Arzneimittel und Therapie

Gegen Diskriminierung bei Betablockern

Therapeutisches Potenzial auch bei Älteren und Frauen ausschöpfen

Bei älteren Patienten und Frauen mit Herzinsuffizienz werden Betablocker häufig nur zögerlich oder in suboptimaler Dosis eingesetzt. Befürchtet werden Unverträglichkeiten. Die Wirksamkeit ist bei diesen in Studien unterrepräsentierten Subgruppen nicht ausreichend untersucht. Eine Patientendaten-Metaanalyse belegte nun, dass alle Altersstufen unabhängig vom Geschlecht von einer leitliniengerechten Behandlung mit Betablockern bei Herzinsuffizienz profitieren.
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Nebenwirkungen überschätzt! Auch Frauen und ältere Patienten mit Herzinsuffizienz können von Betablockern profitieren.

Betablocker können bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion und bestehendem Sinusrhythmus die Sterberate sowie die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen nachweislich verringern. Deshalb gehört die Gabe von Betablockern seit Langem zur etablierten leitliniengerechten Standardtherapie bei Herzinsuffizienz. Zugelassen für diese Indikation sind die Wirkstoffe Carvedilol, Bisoprolol, Metoprolol und Nebivolol. Besonders wichtig ist eine exakte Dosierung, um die Gefahr einer akuten Dekompensation gering zu halten. Die Behandlung muss mit niedrigen Dosierungen begonnen und darf nur sehr langsam gesteigert werden.

Theorie nicht gleich Praxis

In der Versorgungsrealität erhalten ältere Patienten und Frauen aus Vorsichtsgründen oft nicht die empfohlene Dosis oder werden gar nicht mit Betablockern therapiert. Die Unsicherheit hinsichtlich der Verträglichkeit, aber auch der Wirksamkeit von Betablockern bei älteren, multimorbiden Patienten und bei Frauen mit Herzinsuffizienz ist begründet, denn diese waren in den durchgeführten klinischen Studien unterrepräsentiert. Während in der Praxis der „typische“ Herzinsuffizienz-Patient 75 Jahre alt ist und in der Hälfte der Fälle weiblich, lag das mittlere Alter der Patienten in den Studien bei 64 Jahren, und nur 24% waren Frauen.

Subgruppen genauer betrachten

Solche Erkenntnislücken hinsichtlich bestimmter Subgruppen können idealerweise durch eine individuelle Patientendaten-Metaanalyse geschlossen werden. Dies war das erklärte Ziel einer internationalen Forschungsgruppe, bestehend aus den Hauptautoren der elf wichtigsten Einzelstudien. Mit Unterstützung der vier Herstellerfirmen wurde das Rohmaterial gesichtet und metaanalytisch ausgewertet.

In die Analyse gingen die Daten von 13.833 Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion und bestehendem Sinusrhythmus ein. Davon waren 3283 Frauen, und mehr als 4000 waren zwischen 70 und 80 Jahre alt. Die Therapie mit einem Betablocker verringerte die Sterblichkeit in allen Altersgruppen im Vergleich zu Placebo signifikant. Bei der jüngsten Subgruppe (medianes Alter 50 Jahre) betrug das Sterberisiko (Hazard Ratio) 0,66 und bei der ältesten Subgruppe (medianes Alter 75 Jahre) 0,77. Das Geschlecht hatte keinen Einfluss.

Echte Unverträglichkeit selten

Ein weiteres wichtiges Ergebnis betrifft die Verträglichkeit: Die Abbruchraten aufgrund unerwünschter Wirkungen waren in den Betablocker-Gruppen sogar etwas niedriger als in den Placebo-Gruppen (14,4% vs. 15,6%) und sowohl in den unterschiedlichen Altersgruppen als auch bei Männern und Frauen ähnlich. Dies spricht dafür, dass in der Praxis oft eine Unverträglichkeit von Betablockern vermutet wird, obwohl tatsächlich häufig wohl gar kein kausaler Zusammenhang besteht. |

Quelle

Kotecha D et al. Beta-Blockers in Heart Failure Collaborative Group. Effect of age and sex on efficacy and tolerability of β blockers in patients with heart failure with reduced ejection fraction: individual patient data meta-analysis. BMJ 2016;353:i1855, online 20. April

Hoes AW. β blockers for heart failure. BMJ 2016;353:i2074, online 20. April

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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