DAZ aktuell

Defekte gehen in die Tiefe

Hans Rudolf Diefenbach macht sich ein aktuelles Bild von Lieferengpässen

BERLIN (ks) | Der Offenbacher Apotheker und hessische Kammerdelegierte Hans Rudolf Diefenbach hat sich vorgenommen, beim Deutschen Apothekertag erneut das Dauerproblem Lieferengpässe zu thematisieren. Um sich nochmals ein Bild von der Situation zu machen, hatte Diefenbach Kollegen bundesweit aufgefordert, ihm ihre Defektlisten zu schicken. Die Auswertung zeigt: Zwar gibt es momentan im Gesamtkatalog der Arzneistoffgruppen weniger Positionen. Wenn aber Defekte da sind, dann geht es gleich in Richtung eines Komplettausfalls.

50 Listen hat Diefenbach ausgewertet. Sie bilden die Situation im vergangenen September ab. Da sie aus Apotheken bundesweit stammen, lassen sie laut Diefenbach den Schluss zu, dass die Mängel flächendeckend bestehen. Dabei sei ein Trend zu erkennen: Die Vielzahl der Defekte scheint von der Breite her reduziert, dafür hat die Nichtverfügbarkeit von Einzelprodukten massiv zugenommen. So erreichte Metoprolol, vor allem von Hexal, eine „fast 100-Prozent-Quote der Nichtlieferbarkeit“. Das gleiche Bild bei Novaminsulfon von Zentiva. Sowohl Tropfen als auch Tabletten sind laut Diefenbachs Auswertung in fast jeder deutschen Apotheke nicht verfügbar.

Verschiedenste Wirkstoff­gruppen betroffen

Abseits dieser Auffälligkeit hat Diefenbach die Defekte wieder nach dem Lehrbuch von Mutschler et al. („Arzneimittelwirkungen“) sortiert. Hier nur einige Beispiele:

Antipsychotika: Quetiapin 25 mg von Heumann und Aurobindo werden von 20 beziehungsweise 15 Prozent der Apotheken als Dauerdefekt genannt. Eine Nachfrage bei der Firma Aurobindo habe ergeben, dass die Verfügbarkeit erst ab Mitte November 2016 wiederhergestellt sein soll.

Analgetika: Diclo Dispers betapharm hat 15 gemeldete Defekt-Fälle.

Novaminsulfon: Metamizol Hexal Tab­letten 50 wurde von elf Apotheken vermisst. Novaminsulfon Liechtenstein von Zentiva fehlte über alle Darreichungsformen und Packungsgrößen hinweg in 90 Prozent der Apotheken. Auch bei Ratiopharm und 1A Pharma gab es Defekte, sogar das Original Novalgin war für zehn Prozent der Apotheken nicht zu haben.

Betablocker: Metoprolol (Retard-Formen) brachte es auf 54 Meldungen bei 50 Apotheken. Die Firma Hexal steht hier in praktisch jeder Apotheke als nicht lieferfähiger Rabattpartner besonders im Vordergrund. Es fehlte aber auch von Aliud, 1A Pharma, Betapharm, Abz, Heumann, Stada, Ratiopharm und Mylan. „Man kann hier getrost von einem Versorgungsengpass erster Ordnung sprechen, zumal für Tage bis Wochen kein einziges Produkt in keiner Größe für die Retardformen 100 und 200 mg zur Verfügung stand bzw. steht“, sagt Diefenbach.

Biphosphonate: Alendronsäuretabletten von Bluefish wird von 20 Prozent der Apotheken als Defekt gemeldet.

Lipidsenker: Das Produkt Simvastatin 40 mg von Basics und Ratiopharm, beides klassische Rabattarzneimittel, melden 30 beziehungsweise 20 Prozent der Apotheken defekt.

AT-1-Blocker: Candecor Comp fehlte in 20 Prozent der Apotheken, Valsacor Comp war in mehreren Stärken in 25 Prozent der Meldungen nicht lieferbar (beides TAD).

Antiasthmatika: Hier baut sich zurzeit ein Lieferengpass beim Originalprodukt und Rabattarzneimittel Viani Diskus von GSK auf. Der Hersteller erklärt, dass zu viel Ware ins Ausland verkauft würde.

Antibiotika: Hier gibt es in den unterschiedlichsten Wirkstoffgruppen Engpässe. Penicillin Saft von Hexal, Ratiopharm oder 1A Pharma fehlte insgesamt bei 25 Prozent der Apotheken. Levofloxacin Heumann in 13 von 50 Apotheken, Metronidazol 400 AL in zehn Apotheken.

Des Weiteren meldete die Hälfte der Apotheken das Johanniskrautpräparat Laif 900 defekt. Der Hersteller entschuldigt dies mit „Qualitätsproblemen“. Und auch bei Impfstoffen gibt es nach wie vor Engpässe: Vor allem bei Infanrix, Boostrix Polio und Repevax. Und auch damit sind die gemeldeten Defekte nicht abschließend genannt.

Einher gehen all diese Engpässe mit Kontingentierungen und dem vermehrten Direktvertrieb. Schwierig wird es für die Apotheker auch, wenn Patienten bei Rabattvertragsarzneimitteln eine zuzahlungsfreie Variante verlangen und verärgert sind, wenn es diese nicht gibt.

Aus Lieferengpässen werden Versorgungsprobleme

Für Diefenbach ist angesichts dieser Situation klar: Das Hin- und Herschachern von Ware durch die Hersteller, die dorthin verkauften, wo die Rendite am besten ist, und durch einige Großhändler zulasten der Apotheker muss endlich aufhören. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Standesorganisationen einfach nur zusehen, „dass wir mit permanenten Retaxschikanen zu kämpfen haben und täglich tausendfach improvisieren müssen, um den Patienten zu helfen“, sagt Diefenbach. Und es sei auch schlicht falsch, wenn diese immer wieder sage, dass es zwar Lieferprobleme, aber keine Versorgungsprobleme gebe. Es bleibt abzuwarten, was die weitere Diskussion des Themas auf dem Deutschen Apothekertag bringen wird. |

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