Nachruf: Zum Tod von Prof. Dr. Dres. h. c. Adolf Nahrstedt

Adolf Nahrstedt
Adolf Nahrstedt, geboren am 9. August 1940 in Northeim (Harz), war von 1986 bis 2004 als Universitätsprofessor an der WWU Münster tätig. Nach dem Abitur (1960) und Vorexamen (1962) studierte er von 1962 bis 1965 Pharmazie an der Universität Freiburg und anschließend von 1966 bis 1967 an derselben Universität Lebensmittelchemie. Anschließend führte ihn sein Weg in die Apotheke Titisee (Schwarzwald), die Approbation erfolgte im November 1966. Von 1968 an arbeitete Adolf Nahrstedt an seiner Promotion im Fach Pharmakognosie im Arbeitskreis von Prof. Dr. R. Pohl am Pharmakognostischen Institut der Universität Freiburg, die er 1971 mit magna cum laude erfolgreich abschloss. Anschließend war er von 1971 bis 1977 als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Freiburg tätig. Die Habilitation erfolgte im Juni 1976 im Fach Pharmazeutische Biologie. Durch die Erteilung der venia legendi durch den Senat der Universität Freiburg am 19. September 1976 erhielt er den Status des Privatdozenten. 1976 erfolgte eine Berufung auf eine C3-Professur für Pharmazeutische Biologie an die Technische Universität Braunschweig, die er bis 1986 innehatte. In den Jahren 1984 bis 1986 fungierte er als geschäftsführender Leiter des Instituts für Pharmazeutische Biologie der TU Braunschweig.
Im Januar 1986 erfolgte die Berufung auf eine C4-Professur an die Universität Münster, wo Prof. Nahrstedt bis September 2004 als Geschäftsführender Direktor die Geschicke des Institutes für Pharmazeutische Biologie leitete, welchem er mit Billigung des Fachbereiches Chemie und Pharmazie der WWU Münster in dieser Zeit auch die erweiterte Bezeichnung Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie gab. Diese Namenserweiterung ist programmatisch für das Wirken von Adolf Nahrstedt in dieser Zeit, da er bewusst pharmazeutisch-biologische Forschung von Arzneipflanzen und Naturstoffen auf Basis der chemischen Eigenschaften der Wirkstoffe betrieb. Ihm war immer wichtig, dass der Pharmazeut und/oder Lebensmittelchemiker die chemischen Aspekte des Wirkstoffes oder komplexer Extrakte berücksichtigt und nicht nur Wirkungen oder Wirkmechanismen, losgelöst von den spezifischen Strukturen bearbeitet und diskutiert.
In dieser Zeit widmete sich Adolf Nahrstedt vielfältigen Fragestellungen zur Biochemie und Physiologie pflanzlicher Sekundärmetabolite, insbesondere von Cyanglykosiden. Im Fokus standen Fragestellungen zur chemischen Ökologie mit dem Hintergrund der Wechselwirkungen von pflanzlichen Naturstoffen und Insekten, später phytochemische und funktionelle Untersuchungen an traditionellen Arzneipflanzen. Hierbei sind insbesondere Arbeiten zur Phytochemie von Johanniskrautextrakten sowie die komplexen Interaktionen der Procyanidine und Flavonoide als Koeffektoren zur verbesserten Solubilisierung der Hypericine zu nennen. Aus diesen Untersuchungen resultierten mehr als 250 Originalpublikationen, die bis heute hohe Zitationshäufigkeiten und einen hohen Impact aufweisen. Über 40 erfolgreich verteidigte Dissertationen zeugen von der unermüdlichen Schaffenskraft und Ausbildungstätigkeit von Adolf Nahrstedt. Adolf Nahrstedt begleitete einige Nachwuchswissenschaftler zur Habilitation und damit auf dem weiteren Karriereweg. In der akademischen Selbstverwaltung betätigte er sich während seiner Amtszeit unermüdlich als Mitglied diverser Gremien und Kommissionen auf Fachbereichs- und Universitätsebene, unter anderem auch von 1988 bis 1990 als Dekan des Fachbereiches Chemie der Universität Münster, den er während dieser Amtsperiode in den Fachbereich „Chemie und Pharmazie“ umbenennen konnte, was auch nach außen durchaus eine Stärkung der pharmazeutischen Lehreinheit bedeutete.
Prof. Nahrstedt engagierte sich über die Jahre hinweg stark in Fachgesellschaften. So diente er über neun Jahre als Vorstandsmitglied innerhalb der Gesellschaft für Phytotherapie und von 1981 bis 2005 im erweiterten Vorstand der Society of Medicinal Plant and Natural Product Research – Gesellschaft für Arzneipflanzen und Naturstoffforschung (GA). Für die GA übernahm er im Zeitraum von 1993 bis 2004 die Schriftleitung der wissenschaftlichen Zeitschrift „Planta Medica“ als Editor in Chief, die er durch unermüdliche Arbeit zu einem der weltweit führenden Journale im Bereich der Pharmakognosie und Naturstoffwissenschaft führte. Adolf Nahrstedt arbeitete von 1987 bis 2008 aktiv in der Expertengruppe „Pharmazeutische Biologie“ der Deutschen Arzneibuchkommission mit und war von 2002 bis 2004 Vizemitglied der Kommission E beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Adolf Nahrstedt trat zum 30. September 2004 in den wohlverdienten Ruhestand. Sein wissenschaftliches Wirken wurde in den darauf folgenden Jahren vielfach gewürdigt und ausgezeichnet. Dies schlug sich u. a. in einem Ehrendoktortitel der Ovidius Universität Constanza, Rumänien, und der University of Mahasarakham, Mahasarakham in Thailand, der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft für Arzneipflanzen- und Naturstoffforschung, einer Gastprofessur in der Sinai University in Ägypten, einem Adjunct Faculty Membership an der University of Florida at Gainesville in den USA und dem Varro E. Tyler Award der American Society of Pharmacognosy nieder.
Prof. Adolf Nahrstedt war bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen und Kooperationspartnern weltweit beliebt und hoch angesehen. Insbesondere seine analytische, ruhige, besonnene und immer wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise war bemerkenswert. Adolf Nahrstedt scheute dabei den sachlichen wissenschaftlichen Disput zu keiner Zeit.
Nach seinem Eintritt in den Ruhestand besuchte er noch oft das Institut, wo er bei ehemaligen Mitarbeitern und auch bei der „neuen Professorengeneration“ (Prof. Andreas Hensel als Nachfolger von Adolf Nahrstedt seit 2004, Prof. Thomas J. Schmidt seit April 2005) immer ein gern gesehener und gehörter Gast war. Zusammen mit unzähligen Studierenden aus seiner aktiven Zeit, vielen ehemaligen und aktiven Kolleginnen und Kollegen an der Westfälischen Wilhelms-Universität sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie werden wir Adolf Nahrstedt stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Die Wissenschaft verliert mit Adolf Nahrstedt eine Kapazität, die Pharmazeutische Biologie einen wichtigen Wegbereiter auf dem Weg zu rationalen Phytotherapeutika, die Pharmazie einen engagierten und erfolgreichen Lehrer für Aus- und Weiterbildung.
Zusammen mit unzähligen Studierenden aus seiner aktiven Zeit, vielen ehemaligen und aktiven Kolleginnen und Kollegen an der Westfälischen Wilhelms-Universität sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie werden wir Adolf Nahrstedt stets ein ehrendes Andenken bewahren und wünschen den Angehörigen und nahen Freunden viel Kraft.
Münster, den 11. Januar 2016
Prof. Dr. Andreas Hensel
Prof. Dr. Thomas J. Schmidt
Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Institutes für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie