Deutscher Apothekertag 2016

Im Wechselbad

Ein Kommentar von Klaus G. Brauer

Dr. Klaus G. Brauer, Heraus­geber der DAZ

Mit leeren Händen kamen sie nicht zum Apothekertag – Minister Gröhe nicht, auch nicht die Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien, von Union, SPD, Grünen und Linken. Es mag sein, dass sie (auch) schon einmal ein wenig good will für den nicht mehr allzu fernen Bundestagswahlkampf aufbauen wollten. Geschenkt!

Gesundheitsminister Gröhe verkündete am 12. Oktober vor dem in voller Besetzung angetretenen Apo­thekertag, dass das Bundeskabinett am Vormittag des gleichen Tages das GKV-Arzneimittelversorgungs­stärkungsgesetz (AMVSG) durch­gewinkt hat. Damit dürfte nun sicher sein, dass es zu der vorgesehenen Honorarerhöhung für die Anfertigung von Rezepturen und die Bearbeitung von BtM- und T-Rezepten auch wirklich kommt. Nachdem auch Bundeswirtschaftsminister Gabriel beigedreht ist (die SPD-Abgeordnete und Ärztin Sabine Dittmar hatte sich massiv dafür eingesetzt) und auch aus sonst keiner Partei mehr Gegenwind zu spüren ist, sollten diese Regelungen auch das weitere parlamentarische Verfahren unbeschadet überstehen. Es war ein schwieriger Weg, ein Weg zwischen Hoffen und Bangen.

Ein solcher Weg steht bei einem neu im Regierungsentwurf des AMVSG auftauchenden Thema bevor. Es geht um die exklusiven Zytostatika-Ausschreibungen. Sie haben sich nicht bewährt und sollen deshalb wieder abgeschafft werden. Die Abgeordneten signalisierten Zustimmung. Das macht Mut. Aber der Widerstand bei den Krankenkassen ist groß. Die Regelung scheint noch nicht in Stein gemeißelt zu sein. Trotzdem wäre richtig, im gleichen Zug auch die Impfstoff-Ausschreibungen abzuschaffen. Da vor allem wegen anderen Regelungen des AMVSG noch Anhörungen ausstehen, wird das Gesetz, selbst wenn alles gut geht, erst in der ersten Hälfte 2017 in Kraft treten können. Sei’s drum. Wichtig ist der Inhalt.

Jubelstimmung wollte beim Apothekertag trotz alledem nicht aufkommen. Erstens weil die Honorar­erhöhungen bescheiden bleiben werden; eine echte Kostendeckung wird nicht erreicht – und war von der ABDA aus nachvollziehbaren (!) berufspolitischen Gründen auch nicht angestrebt worden. Wichtiger als das jetzt Erreichte wird sein, zu welchem Ergebnis das vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten zur Apothekenhonorierung kommt, das bis Herbst 2017 fertiggestellt sein soll.

Wichtig dabei: Werden Regelungen enthalten sein, wie die Honorierung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung fortzuschreiben ist? In dieser Hinsicht ist die gegenwärtige Honorierungs­regelung (3% + 8,35 Euro) absolut unbefriedigend – was schon 2004, seitdem die Regelung gilt, erkennbar war.

Zweitens drückte die Ungewissheit auf die Stimmung, wie denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Frage entscheiden würde, ob ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, an die in Deutschland geltenden Preisbildungsregelungen mit ihren festen Preisen gebunden sind – oder ob sie etwa Boni gewähren und auch sonst von den deutschen Preisbildungs­regeln abweichen dürfen. In Deutschland war höchstrichterlich entschieden worden (sogar vom gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes), dass ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, sich den deutschen Preisbildungsregeln für Rx-Arzneimittel unterwerfen müssen – und dass dies auch europarechtskonform ist. Seit Mittwoch dieser Woche, dem Tag nach Redaktionsschluss dieser DAZ, wissen wir, wie der EuGH dazu entschieden hat (siehe DAZ.online).

Auch auf einigen anderen Feldern sind Baustellen zu erkennen, die wenig Freude aufkommen lassen. Vom Retaxations-Wahnsinn einmal abgesehen ist da zum Beispiel das E-Health-Gesetz: Trotz des Angebots der Apotheker, hier im Zusammenhang mit dem Medikationsplan Verantwortung zu übernehmen, stellte sich die Politik taub. Sie spielte den Ärzten die Bälle zu, nur sie erhalten eine Honorierung. Die Apotheker werden als Beifahrer geduldet, gegebenenfalls mit Arbeit eingedeckt – aber nicht honoriert. Man muss schon einiges an Optimismus aufbringen, um zu glauben, dass sich daran Grundsätzliches ändern wird, wenn die handschriftlichen Medikationspläne durch eine elektronische Variante abgelöst werden sollten.

Fazit: Wir verharren im Wechselbad der Gefühle, wir kämpfen, dürfen hoffen und müssen bangen.


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