Arzneimittel und Therapie

Symbioflor® 2 unter der Lupe

Warum das Probiotikum in den Fokus der Überwachungsbehörden geraten ist

Wie viele probiotische Arzneimittel hat auch das Escherichia-coli-Präparat Symbioflor® 2 ein recht breites Anwendungsgebiet. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zweifelt daran, dass hierfür im Einzelnen genügend klinische Belege vorhanden sind und hat auf EU-Ebene ein Review-Verfahren initiiert, um der ­Sache auf den Grund zu gehen.

Symbioflor® 2 enthält ein Bakterienkonzentrat mit Escherichia coli (Zellen und Autolysat). Als Anwendungsgebiete werden die Regulierung der körpereigenen Abwehrkräfte, gastrointestinale Störungen und das Colon irritabile (Reizdarmsyndrom) angeführt. De facto geht es im Wesentlichen um die Behandlung funktioneller Magen-Darm-Störungen. Laut Fachinformation soll Symbioflor® 2 das Gleichgewicht der Darmflora stabilisieren und dadurch die Abwehrlage verbessern. Die Suspension kann bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen und auch bei Säuglingen eingesetzt werden. Die Anwendungsdauer richtet sich nach der vorliegenden Erkrankung und kann bis zu sechs Monate betragen.

Keine Nachzulassung erteilt

Symbioflor® 2 gehört zu dem Markt der sogenannten „Altarzneimittel“, das heißt, es war schon vor Inkrafttreten des zweiten Arzneimittelgesetzes im Jahr 1978 im Verkehr und musste ­deshalb den Nachzulassungsprozess durchlaufen. Nach den Angaben im ­öffentlichen Teil des Arzneimittelin­formationssystems (AMIS) wurde die Nachzulassung allerdings bislang nicht erteilt. Das Arzneimittel ist verkehrsfähig, muss aber noch abschließend bearbeitet werden.

In Nachbarländern zugelassen

Außer in Deutschland besitzt der Inverkehrbringer Symbiopharm GmbH, Herborn, auch Verkehrsgenehmigungen in Österreich und in Ungarn. In Österreich wurde die Zulassung im November 2000 erteilt, in Ungarn im August 2003. Beide Zulassungen wurden fünf Jahre danach ordnungsgemäß verlängert.

Gibt es klinische Belege?

Laut Fachinformation soll eine klinische Untersuchung mit Symbioflor® 2 mit ca. 300 Patienten mit Colon irritabile einen sehr guten oder guten Behandlungserfolg gezeigt haben, und zwar bei 63,3% der Patienten gegenüber 39,4% unter Placebo (p < 0,01) [1].

Auch eine Anwendungsbeobachtung mit etwa 200 Kindern im Alter von vier bis 18 Jahren mit Reizdarmsyndrom ist in der wissenschaftlichen ­Literatur zu finden. Sie wurden im Schnitt 43 Tage lang mit Symbioflor® 2 behandelt. Die Schlüsselsymptome (abdominale Schmerzen, Stuhlfrequenz) sowie andere Symptome (Aufblähungen, Schleim und Blut im Stuhl oder Stuhldrang) sollen sich unter der Behandlung deutlich gebessert haben. Das Präparat wurde von den Kindern gut vertragen [2].

Warum ein europäischer Review?

Das BfArM hat nun jedoch Bedenken geäußert, dass die Wirksamkeit von Symbioflor® 2 bei funktionellen Magen-Darm-Störungen insgesamt nicht ausreichend belegt ist. Durch eine ­unwirksame Behandlung liefen die ­Patienten Gefahr, dauerhaft unter den chronischen Beschwerden ihrer Erkrankung zu leiden, wodurch ihre ­Lebensqualität eingeschränkt werde, so die Befürchtung.

Da das Arzneimittel in mehreren Mitgliedstaaten der EU zugelassen ist, kann das BfArM hier im Alleingang keine Entscheidung, etwa über das Aussetzen, den Widerruf oder auch eine Änderung der Genehmigung fällen. Eine solche Entscheidung kann nur auf EU-Ebene getroffen werden, und zwar über das sogenannte Artikel-31-Verfahren, das „in besonderen Fällen von Unionsinteresse“ einen „Review“ der Angelegenheit vorsieht. Ein solches Verfahren wurde jetzt initiiert [3]. Es wird vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) durchgeführt.

Indikation sehr weit gefasst

Im Rahmen der Anhörung wird der Zulassungsinhaber Symbiopharm dazu aufgefordert, sämtliche Nachweise für die therapeutische Wirksamkeit von Symbioflor® 2 in den einzelnen gegenwärtig zugelassenen Indikationen in der EU einzureichen und zu diskutieren. Die Angabe „funktionelle Magen-Darm-Krankheiten“ sei sehr weit gefasst, wird betont. Diese seien sehr heterogen und umfassten funktionelle Störungen von Ösophagus, Magen, Darm, Galle, Pankreas sowie funktionelle anorektale Störungen, die mit einer großen Bandbreite verschiedener zugrunde liegender Pathophysiologien und symptomatischer Entitäten verbunden sind. Zu jeder dieser Krankheiten werden nun gesonderte Nachweise gefordert. Außerdem soll ein aktuelles, differenziertes Update zur Nebenwirkungserfassung sowie sonstigen Begleit- und etwaigen Risikofaktoren für die Therapie vorgelegt werden, und zwar für jede Teilindikation. Spezielle Sicherheitsbedenken werden nicht geltend gemacht.

Wie geht es weiter?

Das Anhörungsschreiben (list of questions) wurde Symbiopharm am 1. April 2016 zugestellt. Nun hat das Unternehmen bis zum 12. Mai 2016 Zeit, die Fragen zu beantworten. Bis zum 8. Juni 2016 soll die verfahrensführende Behörde ihren ersten Bewertungsbericht erstellen, der ­danach innerhalb einer Frist im Arzneimittelausschuss (CHMP) abgestimmt wird. Die abschließende Bewertung des CHMP soll laut Plan ebenfalls noch im Juni kommen. Sie wird dann an die Europäische Kommission weitergeleitet, die auf dieser Basis eine verbindliche Entscheidung fällt. Diese muss dann in allen Ländern, in denen das Arzneimittel derzeit verkehrsfähig ist, umgesetzt werden. Wie das ausgehen könnte, ist derzeit völlig unklar.

Was ist mit Symbioflor® 1?

Ein weiteres Präparat von Symbiopharm, Symbioflor® 1 mit einer Bakterienkultur von Enterococcus-faecalis-Bakterien wird zur Verminderung der Rezidivrate bei wiederkehrenden Infektionen der Atemwege, besonders bei Entzündungen der Nebenhöhlen (Sinusitis) und der Bronchien (Bronchitis) eingesetzt. Die Fachinformation erwähnt Placebo-kontrollierte Untersuchungen über sechs Monate mit entsprechenden Patienten, die durch die Einnahme von dreimal täglich Symbioflor® 1 eine Abnahme der Rezidiv­rate um mindestens 50% gezeigt ­haben. Symbioflor® 1 hat die Hürde der Nachzulassung erfolgreich genommen (Zulassung von Dezember 2005). Das Präparat ist von dem Verfahren weder unmittelbar noch mittelbar betroffen. Es deutet auch nichts darauf hin, dass mit dem ­Review noch andere probiotische Arzneimittel auf den Prüfstand kommen sollen. |

Quelle

[1] Enck P et al. Randomized controlled treatment trial of irritable bowel syndrome with a probiotic E.-coli preparation (DSM17252) compared to placebo. Z Gastroenterol 2009;47(2):209-214

[2] Martens U et al. Probiotic treatment of irritable bowel syndrome in children. Ger Med Sci 2010;8:Doc07

[3] European medicines Agency. Review of Symbioflor 2 started. 1 April 2016 (EMA/233358/2016 )

Apothekerin Dr. Helga Blasius

1 Kommentar

Wirksamkeit

von Wolfgang am 21.07.2019 um 19:12 Uhr

Ich hatte jedes Jahr immer im Winter 1 - 2 mal heftigste Erkältungen mit extremen Halsschmerzen.
Seit einer Kur mit Symbioflor 1 sind diese nun seit mehr als 20 Jahren weg und nie wiedergekehrt.

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