritte?

Kloft: Für die Zukunft wollen wir noch stärker die Kommunikation mit einbauen. Hier laufen bereits erste ­Gespräche mit Psychologen, die uns hierin die notwendigen Kompetenzen vermitteln können. Auch ein Mediziner ist teilweise bei uns in die Lehre integriert. Wir denken auch darüber nach, Medizinstudierende mit Pharmaziestudierenden zusammenzubringen. Das werden die nächsten Schritte sein.

DAZ: Gab es Schwierigkeiten mit anderen Fächern? Mussten andere Fächer Stunden an die Klinische Pharmazie abtreten?

Kloft: Hier an der FU Berlin herrscht ein äußerst kollegiales Klima. Dadurch, dass ich leitend die Klinische Pharmazie und die Biochemie innehabe, sind die Möglichkeiten, was wir gemeinsam machen wollen, größer. Wir sehen hier die Pharmazie eher als ein gemeinsames Fach. Das MMC wird von anderen Fächern mit genutzt werden. Auch die Technologen, die bei uns im Hause angesiedelt sind, haben uns Tabletten und Kapseln zur Verfügung gestellt, außerdem Pens und Inhaler.

DAZ: Ist es ein Vorteil, dass die Klinische Pharmazie an der FU einen eigenen Lehrstuhl hat?

Kloft: Das ist der springende Punkt: Die Ideen und Konzepte, überhaupt das Fach Klinische Pharmazie, all das kann sich nach meiner Auffassung nur an den Standorten entwickeln, an denen es eine Vollprofessur für Klinische Pharmazie gibt. Vor allem die Vollprofessur ist mir wichtig: Junior-Professuren haben den zeitlich begrenzten Horizont von insgesamt sechs Jahren. Sie müssen sich auch Gedanken um ihre Zukunft machen, und dafür geht eine Menge an Energie verloren. Bei Junior-Professuren fehlt die Langzeit-Perspektive, die Möglichkeit, mit Kollegen darüber sprechen zu können, was man langfristig gemeinsam umsetzen möchte.

Die Studentinnen haben Brown Bags gepackt zum Üben der Medikationsanalyse.

DAZ: Könnte das Beispiel MMC Vorbild für andere Standorte sein?

Kloft: Wir sind die ersten mit einem Medikations-Management-Center und diesem integrierten Ansatz. Sehr gute Initiativen sehe ich auch in Bonn und Leipzig, Mainz, in Halle und in Greifswald, wo man im nächsten Semester Ähnliches umsetzen möchte. Ich glaube, es geht hier einfach darum, Schwerpunkte zu setzen. In Bonn werden beispielswiese Patienten in die pharmakotherapeutischen Kolloquien mit ein­gebunden. In Leipzig gibt es wieder andere Schwerpunkte in Verbindung mit der Krankenhausapotheke und dem Arzneimittelinformationszentrum. Ich denke, wir sollten den Gesamt­ansatz eigentlich an allen Standorten in Deutschland erreichen.

DAZ: Mit dem MMC liegen Sie auf der Linie des Perspektivpapiers der Apotheker, in dessen Mittelpunkt steht, näher an den Patienten zu gehen.

Kloft: Ich stehe ganz klar zum naturwissenschaftlichen Fundament der pharmazeutischen Ausbildung. Das Fach Klinische Pharmazie schlägt die Brücke zum Patienten und seiner Therapie, das macht das Fach aus. Uns geht es um Analysen von Patientenfällen und die Entwicklung von Lösungsstrategien. Wir wollen dem Apotheker von morgen das Rüstzeug mit auf den Weg geben, analytische Lösungskompetenz und langfristige Strategien zu entwickeln.

DAZ: Nun gibt es immer wieder Stimmen, die die Patientenfälle, die Brown-Bag-Reviews und Rollenspiele eher im Dritten Ausbildungsabschnitt sehen wollen ...

Kloft: Da sage ich ganz klar nein, das ist mir zu spät. Wir müssen im Studium die theoretischen Grundlagen zum Medikationsmanagement, zur Medikationsanalyse legen. Wir müssen lehren, wie das Wissen auf die Lösung von Patientenfällen übertragen werden kann. Die Studierenden können das nicht am ersten Tag in der Apotheke, wenn sie zum ersten Mal auf einen Patienten treffen. In unserer sicheren Umgebung am Institut können sie das lernen, hier können sie ihr Denken schärfen, sie dürfen auch Fehler machen und gemeinsam darüber diskutieren. Wir wollen das Fundament dafür legen, wie man das Medikationsmanagement in der Praxis umsetzt. Dieser Teil lässt sich nicht im Dritten Prüfungsabschnitt lernen. Was mir noch wichtig ist: Wir sind ­keine, wie es manchmal heißt, „Laber-Pharmazie“, sondern wir arbeiten evidenzbasiert und gehen den Schritt hin zur Patientenorientierung und Anwendung am Patienten. In unserem MMC lernen die Studierenden, Medikationspläne einzulesen, zu aktualisieren, und sie lernen in der Ausbildung auch, Medikationspläne zu erstellen, zu analysieren und das Wissen so weiterzugeben, dass es der Patient versteht. Das sind die Kompetenzen, die unser MMC vermitteln will.Und noch eins mit Blick auf das EuGH-Urteil: Rabatte kann jeder, das Medi­kationsmanagement aber nur der Apotheker.

DAZ: Frau Kloft, vielen Dank für das Gespräch. |

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