Arzneimittel und Therapie

Studienergebnisse ändern nichts am derzeitigen Vorgehen bei unkomplizierten Abszessen

Ein Kommentar von Prof. Dr. med. Johannes Hübner, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, München

Prof. Dr. med. Johannes Hübner

Die optimale Behandlung von Hautabszessen ist ein wichtiges Thema, da diese Infektionen häufig auftreten und zu einer ganzen Reihe von Folgekomplikationen führen können. Die umfassende Studie von Talan muss aber für den deutschen Raum vorsichtig interpretiert werden. Aus infektiologischer Sicht ist die chirurgische Intervention mit Inzision und ggf. Spülung der entscheidende Schritt - deshalb bin ich gegen eine frühe Antibiotika-Gabe ohne Öffnung des Abszesses. Die Penetration von Antibiotika in den Abszess ist von untergeordneter Bedeutung und durch diese Studie auch nicht adressiert, da alle Patienten zusätzlich mittels chirurgischer Abszessdrainage behandelt wurden.

Ein Argument für diese Untersuchung war die Häufigkeit von Infektionen mit MRSA-Beteiligung, für die Co-trimoxazol eine wirksame Therapieoption darstellt – einerseits wegen der Resistenz­lage, andererseits wegen der guten oralen Bioverfügbarkeit. In der vorliegenden Studie hatten 45% der Patienten eine Infektion mit MRSA. Diese Zahl liegt deutlich über der in Deutschland zu erwartenden Rate mit ca. 12%, wobei in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang verzeichnet wurde. Die Studienautoren folgerten, dass die Gabe von Co-trimoxazol nur bei hoher MRSA-Prävalenz zu einer höheren Heilungsrate führte. Ein breiterer Einsatz von Antibiotika erhöht die Gefahr einer Resistenzentwicklung. Diese Problematik wurde aktuell und konkret für Co-trimoxazol als Harnwegstherapeutikum bei Kindern gezeigt [1]. Die bisherigen Leitlinien für die Abszessbehandlung gehen davon aus, dass normalerweise die chirurgische Intervention ausreicht und eine zusätzliche Antibiose Patienten mit systemischen Entzündungen oder bestimmten Grunderkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) vorbehalten ist sowie besonders jungen oder alten Patienten und bei größeren Hautläsionen. Viele Patienten in der Studie von Talan erfüllten mindestens ein Kriterium. Aus meiner Sicht ändert diese Studie unser Vorgehen nicht wesentlich: Im Allgemeinen wird die Inzision für ausreichend erachtet und eine Antibiose nur bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren empfohlen. Nach Erregerisolierung und Resistenztestung wären Co-trimoxazol, aber auch Tetracycline (z. B. Doxycyclin) oder Clindamycin sinnvoll. Weniger geeignet scheint ein orales Cephalosporin.

Quelle

[1] Bryce A et al. Global prevalence of antibiotic resistance in paediatric urinary tract infections caused by Escherichia coli and association with routine use of antibiotics in primary care: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;352:i939

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