Die Seite 3

Das liebe Geld ...

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Das Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln beschäftigt die Fachkreise schon seit längerer Zeit. In einer Themenwoche haben die Redaktionen von DAZ.online und der DAZ das Thema nun gemeinsam aufgearbeitet. Die Ergebnisse finden Sie bereits seit Montag in Berichten, Analysen und Hintergründen auf DAZ.online, in dieser Ausgabe der DAZ schließt sich ein ausführliches DAZ-Spezial an („Dauerthema Lieferengpässe“, ab S. 24).

Klar wird bei dessen Lektüre, dass Arzneimittel-Lieferengpässe verschiedenste Gründe haben, und dass deswegen auch unterschiedliche Lösungsansätze notwendig sind. Viele, wenn nicht gar die meisten dieser Gründe sind aber auf eine ganz profane Ursache zurückzuführen: Geld.

Arzneimittel fehlen in Deutschland, weil die Rabattverträge die Versorgung auf wenige oder gar einen einzigen Hersteller konzentrieren, heißt es oft. Die Rabattverträge haben aber nur eine einzige Daseinsberechtigung: den Krankenkassen Geld zu sparen. Immer wieder zeigt sich auch, dass Produktionsprobleme bei einem Lohnhersteller zu Lieferengpässen bei vielen unterschiedlichen Unternehmen (Hersteller mag man hier gar nicht mehr sagen) führen können, die alle bei diesem einen Produzenten herstellen lassen. Die Ursachen solcher Konzentrationsprozesse dürften in den meisten Fällen ebenfalls finanzieller Art sein. Auch dass Arzneimittel heute nicht mehr in Deutschland, sondern in Südeuropa oder gleich in Asien produziert werden, hat wohl vor allem wirtschaftliche Gründe. Die Liste ließe sich fortsetzen.

All das ist nicht neu, die zunehmende Ökonomisierung (nicht nur) des Gesundheitswesens wurde schon oft beklagt. Besserung jedoch ist bisher nicht in Sicht, viele Beteiligte reden die Probleme lieber immer noch klein, auch bei den Lieferengpässen.

Doch die Ergebnisse des Aufrufs von DAZ.online, eine Woche lang die nicht lieferbaren Arzneimittel zu melden, sind erschreckend: Schon dass über 900 verschiedene Produkte betroffen sind, ist besorgniserregend. Dass jedoch 50 Apotheken innerhalb von nur einer Woche insgesamt fast 3000 Mal ein gewünschtes oder benötigtes Arzneimittel nicht bekommen haben, ist für ein Industrieland wie Deutschland eigentlich nicht akzeptabel. Rechnet man diese Zahl auf die über 20.000 deutschen Apotheken hoch, sind in Deutschland pro Woche rund 1,2 Millionen Packungen nicht lieferbar! Das entspricht ungefähr 5 Prozent der im Schnitt 26 Millionen wöchentlich abgegebenen Arzneimittel.

Nun ist es sicher richtig, dass nicht jeder Defekt gleich ein Drama und nicht jeder Liefer- ein Versorgungsengpass ist. Doch auch hier wird man das Gefühl nicht los, dass das Problem lieber abgetan wird, als eine Lösung in Angriff zu nehmen. Vielleicht wären zu viele handfeste wirtschaftliche Interessen tangiert. Aus pharmazeutischer und medizinischer Sicht jedenfalls wäre es absolut geboten, dass Arzt und Apotheker aus möglichst vielen verschiedenen Arzneimitteln auswählen können – und damit sind unterschiedliche Wirkstoffe genauso gemeint wie verschiedene Darreichungsformen, Wirkstärken usw. Doch solche Aspekte der Versorgungsqualität spielen in der öffentlichen Diskussion immer noch eine viel zu kleine Rolle. Es dominiert – schon wieder – das Geld, hier in Form drohender Ausgabensteigerungen, die steigende Versicherungsbeiträge zur Folge hätten.

Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen endlich eine ehrliche Diskussion darüber führen, was uns unsere Gesundheits- und damit auch Arzneimittelversorgung wert ist. Dabei sollten wir uns klar darüber sein, dass das mehr Geld kosten wird als heute – ­dieses Geld aber gut angelegt wäre.


Dr. Benjamin Wessinger

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1 Kommentar

Prophetie

von Bernd Jas am 01.06.2016 um 16:17 Uhr

Lieber Herr Dr. Wessinger,

ich möchte ja nicht Unken, ABER...jetzt übertragen Sie mal diesen Ihren Satz,
" Immer wieder zeigt sich auch, dass Produktionsprobleme bei einem Lohnhersteller zu Lieferengpässen bei vielen unterschiedlichen Unternehmen führen können, die alle bei diesem einen Produzenten herstellen lassen."
...auf die Zytostatika-Ausschreibungen. Da sind wenige Apotheken die darauf Spezialisiert sind (es sind in den letzten Jahren schon deutlich weniger geworden) welche jetzt unter enormen Druck geraten. Ich sehe da eine Versorgungskatastrophe auf die Onkologie zu rollen.

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