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Schmidt geht in die Offensive

Kurswechsel in Sachen Rx-Boni – ABDA-Präsident fordert Rx-Versandhandelsverbot

BERLIN (bro/ral) | Bezüglich des EuGH-Verfahrens zu Rx-Boni hat die ABDA bislang vornehme Zurückhaltung geübt. Keine übereilten Forderungen stellen, war die Devise. Nun scheint die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände einen Kurswechsel einzuleiten – oder jedenfalls ihr Präsident: Friedemann Schmidt ist Medienberichten zufolge in die Offensive gegangen und hat ein Rx-Versandhandelsverbot gefordert. Spannend ist in diesem Zusammenhang: In der ABDA-Pressestelle wusste man bei Anfrage von DAZ.online nichts von dem Statement.
Foto: Imago
Alleingang? ABDA-Präsident Friedemann Schmidt fordert Medienberichten zufolge ein Rx-Versandhandelsverbot für den Fall, dass Rx-Boni erlaubt werden sollen. Bei der ABDA-Pressestelle wollte man von einer derartigen Neupositionierung der ABDA auf Nachfrage nichts wissen.

Am 7. August gab es in den Online-Ausgaben mehrerer überregional bekannter Tageszeitungen eine für Apotheker interessante Überschrift: „ABDA-Chef für Versand-Verbot von verschreibungspflichtigen Medikamenten“, hieß es in der Berliner Zeitung, der Frankfurter Rundschau und im Kölner Stadt-Anzeiger. In dem (in allen Medien identischen) Beitrag ging es darum, welche Bedeutung das erwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Zulässigkeit von Rx-Boni für den deutschen Apothekenmarkt haben könnte.

Im Frühjahr hatte sich der Generalanwalt des EuGH in seinem Plädoyer dafür ausgesprochen, dass der niederländischen Versandapotheke DocMorris das Gewähren von Rx-Boni erlaubt sein müsse. In dem aktuellen Zeitungsartikel heißt es dazu: „In der Politik und vor allem bei den Apothekern löste das Plädoyer größte Unruhe aus. Denn der EuGH übernimmt in rund 80 Prozent der Fälle die Argumentation des Generalanwaltes. Dann sei das gesamte deutsche Preissystem für Arzneimittel nicht mehr zu halten, so die Befürchtung. Schließlich müsste in diesem Fall den ausländischen Versandapotheken erlaubt werden, Ra­batte zu gewähren. Den inländischen Apotheken wäre das aber weiterhin verboten, was einer Diskriminierung gleichkäme. Damit wäre das Preissystem insgesamt obsolet.“

Wenn Rx-Boni, dann Versandhandelsverbot

Um zu dem Thema eine Einschätzung der ABDA zu bekommen, sprach der Redakteur des Beitrags offenbar auch mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Dabei ging es zunächst um Schmidts grundsätzliche Einschätzung zum Versandhandel. Der ABDA-Präsident habe eigentlich „vor einiger Zeit seinen Frieden mit dem lange bekämpften Versandhandel“ gemacht, heißt es. „Wir wollen uns nicht mehr in dieser Schlacht aufreiben“, wird Schmidt zitiert. Doch sowohl Schmidt persönlich als auch die ABDA scheinen in der Angelegenheit nun eine neue Strategie zu verfolgen. Denn mit Blick auf das im Herbst anstehende Urteil heißt es in dem Zeitungsbericht weiter: „Für den Fall, dass das Gericht tatsächlich dem Generalanwalt folgt, plädiert ABDA-Chef Schmidt für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten.“ Schmidts persönlicher Friede mit dem Versandhandel wäre somit also gebrochen.

Wohin will die ABDA?

Und auch zum Kurs der ABDA passt diese Aussage eigentlich nicht. Denn in den vergangenen Wochen hatten mehrere Funktionäre der Apotheker-Spitzenorganisationen immer wieder dafür plädiert, Ruhe zu bewahren und vor dem Urteil keine politischen Forderungen – etwa das Verbot des Rx-Versandhandels – zu stellen.

Lutz Tisch, Chefjurist der ABDA, hatte beispielsweise gesagt, die ABDA brauche in dieser Angelegenheit keinen Plan B. Die Schlussanträge des Generalanwalts seien schlichtweg nicht überzeugend, sodass die Richter denen nicht entsprechen könnten. „Die Schlussanträge erscheinen eher als apodiktisches Plädoyer denn als ausgewogene Prüfung aller vorgetragenen Argumente“, sagte Tisch und forderte die Apotheker auf, sich nicht aufzuregen.

Der Defensiv-Kurs der ABDA in Sachen Rx-Versandhandelsverbot zeigte sich auch bei einer politischen Forderung der CDU-Mittelstandsvereinigung in Nordrhein-Westfalen. Einige Mitglieder der Mittelstandsvereinigung waren durch das Plädoyer des Generalanwaltes so beunruhigt, dass sie einen Antrag für die Mitgliederversammlung vorbereitet hatten. In diesem Antrag wird eine strikte Abschaffung des Rx-Versandhandels noch vor dem EuGH-Urteil gefordert. Nach Recherchen von DAZ.online intervenierten dann allerdings mehrere Funktionäre der Apotheker-Spitzenorganisationen aus Nordrhein-Westfalen. Sie rieten der CDU-Mittelstandsvereinigung offenbar, den Antrag nicht weiterzuverfolgen. Das Rx-Versandhandelsverbot solle nur im Notfall, also nach einem negativen EuGH-Urteil als Forderung auf den Tisch kommen.

Nicht als Neupositionierung missverstehen?

Überraschend ist auch die Reaktion der ABDA-Pressestelle auf die Äußerungen von Friedemann Schmidt. Man wisse nichts von diesen Forderungen, sagte ein ABDA-Sprecher. Schmidt habe den Zeitungen seine Statements persönlich abgegeben. Grundsätzlich dürften diese Äußerungen nicht als Neupositionierung der ABDA missverstanden werden.

Der ABDA-Sprecher teilte weiterhin mit, dass sich an der Einstellung der ABDA zum EuGH-Verfahren und zum Rx-Versandhandelsverbot in den vergangenen Wochen nichts geändert habe. Im Juni habe man ein Statement dazu abgegeben, das weiterhin gelte. In diesem Statement hatte Schmidt gesagt, dass er das Plädoyer des Generalanwaltes bedauere und nicht nachvollziehen könne. Zu einem möglichen Rx-Versandhandelsverbot hatte sich Schmidt damals allerdings nicht ge­äußert. |

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