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Gesundheitsrisiko Überstunden

Arbeitszeitreport 2016 der BAuA

Vollzeitbeschäftigte arbeiten im Schnitt 43,5 Wochenstunden – fünf Stunden mehr als vertraglich vereinbart. Bei den Teilzeitbeschäftigten liegt der Durchschnitt bei 23,1 Stunden. Die Überstunden beruhen oft auf einem Arbeitspensum, das in der ausgemachten Zeit nicht bewältigt werden kann. Zu diesem Ergebnis kommt der Arbeitszeit­report 2016 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Grafik: Imillian – Fotolia.com

Von den Teilzeitbeschäftigten arbeiten fast drei Viertel in „langer Teilzeit“, d. h. 20 bis 34 Wochenstunden. 17 Prozent leisten mehr als zwei bis zu fünf Überstunden pro Woche und sieben Prozent mehr als fünf Überstunden.

Teilzeit ist immer noch mehrheitlich weiblich. Bei den unter 30-Jährigen, die meist noch vor der Familiengründung stehen, sind die Unterschiede ­allerdings gering.

Von den rund 20.000 von der BAuA Befragten ist etwa die Hälfte mit der Länge ihrer Arbeitszeiten zufrieden. Wer in Teilzeit arbeitet, möchte dagegen oftmals mehr Stunden tätig sein.

Während Männer im Verlauf ihrer Erwerbsbiografie relativ gleichbleibende tatsächliche und gewünschte Arbeitszeiten haben, variiert dies bei Frauen stärker in Abhängigkeit von der jeweiligen Lebens- und Familien­situation. Was nicht verwundert: Bei Alleinerziehenden weichen Wunsch und Wirklichkeit bei den Arbeitszeiten besonders stark auseinander.

Wer seine Arbeitszeit verkürzen will, tut dies aber nicht nur aus familiären Verpflichtungen. Auch der eigene Gesundheitszustand spielt eine Rolle: Er wird von Beschäftigten, die ihre Stunden reduzieren wollen, im Vergleich schlechter bewertet als von denen, die mit dem Zeitumfang zufrieden sind.

Zitiert

„2015 wurden fast eine Milliarde unbezahlte Überstunden geleistet, da sind wir in Europa leider „Spitzenreiter“. Es gibt aber auch Positives: Die bezahlten Überstunden sind zwar seit 1991 um die Hälfte geschrumpft, auf etwa 850 Millionen, aber sie sind nicht weg, sondern liegen auf Arbeitszeitkonten.“

Christina Schildmann, Leiterin des ­Wissenschaftlichen Sekretariats der Kommission
„Arbeit der Zukunft“ bei der Hans-Böckler-Stiftung, im Interview mit heute.de

Keine Pausen wegen Termin- und Arbeitsdruck

Für längere Arbeitszeiten und Überstunden sind häufig betriebliche Gründe verantwortlich: Die Studien­autoren nennen hier Termin- und ­Leistungsdruck, eine Überforderung durch die Menge der Arbeit und das Ausfallen von Arbeitspausen. Letzteres ist übrigens auch in Apotheken ein Problem, wie die ADEXA-Rechtsberatungspraxis zeigt.

Wer lange und überlange Arbeitszeiten sowie häufige Überstunden angab, berichtete auch über mehr gesundheitliche Beschwerden, geringere Arbeitszufriedenheit und eine schlechtere Work-Life-Balance, so die Autoren.

Arbeiten, wenn andere frei haben

43 Prozent der befragten nichtselbstständigen Erwerbstätigen arbeiten ­regelmäßig am Wochenende; davon ­jeweils etwa die Hälfte nur samstags oder auch an Sonn- und Feiertagen. Die Samstagsarbeit ist u. a. im Dienstleistungssektor weit verbreitet.

Wochenendarbeit belastet besonders, weil sie in „sozial wertvoller Zeit“ stattfindet. Insbesondere Frauen sind hier stark beansprucht – das betrifft auch ihren Gesundheitszustand und ihre Arbeitszufriedenheit.

Flexibel – aber wem nützt es?

Ein Arbeitszeitkonto wird für 61 Prozent der abhängig Beschäftigten geführt. Gerade im Dienstleistungsbereich müssen die Konten häufig in ­verhältnismäßig kurzer Frist ausge­glichen werden, so der BAuA-Report.

In kleinen Betrieben sind die eigenen Handlungsspielräume für Arbeitnehmer geringer als in größeren Unternehmen. Hier ist es auch häufig der Arbeitgeber, der die Verwendung von Zeit­guthaben vorgibt. Wer selbst Einflussmöglichkeit auf seine Arbeitszeiten hat, ist gesünder und zufriedener.

Immerhin jeder siebte Beschäftigte ist häufigen Änderungen der Arbeitszeit aufgrund betrieblicher Belange ausgesetzt; gelegentlich trifft es etwa jeden vierten. Im Bereitschaftsdienst oder in Ruf­bereitschaft arbeiten zwölf Prozent der Befragten. Dies geht „deutlich mit gesundheitlichen Beschwerden“ einher. Darüber hinaus wird von etwa jedem Fünften erwartet, auch in der Freizeit erreichbar zu sein. Bei mehr als zehn Prozent führt das auch in der Praxis zu häufigen dienstlichen Kontakten.

„Die Flexibilität hat demzufolge ­sowohl positive als auch negative ­Aspekte“, schreiben die Autoren, denn die persönlichen Entscheidungsspielräume können erweitert oder eingeengt werden. Die Zeitautonomie stelle eine Ressource dar, ein geringer Handlungsspielraum und kurzfristig angekündigte Änderungen seien dagegen belastend. Problematisch sei, dass hohe Anforderungen an die zeitliche Flexibilität oftmals auch mit einer hohen Arbeitsintensität ge­koppelt sind.

ADEXA-Rechtsberatung zur Arbeitszeit

Auch im Apothekenbereich gibt es häufig Probleme rund um das Thema Arbeitszeit. Als ADEXA-Mitglied wenden Sie sich bitte an die gewerkschaftliche Rechtsberatung: info@adexa-online.de. |

sjo

Quelle: Wöhrmann AM, et al. Arbeitszeitreport Deutschland 2016; www.baua.de/de/­Publikationen/Fachbeitraege/F2398.html

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