Arzneimittel und Therapie

Wie wirkt sich eine Raucherentwöhnung auf die Psyche aus?

Vareniclin erhöht nicht das Risiko für neuropsychiatrische Störungen

In der größten bisher durchgeführten Studie zur medikamentösen Raucherentwöhnung wurden Vareniclin, Bupropion und Nicotin-Pflaster direkt miteinander sowie mit Placebo verglichen. Diese Studie war als Phase-IV-Studie von Zulassungsbehörden gefordert worden, um das Risiko für die Psyche betreffende, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse zu untersuchen. Eingeschlossen wurden auch aufhörwillige Raucher mit psychiatrischen Erkrankungen.
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Nutzen überwiegt Risiken Auch bei Vareniclin überwiegt der Nutzen eines Rauchstopps die möglichen Risiken wie kardiovaskuläre Ereignisse.

Zur Unterstützung der Raucherentwöhnung stehen neben den nicht-verschreibungspflichtigen Nicotin-Ersatzpräparaten die verschreibungspflichtigen Wirkstoffe Vareniclin (Champix®) und Bupropion (Zyban®) zur Verfügung. Bei Vareniclin und Bupropion wird in der Packungsbeilage davor gewarnt, dass sich während der Einnahme eine Depression entwickeln kann und dass diese Wirkstoffe möglicherweise die Bereitschaft zur Selbsttötung steigern. Menschen mit einer psychiatrischen Erkrankung, bei denen die Rauchprävalenz doppelt bis dreimal so hoch ist wie in der Allgemeinbevölkerung, gelten als besonders gefährdet, bei einer Behandlung mit diesen Arzneimitteln schwerwiegende, psychiatrische unerwünschte Ereignisse zu entwickeln. Wegen dieser Sicherheitsbedenken wurden die Hersteller der Arzneimittel von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA aufgefordert, in einer Postmarketing-Studie das Risiko für neuro­psychiatrische Störwirkungen zu untersuchen. Die Ergebnisse der EAGLES-­Studie (Evaluating Adverse Events in a Global Smoking Cessation Study) zur Rauchstoppmedikation, die auch als europäische Phase-IV-Sicherheitsstudie gilt, liegen nun vor.

Insgesamt wurden 8144 aufhörwillige Raucher doppelblind – wofür eine Dreifach-Dummy-Technik notwendig war – randomisiert einer der folgenden vier Behandlungsgruppen zugeteilt:

  • Vareniclin 1 mg pro Tag,
  • Bupropion retard 150 mg zweimal pro Tag,
  • Nicotin-Pflaster 21 mg pro Tag oder
  • Placebo.

Zusätzlich erhielten die Studienteilnehmer Beratungsgespräche zur Raucherentwöhnung. Eine Kohorte bestand aus aufhörwilligen Rauchern mit einer stabilen psychiatrischen Erkrankung (n = 4116) – überwiegend mit einer unipolaren oder bipolaren Depression oder einer Angststörung. Ausgeschlossen wurden allerdings Personen mit bestehenden Suchterkrankungen wie Alkoholabhängigkeit. Drei Monate wurde behandelt, gefolgt von einer dreimonatigen Nachbeobachtung.

Keine signifikant erhöhte Zahl an schweren Nebenwirkungen

Die Psyche betreffende unerwünschte Ereignisse, die zuvor festgelegte Kriterien für moderat oder schwerwiegend erfüllten, waren in der Studienkohorte mit psychiatrischer Vorgeschichte häufiger als in der nicht vorbelasteten Kohorte (5,8% versus 2,1%), aber zwischen den vier Behandlungsgruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. In der nicht-psychiatrischen Kohorte war die Ereignisrate unter der Behandlung mit Vareniclin sogar numerisch niedriger als unter Placebo, in der psychiatrischen Kohorte allerdings numerisch erhöht (siehe Tabelle 1).

Tab. 1: Moderate bis schwere psychiatrische Störwirkungen (primärer Endpunkt)
nicht-psychiatrische Kohorte
Medikation
psychiatrische
Symptome
Vareniclin
(n = 990)
13 (1,3%)
Bupropion
(n = 989)
22 (2,2%)
Nicotin-Pflaster
(n = 1006)
25 (2,5%)
Placebo
(n = 999)
24 (2,4%)
psychiatrische Kohorte
Medikation
psychiatrische Symptome
Vareniclin
(n = 1026)
67 (6,5%)
Bupropion
(n = 1017)
68 (6,7%)
Nicotin-Pflaster
(n = 1016)
53 (5,2%)
Placebo
(n = 1015)
50 (4,9%)

Was die Abstinenzraten betrifft, schnitt Vareniclin wie in vorangegangenen Studien eindeutig am besten ab. Mit Vareniclin waren nach sechs Monaten in der nicht-psychiatrischen Kohorte etwa 25 von 100 rauchabstinent, mit Bupropion rund 19, mit Nicotin-Pflaster etwa 18 und mit Placebo rund zehn. In der psychiatrischen Kohorte waren die Abstinenzraten etwas geringer, wobei sich bei den einzelnen Rauchstopphilfen aber ein ähnliches Muster zeigte: Rund 18 Probanden von 100 schafften es mit Vareniclin, rund 14 mit Bupropion, 13 mit Nicotin-Pflaster und rund acht mit Placebo.

Fazit

Medikamentöse Rauchstopphilfen erhöhen nach den Ergebnissen dieser Studie nicht das Risiko für psychische, den Alltag beeinträchtigende Störwirkungen. Unabhängig von der verwendeten Rauchstopphilfe treten aber in den ersten sechs rauchfreien Monaten bei rund zwei von 100 abstinenten Rauchern ohne psychische Vorerkrankung und bei rund sechs von 100 mit psychischer Vorerkrankung schwere bis moderate Auswirkungen auf die Psyche auf. Alle aufhörwilligen Raucher sollten deshalb darauf hingewiesen werden, während der ersten rauchfreien Zeit auf psychische Veränderungen zu achten und Anzeichen beispielsweise einer depressiven Verstimmung dem Arzt mitzuteilen. |

Quelle

Anthenelli RM, Benowitz NL, West R, St Aubin L, McRae T, Lawrence D, Ascher J, Russ C, Krishen A, Evins AE. Neuropsychiatric safety and efficacy of varenicline, bupropion, and nicotine patch in smokers with and without psychiatric disorders (EAGLES): a double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial. Lancet 22. April 2016, doi: 10.1016/S0140-6736(16)30272-0

Zawertailo L. Safety of smoking cessation drugs for mentally ill patients. Lancet 22. April 2016, doi: 10.1016/S0140-6736(16)30294-X

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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