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Mehr als Schmerztherapie

Fachtagung Sozialpharmazie über die Versorgung von Palliativpatienten

cae | „Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen ­Bedingungen.“ So steht es in der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland. Arzneimittel spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mit diesem Thema beschäftigte sich die 19. Fachtagung Sozialpharmazie des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen und der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen am 31. Mai und 1. Juni in Düsseldorf.

Rechtliche Aspekte

Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz 2015 ist die Palliativversorgung als Teil der Regelversorgung der GKV weiter gestärkt worden – ein bedeutender Schritt, denn eine früh einsetzende palliativmedizinische Versorgung verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern kann auch die Lebenszeit ­­verlängern.

Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein, Hamburg, legte dar, dass das Bundessozialgericht bisher einen restriktiven Standpunkt bei der Off-label-Medikation von Palliativpatienten eingenommen hat. So fordert es generell, dass von einer Off-label-Medikation keine unkalkulierbaren Risiken ausgehen dürfen. Für Palliativpatienten, die nur noch kurze Zeit leben, sind langfristige Risikoabwägungen allerdings unpassend. Nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Off-label-Medikation allein zur Symptomkontrolle nicht gerechtfertigt, sondern nur, wenn auch die Chance auf Heilung oder auf eine nachhaltige Lebensverlängerung besteht; diese Chance haben Palliativpatienten allerdings nicht.

Wie Apothekerin Constanze Rémi vom Uniklinikum München ausführte, gibt die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ Schlüsselempfehlungen zur Behandlung von Atemnot, Depression, Tumorschmerzen und Obstipation. Die Behandlung der Patienten soll „ganzheitlich“ sein und auf ihre physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse eingehen (multiprofessioneller und interdisziplinärer Ansatz).

Engagement der Apotheken

Dr. Klaus Ruberg, der eine öffentliche Apotheke in Wesseling leitet, berichtete über die Leistungen seiner Apotheke für Palliativpatienten, z. B. die Befüllung von Schmerzpumpen im eigenen Sterillabor und die Schulung der Patienten in der Bedienung dieser Pumpen. Direkt nach der Entlassung eines Patienten aus der Klinik in das eigene Zuhause ist es wichtig, die Medikation und parenterale Ernährung möglichst reibungslos umzustellen. Ruberg führt auch Medikationsanalysen durch, denn Symptome wie ein ­Delir sind oft durch Arzneimittel ­verursacht.

Rolf Peters, Mitarbeiter einer Apotheke in Schmallenberg im Sauerland, hob einige Aspekte der Palliativpharmazie im ländlichen Raum hervor. Die Apotheke versorgt eine palliativmedizinische Abteilung mit fünf Betten in ­einem Fachkrankenhaus mit den be­nötigten Arzneimitteln, die entweder ­direkt verfügbar sind oder zeitnah ­beschafft werden können. Umständlich ist bisweilen die Versorgung der ambulanten Patienten, die während der Notdienstzeiten oft weite Strecken zurücklegen müssen.

Vorzuhaltende Arzneimittel

Über die Notfallliste vorzuhaltender Medikamente für die ambulante Palliativversorgung der Apothekerkammern Westfalen-Lippe und Nordrhein berichteten Dr. Claudia Brüning und Dr. Sabine Viefhues. Grundlage für die Erstellung der Liste in Westfalen-Lippe war der direkte Austausch mit leitenden Palliativmedizinern. Die bei der Tagung anwesenden Amtsapotheker bestätigten, dass die Apothekenleiter bis auf einzelne Ausnahmen den Empfehlungen der Notfalllisten folgen. |

Quelle: Nina-Kristin Mann, Münster

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