Heimversorgung

Medikamentenmanagement oder Medikationsmanagement?

Was bringt die Neuverblisterung für die Arzneimitteltherapiesicherheit in Alten- und Pflegeheimen?

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Von Susannne Erzkamp und Olaf Rose | In den letzten Jahren hat die patientenindividuelle Neuverblisterung in Deutschland deutlich zugenommen, valide Zahlen über die Verbreitung dieser pharmazeutischen Dienstleistung fehlen jedoch. Um die Vor- und Nachteile wird intensiv und nicht immer sachlich diskutiert. Schwerpunkt dieser Betrachtung soll daher die Auswirkung der Verblisterung auf die Arzneimitteltherapiesicherheit sein, mit dem Ziel, die patientenorientierten Parameter zu verbessern. Im Folgenden soll der aktuelle wissenschaftliche Stand beleuchtet werden. Was ist in diesem Zusammenhang bereits erforscht worden und welche Erkenntnisse kann man daraus ableiten?

Definitionen

Im Bereich des Verblisterns geraten gelegentlich die Begrifflichkeiten durcheinander, daher zunächst eine Abgrenzung von Medikations- und Medikamentenmanagement. Gemäß dem Grundsatzpapier der ABDA baut das Medikationsmanagement auf einer strukturierten Analyse der Gesamtmedikation auf und umfasst zusätzlich die kontinuierliche Betreuung des Patienten durch ein interdisziplinäres Team. Arzneimittelbezogene Probleme sollen erkannt, gelöst oder vermieden werden.

Der Begriff Medikamentenmanagement wird hingegen häufig in Pflegekreisen genutzt, eine offizielle Definition fehlt. Der Prozess umfasst die Bestellung, die Lagerung, das Stellen, das Verabreichen und die Dokumentation von Arzneimitteln sowie die Beobachtung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen. In diesem Zusammenhang hat sich die 6R-Regel etabliert (richtiger Patient, richtiges Medikament, richtige Dosierung, richtiger Zeitpunkt, richtige Applikationsform, richtige Dokumentation). Auffällig ist, dass das Medikamentenmanagement von Pharmazeuten als Tätigkeit kaum oder gar nicht reklamiert wird, obwohl zahlreiche Apotheker einen Großteil ihrer Tätigkeit mit Inhalten des Medikamentenmanagements verbringen.

Grundlagen und aktueller Stand

Das klassische Medikamentenmanagement in der Heimversorgung ist der Pflege überlassen, die Apotheke liefert lediglich die Packungen. Bestellung, Lagerung, Stellen und Vergabe der Arzneimittel wird von Pflegekräften übernommen. Einzelne Aspekte können allerdings vertraglich vereinbart an die heimversorgende Apotheke abgegeben werden. Vermutlich gibt es kaum eine heimversorgende Apotheke, die nicht in irgendeiner Form in die Rezeptbestellung eingebunden ist. Das Stellen durch pharmazeutisches Personal in wiederverwendbaren Dosetten ist eine weitere Tätigkeit von Apotheken, manuelles oder maschinelles Verblistern in der Apotheke selbst oder durch ein von ihr beauftragtes Blisterzentrum eine andere. Egal ob Blisterkarte, Schlauchblister oder Becherblister, der Neuverblisterung ist die patientenindividuelle Beschriftung und die fehlende Wiederverwendbarkeit gemein. Allerdings sollte beachtet werden, dass unterschiedliche Anforderungen an die verschiedenen Systeme gestellt werden, von der schlichten Forderung eines separaten Raums und patientenindividueller Lagerung bis zur Reinraumklassifikation mit Produktschleusen. Auch die Kontrolle der Blister kann auf diverse Arten erfolgen. Das bekannte Vier-Augen-Prinzip ist beim Stellen und manuellen Verblistern noch anwendbar, bei maschineller Fertigung sollen foto-optische Kontrollen die Produktsicherheit erhöhen. Diese Technik hält mittlerweile auch Einzug in die manuelle Verblisterung. Auch bezüglich der Entnahme, einer gegebenenfalls notwendigen Umfüllung und der Anzahl der abbildbaren Einnahmezeitpunkte sowie der Flexibilität bei Medikationsänderungen gibt es Differenzen zwischen den Systemen. Eine herstellerunabhängige Untersuchung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme ist nicht bekannt. Der Umfang einer Auslagerung des Medikamentenstellens ist begrenzt. Derzeit können in der Regel nur feste orale Darreichungsformen verblistert werden. Auch hier sind Einschränkungen zu beachten. So sollten Brausetabletten, Schmelztabletten, Betäubungsmittel, geteilte feste Arzneiformen und licht- und feuchtigkeitsempfindliche Medikamente nicht vorab gestellt oder verblistert werden. Bedarfs- und Akutmedikation sowie flüssige und halbfeste Arzneiformen sind ebenso wenig geeignet. Der Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) geht von einem regelmäßig realisierten verblisterbaren Anteil von 80% aller Arzneimittel aus. In einem Berliner Pilotprojekt wurde ein Anteil von verblisterten Arzneimitteln von 58% beobachtet. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) geht von einem Anteil nichtverblisterbarer Arzneimittel von 30 - 60% aus. In jedem Fall bleibt die Organisation eines Teils der Medikation trotz Verblisterung der Pflege überlassen.

Stellfehler

Ein Ziel der Verblisterung ist die Reduktion von Stellfehlern und somit eine Reduktion von arzneimittelbezogenen Problemen in diesem Bereich. Eine Untersuchung in drei Pflegeheimen kam 2007 unter Berücksichtigung der festen, oralen Dauermedikation zu einer Fehlwurfrate von 1,3% bezogen auf alle überprüften Arzneimittel, beziehungsweise auf 7,3 % bezogen auf die überprüften Tagesdosetten. Die Medikation wurde durch pharmazeutisches Personal manuell gestellt. Mit einem Anteil von 49,1% stellte das inkorrekte Tablettenteilen die häufigste Fehlerart dar. Eine anschließende Bewertung der Fehler nach Schweregrad ergab, dass 56,6% der Fehlwürfe als leicht, 43,3% als mittel und 0,2% als schwer eingestuft wurden. 2010 untersuchten Amtsapotheker im Rahmen eines sozialpharmazeutischen Projektes die Qualität des Stellens durch Pflegekräfte in 63 Heimen. Die Teilnahme war freiwillig. Insgesamt wurden 330 Medikationen überprüft, 57-mal (17,3%) sei falsch gestellt worden, entsprechend war ein Fehler pro 63 gestellten Arzneimitteln (1,59%) beobachtet worden. Ein fehlendes Arzneimittel stellte mit einer Häufigkeit von 16 Mal (28%) den am häufigsten vorkommenden Fehler dar, gefolgt von „fehlerhafter Zeitpunkt der Einnahme“ und „inkorrekte Tablettenteilung“, welche je 11-mal (19%) beobachtet wurden. Bemerkenswert ist ebenfalls die inhomogene Verteilung der Fehler auf die einzelnen Heime. Wie bereits in einer Untersuchung von 2002 traten bei ca. 50% der Heime gar keine Fehler auf. Auch im Rahmen des Projekts „Arzneimitteltherapie in Alten- und Pflegeheimen“ (2009 – 2010) wurden Fehler im Dispensierprozess erfasst. Die Fehlwurfrate pro Altenheim betrug im Durchschnitt 2,49%, zeigte aber eine ungleichmäßige Verteilung auf die Heime und somit eine Spanne von 0,35-6,88%. In einem Vortrag von Hanke, auf einer Fachtagung für Sozialpharmazie wurde allerdings herausgestellt, dass keiner der Stellfehler zu einem Krankenhausaufenthalt geführt habe. Der BPAV gibt an, dass die Fehlerquote durch patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung auf 1:1.000.000 verringert werden kann, gegenüber der händischen Gabe mit einer Fehlerquote von 1:100. Ein Projekt der AOK Bayern zur Verblisterung konnte keine Verbesserung des MDK-Kriteriums „Übereinstimmung zwischen Dokumentation und gestellten Arzneimitteln“ feststellen, die Anforderung war sowohl mit als auch ohne Verblisterung in 95% der Fälle erfüllt. Eine leichte Verbesserung konnte nur beim Kriterium „Bewohnerbezogene Beschriftung und Aufbewahrung“ erzielt werden, 94% zu 97%. Unabhängig davon, dass die klinische Relevanz von Stellfehlern aufgrund der derzeitigen Studienlage nicht ausreichend beurteilt werden kann und dass die Ursachen der Fehler ebenfalls nicht in vollem Umfang bekannt sind, bleibt die objektive Beobachtung, dass die inkorrekte Tablettenteilung ein bedeutsames Problem in diesem Zusammenhang darstellt. Verblisterung kann dazu führen, dass weniger zu teilende Tabletten verordnet werden. Gegenüber einem durchschnittlichen Anteil von 24,1% konnte der Anteil bei Patienten, die durch PAV versorgt wurden, auf 9,3% reduziert werden. Eine Untersuchung des Gesundheitsamts Hamm 2012 ergab, dass für 57,7% der geteilten Tabletten eine passende Stärke zur Verfügung steht. Eine Umstellung wäre also durchaus möglich. Da geteilte Tabletten nicht verblistert werden dürfen, könnte das Fehlerpotenzial in diesem Bereich bereits reduziert werden. Eine gänzliche Vermeidung scheint aber unwahrscheinlich, sodass auch weiterhin einige Tabletten geteilt werden müssen (z. B. ist Spironolacton 12,5 mg nicht erhältlich). Dies geschieht üblicherweise durch das Pflegepersonal, im besten Fall zeitnah vor der Vergabe. Es entzieht sich somit dem Umfang der Verblisterung und ist ein weiterhin unvermeidbares Risiko.

Zeitersparnis für das Pflegepersonal

Dass die Versorgungsqualität durch Verblistern erhöht werden kann und mehr Zeit für die Pflege der Patienten verbleibt, verspricht der Blisterverband. So wurde in einer Untersuchung von Huebner et al. die Zeit für die Arzneimittelversorgung durch Pflegekräfte in Interviews erfasst. Im Projektzeitraum von 2005 bis 2007 waren 14 stationäre Pflegeeinrichtungen beteiligt. Der Vorher-nachher-Vergleich ergab eine Senkung des durchschnittlichen Aufwands für die Arzneimittelversorgung um ca. 1 h/Patient/Monat. Dies entspricht ca. 36,6 h Zeitersparnis/Wohnbereich/Monat. Eine schriftliche Befragung im Jahr 2010 von 40 Pflegeheimen bzw. 204 auswertbaren Fragebögen im Auftrag des BPVA durch das IfH Köln ergab eine Zeitersparnis von 15 Minuten/Bewohner/Woche. Ausgegangen wird von der maximal möglichen Auslagerung der Arzneimittelversorgung von fester oraler Dauermedikation, sodass von angenommenen 14 Arbeitsschritten nur noch fünf im Heim verbleiben. Lediglich drei Minuten/Bewohner/Woche müssten weiterhin von Pflegekräften erbracht werden. Die gewonnene Zeit könnte in andere Tätigkeiten fließen oder den Personalkostenaufwand um 160 Millionen Euro/Jahr in Deutschland reduzieren, angenommen werden dabei 700.000 Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen.

Der DBfK bezweifelte 2011 die Zuverlässigkeit dieser Berechnung in der Praxis. So sei der erhebliche Zeitaufwand von nicht-verblisterungsfähigen Medikamenten nicht berücksichtigt und der Datenaustausch zwischen Heim und Apotheke, sowie das Fehlermanagement und kurzfristige Medikationsänderungen seien nicht zu unterschätzen. Auch wird die Versorgungsphase „Verabreichung der Arzneimittel“, inklusive Vorbereitung und Gabe an den Patienten mit 0 Minuten bzw. gar nicht kalkuliert. Dass für diese Tätigkeiten kein Zeitbudget notwendig wäre, erscheint unwahrscheinlich.

Im Rahmen eines Projektes der AOK Bayern wurde gemäß Aussagen des Pflegepersonals eine Zeitersparnis von 5 Minuten/Woche/Bewohner geschätzt. Inwieweit diese zu einer spürbaren Entlastung führte und für andere Tätigkeiten genutzt werden konnte, bleibt unklar. Eine monetäre Bewertung ergab, dass 3,30 Euro pro Woche je Bewohner eingespart werden könnten. Ob eine potenzielle Zeitersparnis tatsächlich der Pflege von Patienten zugutekommt und das Pflegepersonal spürbar entlastet wird, ist nicht bekannt, jedenfalls nicht ausreichend untersucht.

Einstellung der Pflege

Da das Medikamentenmanagement ein klassischer Aufgabenbereich der Pflege ist und selbst bei größtmöglicher Auslagerung von Teilprozessen die Vergabe und die Beobachtung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Verantwortung der Pflege verbleibt, sollte auch diese Perspektive beachtet werden. Eine Umfrage unter Pflegekräften im Krankenhaus ergab, dass neun von zehn Pflegekräften das Zusammenstellen von Medikamenten als wesentliche berufliche Tätigkeit betrachten. Nur 2,8% der Pflegekräfte möchten, dass dieses Tätigkeitsfeld nicht von ihnen belegt wird. In einer Untersuchung des LIGA.NRW (Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, heute LZG.NRW) zeigte sich eine deutliche Ablehnung der befragten Pflegekräfte gegenüber dem Stellen durch die Apotheke (65,4%) bzw. dem Verblistern (62,1%). Zu beachten ist hierbei allerdings, dass im gleichen Zeitraum eine andere Untersuchung des LIGA.NRW befand, dass nur 13 bzw. 3 von 82 Apotheken das Stellen bzw. Ver­blistern als Leistung anboten, sodass davon ausgegangen werden kann, dass ein Großteil der Pflegekräfte der oben genannten Umfrage noch nicht in den direkten Kontakt mit dieser Leistung kam. Nichtsdestotrotz sollten die Bedenken der Pflege ernst genommen werden. Sie fürchtet, dass der Überblick verloren geht, die Kontrollfunktion erschwert wird, aber auch bzgl. des Verblisterns keine Verbesserung erzielt wird und erkennt sogar eine zusätzliche zeitliche Belastung. Hingegen ergab die Befragung einer Stichprobe von 82 Pflegekräften und Ärzten im Rahmen eines Berliner Pilotprojekts eine deutlich positive Einstellung zur Verblisterung. Der Großteil der Pflegekräfte bestätigte einen sinkenden Zeitaufwand und eine Entlastung der Pflege sowie die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer patientenindividuellen Verblisterung für chronische Kranke. Im Projekt der AOK Bayern wurden ebenfalls Pflegekräfte befragt, sie gaben eine Verbesserung der Abgabegenauigkeit und der Hygiene durch die patientenindividuelle Verblisterung an. Weitere Fragen sind nicht bekannt. Auch der DBfK beruft sich auf Schilderungen von Pflegekräften, die die Verblisterung als überaus entlastend empfanden. Gemäß Erfahrungsberichten sei auch die Gefahr eines Kompetenzverlusts nicht wahrscheinlich, eher unterstütze die intensivere Zusammenarbeit mit Apotheken und die detaillierten Beschriftungen der Blister das Pflegepersonal in seiner Fachkompetenz. Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen liegen aber nicht vor. Eine geplante Umfrage zum Thema „Die Sicht der Pflegefachkraft auf das patientenindividuelle Ver­blistern von Medikamenten“ konnte wegen mangelnder Beteiligung nicht ausgewertet werden. Die Umfragen-Erstellerin gab an, dass Zeitmangel bereits die Ursache für die geringe Teilnahme war. In Schweden ist die Versorgung von Patienten mit patientenindividuellen Schlauchblistern bereits seit 1980 verbreitet. 2012 fand eine Befragung von Ärzten und Pflegekräften statt, die eine generell positive Einstellung der Professionen zur Verblisterung zeigte. Ein unterstützender Effekt bei der Einnahme bzw. Vergabe zum richtigen Zeitpunkt, eine Erleichterung beim Überblick über die verordnete Medikation und eine höhere Sicherheit der Blistertüten gegenüber Dosetten wurde von einem Großteil der Pflegekräfte bestätigt. Ebenfalls wurde der Aussage zugestimmt, dass mehr Patienten dieses Angebot zur Verfügung gestellt werden sollte. Auch Verbesserungswünsche wurden geäußert. Genannt wurden, dass weitergehende Informationen auf den Tütchen vermerkt werden sollten (z. B. Angaben zur Mörserbarkeit), dass Änderungen der Tabletten (z. B. Name, Farbe) besser übermittelt werden sollten und dass mehr Schulungen des Hilfspflegepersonals erfolgen müssten, ebenso wie mehr Medikationsanalysen.

Auswirkungen auf patientenrelevante Parameter

Die Studienlage in Deutschland zu diesem Thema ist begrenzt, wissenschaftliche und aktuelle Publikationen sind kaum vorhanden. Die AOK Nordost führte in Kooperation mit der 7x4 Pharma GmbH (Kohl Medical AG), einem industriellen Verblisterer, 2009/2010 ein 18-monatiges Modellprojekt zur Versorgung von Heimbewohnern durch. Im Rahmen dieses Projektes wurden ca. 550 Patienten in 21 Pflegeeinrichtungen von 14 Apotheken durch die Wochenblisterkarten der 7x4 Pharma GmbH versorgt. Beeindruckende Ergebnisse wurden in der Reduktion der Krankenhausaufenthalte erzielt. Sowohl Anzahl als auch Dauer von Krankenhausaufenthalten konnten um rund 26% gesenkt werden. Ob dies tatsächlich durch die Nutzung der industriell gefertigten, patientenindividuellen Blister oder durch andere Faktoren, z. B. die intensivere Auseinandersetzung mit der Medikation durch Pharmazeuten verursacht wurde, ist allerdings nicht bekannt. Eine differenzierte Betrachtung der Einweisungsgründe erfolgte ebenfalls nicht. Ein weiteres Pilotprojekt zum Thema patientenindividuelle Verblisterung in Pflegeheimen wurde 2009 von der AOK Bayern durchgeführt und von Neubauer et al. wissenschaftlich begleitet. 581 Bewohner aus 19 Heimen wurden durch zehn Apotheken mit Arzneimittelblistern versorgt, sowohl manuell, maschinell als auch ­industriell gefertigte Schlauch- und Kartenblister ­kamen zum Einsatz. Insgesamt wird ein sehr positives Fazit bzgl. der Erhöhung der Versorgungsqualität und der Verbesserung der Versorgungswirtschaftlichkeit gezogen. So konnte in der Querschnittsanalyse und unter Ausschluss von Todesfällen eine deutliche Senkung der stationären Behandlungskosten, eine Verminderung des Arzneimittelverwurfs und der Arzneimittelausgaben beobachtet werden. Dem gegenüber stehen erhöhte Ausgaben bei der ambulanten ärztlichen Versorgung und der Vergütung der Apotheken für die Verblisterung. Auch in diesem Projekt wurden etwaige pharmazeutische Interventionen nicht erfasst, aber angenommen. Die Erhöhung der ambulant-ärztlichen Versorgung kann eventuell auf eine intensivere Therapieüberwachung hindeuten, wird aber nicht näher analysiert. Sowohl Neubauer, als auch die AOK Bayern sehen die Auswertung als eindeutig an, wünschen aber weitere Analysen. Die Umsetzung einer damals angedachten Ausweitung des Projekts auf das AOK-Pflegenetz ist nicht bekannt. Ein Projekt der AOK Plus (Sachsen) und des industriellen Blister-Anbieters 7x4 Pharma im ambulanten Bereich musste zunächst wegen geringer Teilnehmerzahlen verlegt und der Bereich erweitert werden. Letztendlich wurden aber keine Ergebnisse veröffentlicht. Ergebnisse von weiteren Modellprojekten, z. B. mit dem MediFalter (AvidiaMed), einem Single-Unit-Dose-Kartenblisterhersteller und verschiedenen Krankenkassen, wurden ebenfalls nicht veröffentlicht. Zwischenzeitlich haben sowohl 7x4 Pharma (2011), als auch der MediFalter (2013) den Betrieb eingestellt, beide Unternehmen geben mangelhafte Rahmenbedingungen als Grund an. So bleiben lediglich die beiden AOK-Projekte zur patientenindividuellen Neuverblisterung, die für Deutschland einen positiven Effekt im Bereich der Heimversorgung zeigen. Eine Differenzierung der Ursachen der Effekte ist nicht bekannt, so bleibt unklar, ob und wie weit pharmazeutische Interventionen aufgrund einer besseren Information der Apotheke über Medikationsdaten erfolgt sind und ob z. B. das Pflegepersonal durch etwaigen Zeitgewinn und bessere Kennzeichnung der Blister einen Einfluss auf den patientenrelevanten Zusatznutzen hatte. Dass durch intensive pharmazeutische Betreuung und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Professionen ein Nutzen für die Arzneimitteltherapiesicherheit geschaffen werden kann, zeigen Projekte, die Medikationsmanagement untersuchten. So fand 2009 – 2011 im Auftrag des LIGA.NRW und der Westfälischen Wilhelms-Universität ein Projekt zur pharmazeutischen Betreuung von Heimbewohnern statt. Nach einer sechsmonatigen Erfassung des Ist-Zustands erfolgte eine 18-monatige Interventionsphase, in der durch eine umfassende Medikationsanalyse durch zwei Apothekerinnen arzneimittelbezogene Probleme detektiert wurden. Relevanz und Lösungen wurden in Kooperation mit dem Pflegepersonal und den Ärzten erörtert und gegebenenfalls umgesetzt. So konnten 43% der arzneimittelbezogenen Probleme (ABP) behoben werden, 19% blieben ungelöst und 38% wurden als nicht relevant eingestuft. Des Weiteren konnte die Dauermedikation reduziert werden und die Pflegebedürftigkeit verschlechterte sich nicht, obwohl die Teilnehmer um 18 Monate gealtert waren. Das Projekt „Arzneimitteltherapiesicherheit in Alten- und Pflegeheimen“ war ebenfalls interdisziplinär angelegt. Neben Medikationsanalysen durch Apotheker wurden Therapiebeobachtungsbögen für das Pflegepersonal, AMTS-Merkkarten und AMTS-Teams, bestehend aus Apothekern und Pflegefachkräften, sowie Schulungen für alle Professionen implementiert. 65% der unerwünschten Arzneimittel Ereignisse (UAE) wurden als vermeid- oder verminderbar eingeschätzt. Eine Reduktion der ABP konnte aufgrund des Studiendesigns nicht eindeutig belegt werden. Allerdings konnte die Umsetzbarkeit der Ansätze nachgewiesen und die Zufriedenheit der Beteiligten gesteigert werden. In dem Folgeprojekt „AMTS-Ampel“ soll die Wirksamkeit der Interventionen geprüft werden. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Blick ins Krankenhaus

Obwohl bereits vor mehr als 20 Jahren in einzelnen Einrichtungen eingeführt, ist die Versorgung durch patientenindividuelle Blister in Krankenhäusern, hier Unit-Dose-Versorgung genannt, gering verbreitet. Nur 26 der ca. 400 Krankenhausapotheken beliefern ihre Patienten mit Unit-Dose-Arzneimitteln (Stand 2014). Gemäß Leitlinie der ADKA stellt Unit-Dose-Versorgung eine strukturierte, automatisierte und kontrollierte Veränderung des ursprünglichen Verteilungs- und Verabreichungsprozesses von Arzneimitteln im Krankenhaus dar. Grundsätzlich ist das Kernstück der Unit-Dose-Versorgung die automatisierte, patientenindividuelle Verpackung aller Arzneiformen in Kombination mit der direkten Belieferung der Stationen durch die Klinikapotheke. Sie ist als Teil eines Gesamtkonzeptes aus elektronischer Verschreibung mit Dosier- und Interaktionsprüfung, automatisierter patientenbezogener Kommissionierung von Einzeldosen und IT-/Barcode-gestützter Verabreichungsdokumentation zu verstehen. Klinische Pharmazeuten können optional die Verordnungs- und Verabreichungsprozesse unterstützen. Anhand dieser Definition wird deutlich, dass eine isolierte Betrachtung der Unit-Dose-Versorgung im Vergleich zum händischen Stellen auf Stationen schwerfällt. Weitere Faktoren sind zu beachten, versucht man den Nutzen der Unit-Dose-Versorgung zu erfassen. Nähere Informationen zu dieser Thematik im nebenstehenden Interview.

Blick ins EU-Ausland

Vor allem in den skandinavischen Ländern ist die patientenindividuelle Verblisterung bereits seit Jahren eine etablierte Dienstleistung. Auch wenn die Übertragbarkeit von Studienergebnissen nicht vollumfänglich erfolgen kann, so kann ein Blick über die eigenen Grenzen doch neue Aspekte aufzeigen. Eine Übersichtsarbeit von Sinnemäki et al. aus 2013 erfasst sieben Studien aus Schweden, Norwegen und den Niederlanden. Es wurde eine Verringerung von Medikationsänderungen beobachtet, zudem eine höhere Prävalenz, eine inadäquate Medikation zu erhalten, eine geringere Abweichung zwischen der Aufzeichnung des Hausarztes und der häuslichen Pflege und eine geringere Gefahr von Ver­abreichungsfehlern. Insgesamt sehen die Autoren die Notwendigkeit weiterer Studien bzgl. des Einflusses der patientenindividuellen Verblisterung auf die An­gemessenheit und Sicherheit der Arzneimittelthe­rapie.

Fazit und offene Fragen

Anhand der vorliegenden Studien kann eine abschließende Bewertung der patientenindividuellen Verblisterung nicht erfolgen. Abgesehen von vermutlich großen qualitativen Unterschieden, abhängig von dem gewählten Blisterverfahren, ist nicht klar ersichtlich, welchen Einfluss die Verblisterung auf die Qualität der Arzneimitteltherapie hat. Eine Verbesserung des Medikamentenmanagements, einschließlich der Reduktion von Stellfehlern ist wahrscheinlich. Ob die Beobachtung von unerwünschten Nebenwirkungen als verbleibender Teilprozess, der uneingeschränkt durch Pflegekräfte übernommen werden muss, verbessert oder gar durch eine Entfremdung vom Medikationsprozess verschlechtert wird, ist ebenfalls nicht untersucht. Ein inkludiertes Medikationsmanagement ist in deutschen Studien nicht erfolgt. Ob durch das Vorliegen eines aktuellen Medikationsplans die Möglichkeit einer Typ-1-Medikationsanalyse tatsächlich häufiger und intensiver genutzt wird, als bei Führung einer gut gepflegten Kundendatei, und welchen Effekt dies auf patientenorientierte Parameter hat, ist ungeklärt. Daher sollten weitere Untersuchungen unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen erfolgen, um festzustellen, ob und wie die patientenindustrielle Verblisterung eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit zur Folge hat. |

Autoren

Apothekerin Susanne Erzkamp, AMTS-Managerin






Apotheker Olaf Rose, PharmD, Elefanten-Apotheke, Steinfurt




E-Mail: autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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