Arzneimittel und Therapie

Nebenwirkungen beherrschen, Langzeitfolgen mildern

Hilfestellungen für Brustkrebspatientinnen

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Von Petra Jungmayr | Alle Behandlungsarten eines Mammakarzinoms sind mit unerwünschten Wirkungen assoziiert: So die operative Entfernung des Tumors mit Lymphödemen, die Strahlentherapie mit Hautschäden, eine antihormonelle Behandlung mit klimakterischen Beschwerden sowie ossären Komplikationen und eine Chemotherapie mit zahlreichen, teils Substanz-spezifischen Toxizitäten. Die Beschwerden können akut und/oder langfristig auftreten. Während akute Nebenwirkungen häufig limitiert und im Regelfall beherrschbar sind, leiden die Patientinnen oftmals unter den langfristigen Folgen der Behandlung und suchen Rat in ihrer Apotheke, wie sie mit diesen chronischen Begleiterscheinungen einer häufig lebensrettenden Therapie umgehen sollen.

Die unerwünschten Wirkungen einer Tumorbehandlung sind äußerst vielfältig und hängen von zahlreichen Parametern ab:

  • von der Primärtherapie (Operation, Bestrahlung, medikamentöse Therapie)
  • von der Intension (neoadjuvant/adjuvant mit kurativem Ansatz oder Behandlung in der fortgeschrittenen/metastasierten Phase mit palliativer Intension und best supportive care)
  • von der Therapiedauer (akute Therapie oder Langzeit­behandlung)
  • von der Art der Pharmakotherapie (Chemotherapie oder antihormonelle Behandlung)
  • von dem Therapieschema (Auswahl und Dosierung der Wirkstoffe) und
  • von individuellen Patientendaten (Vorbehandlungen, Erkrankungen, Therapiewünsche).

Jede Therapie muss von supportiven Maßnahmen begleitet werden. Diese ermöglichen häufig erst eine Tumorbehandlung, lindern akute und chronische Nebenwirkungen und verhindern Langzeitfolgen. Während die Supportivtherapie akuter Nebenwirkungen meist in onkologischen Praxen oder Krankenhäusern erfolgt, fällt der Umgang mit chronischen Nebenwirkungen in den ambulanten Bereich. Hier sind auch Beratung und Aufklärung durch den Apotheker gefragt.

Medikamentöse Therapie des Mammakarzinoms

Die Pharmakotherapie des Mammakarzinoms richtet sich im Wesentlichen nach der Tumorbiologie und Risikofaktoren. Bei sehr geringem Risiko kann nach Entfernung des Tumors und Bestrahlung unter Umständen auf eine weitere Behandlung verzichtet werden; bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren (Estrogen- und/oder Progesteron-Rezeptor-­positiv) wird eine antihormonelle Therapie empfohlen. Bei einem mittleren Risiko und Hormonrezeptor-positiven Tumoren erfolgt eventuell eine zytotoxische Therapie, gefolgt von einer antihormonellen Behandlung. Bei Vorliegen eines hohen Risikos wird eine Chemotherapie durchgeführt, bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren zusätzlich eine antihormonelle Therapie.

Soll eine adjuvante Therapie mit kurativer Absicht durchgeführt werden, stehen Anthracyclin-haltige Schemata, eventuell gefolgt von Taxanen im Vordergrund. Ein gängiges Anthracyclin-haltiges Schema besteht aus Doxorubicin (= Adriamycin) und Cyclophosphamid (AC-Protokoll) oder Epirubicin und Cyclophosphamid (EC-Protokoll); eventuell kombiniert mit Fluorouracil (FAC- bzw. FEC-Protokoll). Bei erhöhtem Risiko (z. B. bei Lymphknotenbefall) folgt nach einigen Anthracyclin-haltigen Zyklen die Gabe eines Taxans (Paclitaxel oder Docetaxel). Bei HER2-positiven Tumoren wird zusätzlich eine Anti-HER2-Therapie mit Trastuzumab durchgeführt. Bei triple-negativen Tumoren (das heißt weder Estrogen- noch Progesteron- noch HER2-Rezeptoren sind positiv bzw. überexprimiert) werden beispielsweise Anthracyclin- und Carboplatin-haltige Therapien eingesetzt. Bei der metastasierten Erkrankung werden unter anderem Vinorelbin, Eribulin, liposomales Doxorubicin, zielgerichtete Substanzen und orale Zytostatika wie etwa Capecitabin verordnet.

Sowohl die in der frühen als auch die in der fortgeschrittenen Krankheitsphase eingesetzten Wirkstoffe können spezifische und unspezifische Nebenwirkungen hervorrufen. Das heißt, die Wahl der Supportiva richtet sich nach Substanz-spezifischen und allgemeinen Symptomen. Diese können wiederum in akute und chronische Beschwerden unterteilt werden, wobei häufig Überlappungen auftreten. Akute Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind beispielsweise Übelkeit und Erbrechen, Zystitis, Mucositis und Veränderungen im blutbildenden System. Langzeitfolgen einer zytostatischen oder endokrinen Brustkrebsbehandlung machen sich unter anderem an Haaren, Haut und Nägeln, in Schlafstörungen und Fatigue, in klimakterischen Beschwerden sowie in ossären Komplikationen und Neurotoxizitäten bemerkbar (siehe Tabelle 1 und 2).

Tab. 1: Toxizitäten einer Chemotherapie I. [Quelle: AGO-Empfehlungen 2016]
Hämatologische Toxizität
Übelkeit und Erbrechen
Haarverlust
Mucositis
Kardio­toxizität
Nieren-toxizität
Leber­toxizität
Cyclophosphamid
++
++
+
+
+
++
Methotrexat
++
+
+
++
+
++
+
5-Fluorouracil
++
++
++
+
Carboplatin
++
++
+
++
Cisplatin
+
+++
+++
Capecitabin
+
+
+
Gemcitabin
++
+
+
+
Epi- und Doxorubicin
++
++
+++
++
+
pegyl. Doxorubicin
+
+
+
+++
(+)
lipos. Doxorubicin
+
+
+
++
(+)
Mitoxantron
++
++
+
+
+
Paclitaxel
++
+
+++
+
+
nab-Paclitaxel
+
+
+++
+
Docetaxel
++
+
+++
++
Vinorelbin
++
(+)
+
Eribulin
++
+
+
Tab. 2: Toxizitäten einer Chemotherapie II. [Quelle: AGO-Empfehlungen 2016]
Allergien
Blase
Neuro­toxizität
kutane Toxizität
Diarrhö
sonstige
Cyclophosphamid
+
+
+
+
Methotrexat
+
+
++
5-Fluorouracil
+
+
Carboplatin
Cisplatin
+++
Capecitabin
++
++
Gemcitabin
Flu-like Syndrom, Ödeme
Epi- und Doxorubicin
+
pegyl. Doxorubicin
+
+++
lipos. Doxorubicin
+
+
Mitoxantron
Paclitaxel
+++
++
+
Myalgie
nab-Paclitaxel
+
++
+
Myalgie
Docetaxel
++
+
++
+
Myalgie, Flüssigkeitsretension, Nagelschäden
Vinorelbin
++
Thrombophlebitis, Obstipation
Eribulin
++

Bei mehrstufiger Antiemese die Folgetage nicht vergessen

Waren früher Erbrechen und Übelkeit gefürchtete und mitunter Therapie-limitierende Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie, können sie heute bei korrekt erfolgter antiemetischer Prophylaxe in 70 bis 80% aller Fälle verhindert werden. Die antiemetische Prophylaxe folgt nach einem Stufenschema und orientiert sich an der Emetogenität der eingesetzten Wirkstoffe sowie individuellen Risikofaktoren. Anthracyclin-haltige Therapien, die häufig bei der Behandlung eines Mammakarzinoms eingesetzt werden, gehören zu den hoch emetogenen Therapien und erfordern eine mehrstufige, mehrtägige Antiemese. Diese besteht aus einem 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten in Kombination mit Steroiden und einem Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten. Die Medikation für Tag eins wird normalerweise in der behandelnden Einheit gegeben, an den Folgetagen erfolgt die Einnahme zu Hause. Das heißt, bei entsprechenden Verordnungen über Aprepitant (Emend®) und Dexamethason muss die Patientin auf die Notwendigkeit der Einnahme an den Folgetagen hingewiesen werden.

Einnahme von Aprepitant und Dexamethason

(Therapieschema bei hoch emetogener Chemotherapie mit Aprepitant oral)

  • Tag 1: 125 mg Aprepitant oral, 12 mg Dexamethason oral, 5-HT3-Antagonist in Standarddosierung
  • Tag 2: 80 mg Aprepitant oral, 8 mg Dexamethason oral
  • Tag 3: 80 mg Aprepitant oral, 8 mg Dexamethason oral
  • Tag 4: 8 mg Dexamethason oral

Aprepitant oral sollte einmal täglich eine Stunde vor Beginn der Chemotherapie an Tag 1 und an den Tagen 2 und 3 ebenfalls einmal täglich morgens eingenommen werden. Dexamethason sollte 30 Minuten vor Beginn der Chemotherapie an Tag 1 sowie an den Tagen 2 bis 4 morgens eingenommen werden.

Zystitis-Prophylaxe – Mesna korrekt einnehmen

Wie bereits erwähnt, wird Cyclophosphamid im Rahmen einer adjuvanten Chemotherapie auch bei Brustkrebs eingesetzt und kann eine hämorrhagische Zystitis hervorrufen. Diese wird durch urotoxische Metaboliten verursacht. Als Gegenmaßnahme wird Mesna verabreicht, das sowohl für die parenterale als auch für die orale Gabe zur Verfügung steht. Im ambulanten Bereich wird häufig die erste Gabe i. v. (20% der Cyclophosphamid-Gabe zu Beginn der Cyclophosphamid-Infusion; Stunde null) gegeben, die Folgedosen werden oral verabreicht. Diese betragen dann 40% der Cyclophosphamid-Dosis und müssen an den Stunden zwei und sechs eingenommen werden. Erfolgt die Gabe von Mesna ausschließlich oral, so müssen 40% der Cyclophosphamid-Dosis zwei Stunden vor der Cyclophosphamid-Infusion und an den Stunden zwei und sechs eingenommen werden. Wird für eine Patientin Mesna (Uromitexan®) in Tablettenform verordnet, ist eine Beratung erforderlich, um eine zuverlässige Einnahme zum richtigen Zeitpunkt zu gewährleisten.

Mucositis – mehrmals täglich spülen

Die unter der Strahlen- und Chemotherapie auftretende Mucositis ist eine häufige und belastende Nebenwirkung der Tumortherapie. Obwohl zahlreiche Informationen zur Prävention und Therapie einer Mucositis zirkulieren, sind fundierte Daten rar, da zu vielen eingesetzten Substanzen weder positive noch negative Studien vorliegen. Für die Mehrzahl fehlt ein wissenschaftlichen Qualitätskriterien entsprechender Wirksamkeitsnachweis. Ebenso fehlen klinische Studien zur Wirksamkeit von Phytopharmaka. Im Vordergrund stehen vorbeugende Maßnahmen wie eine zahnärztliche Sanierung der Mundhöhle vor Beginn der Chemotherapie, eine intensivierte Mundpflege und das Vermeiden schädlicher Noxen.

Mucositis-Prophylaxe

intensivierte Mundpflege

  • Zähne putzen mit weicher Zahnbürste und milder Zahnpaste; nach jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen
  • tägliche Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Interdentalbürsten
  • Spülungen der Mundhöhle (mit Wasser oder 0,9%iger NaCl-Lösung; keine zucker-, alkohol- oder säurehaltige Lösungen); in der Regel sechs Mal täglich spülen
  • wird Tee (z. B. Salbeitee) zum Spülen verwendet, muss dieser frisch zubereitet werden, um einer Verkeimung vorzubeugen
  • Stimulation der Speichelbildung nach der Mahlzeit (z. B. zuckerfreier Kaugummi)

Vermeiden schädigender Noxen

  • keine alkohol- oder zuckerhaltige Lösungen
  • keine scharfe oder heiße Getränke und Speisen
  • keine scharfkantige, trockene oder bröselige Speisen
  • kein Nicotin, kein Alkohol
  • keine säurehaltige Lebensmittel

Neutropenieprophylaxe – Applikationsintervalle beachten

Zytotoxische Wirkstoffe können Myelosuppressionen mit nachfolgender Neutropenie verursachen. Das Risiko hängt unter anderem von Art und Dosis der Chemotherapie ab. Liegt das Risiko über 20% oder wird bei Vorliegen von Risikofaktoren zwischen 10 und 20% eingeschätzt, wie dies bei einigen Therapiearten des Mammakarzinoms der Fall ist, wird zu einer Prophylaxe mit Granulozyten-Koloniestimulierenden Wachstumsfaktoren (G-CSF) geraten. Infrage kommen unter anderem Filgrastim und Pegfilgrastim. Filgrastim wird täglich so lange appliziert, bis die Anzahl der neutrophilen Granulozyten nach dem tiefsten Absinken der Werte (Nadir) wieder den normalen Bereich erreicht hat. Pegfilgrastim hat aufgrund seiner langen Wirkdauer den Vorteil, dass es nur einmal pro Chemotherapiezyklus gegeben werden muss. Für Pegfilgrastim und Filgrastim gilt, dass sie 24 Stunden (Filgrastim frühestens 24 Stunden und nicht später als drei Tage) nach der Chemotherapie appliziert werden. Die subkutane Gabe erfolgt in den Oberschenkel, die Bauchregion oder den Oberarm und kann von unterwiesenen Patienten selbst vorgenommen werden.

Leitlinien zur Supportivtherapie

Derzeit wird eine interdisziplinäre S3-Leitlinie zur Supportivtherapie bei onkologischen Patientinnen diskutiert (AWMF-Registernummer 032-054OL). Mit ihrer Hilfe sollen deutschlandweit eine Standardisierung der häufigsten Supportivmaßnahmen und eine flächendeckende Versorgung onkologischer Patienten ermöglicht werden. Derzeit finden sich Angaben zu Supportivmaßnahmen verstreut in einzelnen Leitlinien – häufig mit unterschiedlicher Gewichtung und nicht auf demselben Stand. Daher sollen organübergreifende Themen in einer Leitlinie zusammengefasst werden. Tumorspezifische Aspekte wie etwa sexuelle Dysfunktionen beim Prostatakarzinom verbleiben in der Leitlinie zur jeweiligen Tumorentität. Ergänzende Angaben sind in indikationsübergreifenden Leitlinien wie etwa in der Leitlinie zu Lymphödemen zu finden. Die S3-Leitlinie zur Supportivtherapie geht auf folgende Themen ein: Anämie, Antiemese, Tumortherapie-induzierte Neutropenie, Hauttoxizitäten, Mucositis, Diarrhö, periphere Neurotoxizität, ossäre Komplikationen, supportive Maßnahmen in der Radioonkologie und Paravasate.

Quelle

Konsultationsfassung S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen. Version 0.1 - Juni, 2016 AWMF-Registernummer: 032-054OL, www.leitlinienprogramm-onkologie.de

www.onkosupport.de/asors

www.mascc.org

www.esmo.org

www.nccn.org

www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines

www.dv-osteologie.org

Neurotoxizität – Risikominderung durch Lebensführung

Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathien (CIPN) treten vor allem nach Therapien mit Platin-Derivaten, Taxanen, Vinca-Alkaloiden und Eribulin auf. Sie äußern sich in Hypästhesien, Parästhesien oder Hyperästhesien, neuropathischen Schmerzen und Beeinträchtigungen des Vibrationsempfindens. Nach Beendigung der Chemotherapie klingen die Beschwerden im Allgemeinen nach einer unterschiedlich langen Plateau-Phase allmählich ab. Zur Prophylaxe wird ein regelmäßiges Bewegungstraining für Finger und Zehen empfohlen; für die Wirksamkeit einer medikamentösen Prophylaxe liegen keine gesicherten Daten vor. Zur medikamentösen Therapie einer bestehenden Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie werden mit unterschiedlichem Empfehlungsgrad und teilweise im Off-label-Use unter anderem Duloxetin, Venlafaxin, Pregabalin, Amitriptylin, Gabapentin sowie diverse Topika (Pflaster mit Capsaicin oder Lidocain oder eine 1%ige Menthol-Creme) eingesetzt. Auf dem diesjährigen amerikanischen Krebskongress ASCO wurde eine Studie vorgestellt, in der der Einfluss der Lebensführung auf eine Taxan-induzierte CIPN untersucht wurde. Ein BMI > 25, geringe körperliche Aktivität und die Einnahme von Antioxidanzien verschlechtern eine Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie, das heißt, durch eine entsprechende Lebensführung kann das Risiko vermindert werden.

Haarausfall – es gibt keine wirksame Prävention

Viele bei der Therapie eines Mammakarzinoms eingesetzte Wirkstoffe wie Cyclophosphamid, Anthracycline und Taxane führen zu Haarausfall, der von den Betroffenen häufig als Stigmatisierung empfunden wird. Neben der Körperbehaarung können im Verlauf der Therapie auch Gesichts- und Schamhaare in Mitleidenschaft gezogen werden. Einige Wochen nach Behandlungsende beginnen die Haare wieder nachzuwachsen, wobei Farbe (heller oder dunkler) und Struktur verändert sein können (Anthracyclin-Dauerwelle). Zur Prophylaxe einer Alopezie kann unter Abwägung von Nutzen und Risiken eine Kopfhautkühlung (scalp cooling) erwogen werden. Durch die so erzeugte Vasokonstriktion soll der Blutfluss in den Haarfollikeln während hoher Zytostatika-Plasmakonzentrationen vermindert werden. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass im Umfeld der Kälte­haube liegende Tumorzellen schlechter erfasst werden. Aufgrund dieses möglichen Nachteils und uneinheitlichen Studien wird die Kopfhautkühlung eher zurückhaltend praktiziert. Keine ausreichende Evidenz für eine präventive Wirkung im Hinblick auf den Haarverlust liegt für alimentäre Therapeutika mit Hirse sowie für Topika mit Minoxidil oder Vitamin D3 vor. Aufgrund fehlender Therapie- und Prophylaxemaßnahmen soll die Patientin frühzeitig auf den Haarausfall vorbereitet werden; empfohlen werden Kurzhaarschnitte und das rechtzeitige Verordnen eines Haarersatzes.

Hand-Fuß-Syndrom und Nagelveränderungen

Unter einem Hand-Fuß-Syndrom (Synonyme: akrales Erythem, palmoplantare Dysästhesie oder palmoplantare Erythrodysästhesie, PPE) versteht man krankhafte Hautveränderungen (Rötungen, Schwellungen, Missempfindungen, Taubheitsgefühl sowie Blasenbildung und Hautablösungen) an den Handinnenflächen und den Fußsohlen, die unter einer Chemotherapie – insbesondere unter Capecitabin und pegyliertem liposomalem Doxorubicin – auftreten. Vor Beginn einer entsprechenden Chemotherapie sollten Hände und Füße der Patienten inspiziert und mögliche Pilzinfektionen, Ekzeme oder Hyperkeratinosen behandelt werden. Entwickelt sich im Verlauf einer Therapie ein Hand-Fuß-Syndrom, kommen mehrere Maßnahmen zum Tragen, deren Effektivität unterschiedlich bewertet wird. Zur Behandlung entzündlicher Veränderungen werden potente topische Glucocorticosteroide aufgetragen. Bei Blasenbildung sind Umschläge mit Antiseptika (wie etwa mit Octenidin) hilfreich. Bei Hyperkeratinosen werden Harnstoff- oder Salicylsäure-haltige Externa aufgetragen. Unter Taxanen und weiteren Zytostatika können Nagelveränderungen (Verfärbungen, Onycholysis) auftreten. Wird im Rahmen einer Chemotherapie Docetaxel verabreicht, so kann eine Kühlung der Hände während der Infusion (z. B. unter Verwendung von Kühlpads) einem Hand-Fuß-Syndrom und Nagelveränderungen vorbeugen.

Prävention eines Hand-Fuß-Syndroms

  • mechanische Belastung (Druck, Reibung, Hitze) vermeiden
  • chemische Noxen (Haushaltsreiniger, Spülmittel etc.) vermeiden
  • regelmäßig Handinnenflächen und Fußsohlen mit Harnstoff-haltiger Creme behandeln
  • Auftragen von kühlen und nassen Umschlägen
  • regelmäßige Entfernung von Schweiß mit lauwarmem Wasser
  • keine Sauna- oder Dampfbadbesuche
  • keine Sonnenbäder, Sonnenschutz beachten
  • auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten

Prophylaxe von Nagelveränderungen

  • Vermeiden mechanischer Belastung (z. B. durch übermäßige Maniküre, künstliche Nägel, Nägelkauen, Entfernen der Nagelhaut, enge Schuhe)
  • Vermeiden chemischer Noxen (Wasser, Reinigungsmittel)
  • Nagelpflege (gerade geschnittene, nicht zu kurze Nägel; tägliches Eincremen des periungualen Gewebes mit Harnstoff-haltigen Externa)

Fatigue – Bewegung hilft

Fatigue ist eines der häufigsten und zugleich eines der am wenigsten differenziert erfassten Symptome von Tumorpatienten. Bei Brustkrebspatientinnen liegt die geschätzte Prävalenz zwischen 30 und 60%. Empfohlen werden körperliches Training (Spazierengehen gegen Fatigue), gezielte psychosoziale Interventionen, Entspannungsübungen und ein Einteilen der Kräfte. In ausgewählten Fällen kann die Gabe von Methylphenidat hilfreich sein. Ferner gibt es Hinweise aus klinischen Studien zur Wirksamkeit der Akupunktur.

Was tun bei Muskel- und Gelenk­schmerzen unter Aromatase-Hemmern?

  • Hinweis auf die im Lauf der Zeit häufig abnehmenden Beschwerden. Diese sind normalerweise in den ersten Monaten am stärksten ausgeprägt und gehen dann zurück.
  • Die abendliche Einnahme des Aromatase-Hemmers kann sinnvoll sein.
  • Im Bedarfsfall kann zusätzlich ein leichtes Schmerzmittels (z. B. Naproxen oder Paracetamol) eingenommen werden.
  • Gewichtsabnahme bei Adipositas und körperliche Aktivität bessern die Beschwerden

Endokrine Therapie – Adhärenz stärken

Bei einer Hormonrezeptor-positiven Brustkrebserkrankung – das betrifft rund 70 bis 80% aller Mammakarzinompatientinnen – erfolgt in der Regel nach Operation und gegebenenfalls Chemotherapie eine mehrjährige antihormonelle Behandlung, um mögliche hormonabhängige Wachstums­signale zu unterbinden. Zur oralen Therapie werden je nach Menopausenstatus oder bestehenden Kontraindikationen Aromatase-Inhibitoren und/oder Tamoxifen eingesetzt. Die derzeit empfohlene Therapiedauer beträgt fünf Jahre, doch verdichten sich die Hinweise, dass eine längerfristige Therapie mit einem zusätzlichen Benefit einhergeht. Die lange Therapiedauer und unerwünschte Wirkungen erfordern eine hohe Adhärenz der Patientin, zumal Nebenwirkungen auftreten, die die Lebensqualität einschränken. Es gilt also, den Betroffenen die Notwendigkeit einer langfristigen Therapie – das heißt eine bessere Prognose – nahezubringen und eine Beratung zur Linderung unerwünschter Begleiteffekte anzubieten. Wie eine aktuelle Studie mit über 20.000 Frauen zeigt, scheinen dabei Patientinnen, die auch im Hinblick auf andere chronische Erkrankungen eine mangelnde Compliance zeigen, eine besonders beratungsbedürftige Zielgruppe zu sein.

Was tun bei Hitzewallungen unter Hormonentzug?

  • allgemeine Maßnahmen: Entspannungsübungen, Sport und Bewegung
  • Akupunktur: Ihre Wirksamkeit wird widersprüchlich beurteilt. Einige Studien geben Anhaltspunkte, dass durch Akupunktur die Häufigkeit von Hitzewallungen und deren Ausprägung vermindert werden können, andere fanden keine positiven Wirkungen.
  • Phytoestrogene: Von ihrer Einnahme wird bei Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs abgeraten. Seit Herbst 2015 liegt vom Bundesinstitut für Risikobewertung die Empfehlung vor, bei Estrogen-­abhängigen Mammakarzinomen keine Isoflavon-haltigen Präparate einzunehmen.
  • Cimicifuga-Extrakte: Ihre Wirksamkeit ist nicht ausreichend belegt; es liegen keine Hinweise auf negative Auswirkungen vor. Bei bestehendem Leberschaden sollte Cimicifuga nur mit Vorsicht angewendet werden.
  • medikamentöse Alternativen: Die Gabe von Antidepressiva ist im Einzelfall nach ärztlicher Verordnung und unter Berücksichtigung möglicher Interaktionen hilfreich.

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Tamoxifen sind Wechseljahresbeschwerden (z. B. Hitzewallungen, Schweißausbrüche), Thrombosen und Embolien, ein gering erhöhtes Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs, kognitive Beschwerden sowie eine Verschlechterung der Sehkraft. Unter einer Therapie mit Aromatase-Hemmern (Letrozol, Exemestan, Anastrozol) treten ebenfalls Hitzewallungen, kognitive Beschwerden, Gelenk- und Muskelschmerzen, Osteoporose mit erhöhtem Knochenbruchrisiko sowie Hypercholesterolämie auf. Diese unerwünschten Wirkungen sind jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt (siehe Tabelle 3).

Tab. 3: Nebenwirkungs- und Sicherheitsprofil von Aromatase-Hemmern und Tamoxifen [Quelle: Banys-Paluchowski M et al.]
Nebenwirkung
Aromatase-Hemmer
Tamoxifen
Arthralgie/Myalgie
+++
+
Osteoporose
++
Wechseljahres­beschwerden
+
+++
Endometriumkarzinom
+
Thromboembolische Komplikationen
+
Sehstörungen
+
Hypercholesterolämie
+

Prävention ossärer Komplikationen

Ossäre Komplikationen können entweder durch die Tumorerkrankung bedingt sein wie z. B. Knochenmetastasen beim Mammakarzinom oder als Folge einer Therapie auftreten. Letzteres ist der Fall unter einer antihormonellen Behandlung, insbesondere unter der Einnahme von Aromatase-Hemmern. Das Gesamtrisiko für eine Osteoporose setzt sich dann aus Therapie-assoziierten Risikofaktoren und individuellen Faktoren (z. B. Rauchen, Untergewicht, Immobilität, Einnahme von Corticoiden etc.) zusammen. Bei Beginn einer antihormonellen Therapie wird daher eine Basisdiagnostik empfohlen, um das weitere Vorgehen festzulegen. Neben prophylaktischen Maßnahmen kommen folgende Behandlungsmöglichkeiten in Betracht:

  • ausreichende Einnahme von Vitamin D (800 bis 2000 IE/Tag),
  • kritische Indikation knochenschädlicher und sturzfördernder Medikamente,
  • antiresorptive Therapie mit Bisphosphonaten oder dem RANKL-Antikörper Denosumab.

Tab. 4: Therapie und Prävention der Tumortherapie-induzierten Osteoporose. [Quelle: AGO-Empfehlungen 2016]
therapeutische Option
AGO-Empfehlungsgrad
Oxford ­Level of Evidence
Oxford Grade of Recommendation
Bisphosphonate
  • Therapie
  • Prävention
++
+
1b
1b
B
A
Denosumab
  • Therapie
  • Prävention
++
+
1b
1b
B
A
Hormonersatztherapie
D
5
Bestimmung der Knochendichte vor Therapie mit Aromatase-Hemmern
+
5
D
risikoadaptierte Kon­trolle der Knochendichte im Verlauf
+
5
D

++ wird uneingeschränkt empfohlen und sollte durchgeführt werden

+ ist von begrenztem Vorteil und kann durchgeführt werden

– kann von Nachteil sein und sollte nicht durchgeführt werden

Bisphosphonate und Denosumab reduzieren das ossäre Risiko und werden zur Prävention und Behandlung einer Therapie-assoziierten Osteoporose eingesetzt (siehe Tabelle 4). Ferner weisen sie auch klinisch relevante antineoplastische Eigenschaften auf und reduzieren das Rezidivrisiko. Vor Therapiebeginn sollte eine zahnärztliche Untersuchung bzw. Sanierung erfolgen, um Kieferosteonekrosen vorzubeugen. |

Literatur

Berger DP, Engelhardt R, Mertelsmann R. Das Rote Buch. Hämatologie und internistische Onkologie. 5. Auflage eccomed Medizin 2014

Berger DP, Duyster J, Mertelsmann R. Das Blaue Buch. Chemotherapie-Manual Hämatologie und internistische Onkologie. 5. Auflage Springer Verlag 2014

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Vehreschild JJ et al. Prophylaxis of infectious complications with colony-stimulating factors in adult cancer patients undergoing chemotherapy-evidence-based guidelines from the Infectious Diseases Working Party. AGIHO of the German Society for Haematology and Medical Oncology (DGHO). Ann Oncol 2014;25(9):1709-1718

Goss P et al. Extending aromatase-inhibitor adjuvant therapy to 10 years. NEJM 2016, published online 5. Juni; doi: 10.1056/NEJMoa1604700

Lindner J et al. Hair shaft abnormalities after chemotherapy and tamoxifen therapy in patients with breast cancer evaluated by optical coherence tomography. Br J Dermatol 2012;167(6):1272-1278

Macedo LT et al. Prevention strategies for chemotherapy-induced hand–foot syndrome: a systematic review and meta-analysis of prospective randomised trials. Supportive Care in Cancer 2014;22(6):1585-1593

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Heim M et al. Fatigue bei Krebserkrankungen. Schattauer Verlag Stuttgart 2015

Irwin ML et al. Randomized trial of exercise vs. usual care on aromatase inhibitor-associated arthralgias in women with breast cancer: The hormones and physical exercise (HOPE) study. SABCS 2013;Abstr.S3-03

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Banys-Paluchowski M et al. Aromatasehemmer: eine kritische Bestandsaufnahme. Dtsch Ärztebl 2016;113(11):[12]; DOI: 10.3238/PersGyn.2016.03.18.03

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Fachinformation Emend®; Stand März 2016

Fachinformation Uromitexan®; Stand Januar 2016

Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums – Krebsinformationsdienst, www.krebsinformationsdienst.de

Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft, www.krebsgesellschaft.de

Informationen des Bundesinstituts für Risikobewertung, www.bfr.bund.de

Diagnosis and Treatment of Patients with Primary and Metastatic Breast Cancer. Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. sowie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V., Stand 2016, www.ago-online.de

Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Medizinische Fachgesellschaften, Langversion 3.0, Aktualisierung 2012, AWMF-Register-Nummer: 032 – 045OL, www.awmf.org

Autorin

Dr. Petra Jungmayr ist Apothekerin und schreibt regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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