Arzneimittel und Therapie

Stellenwert der Antibiose bei Hautabszessen neu überdenken

Ein Kommentar von Prof. Dr. med. Dietrich Abeck, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, München

Prof. Dr. med. Dietrich Abeck

Abszesse gehören zum Praxisalltag des niedergelassenen Allgemein- oder Facharztes (Chirurgen, Dermatologen). Während die Diagnose in der Regel klinisch einfach zu stellen ist, wird das therapeutische Vorgehen unterschiedlich bewertet. Dies betrifft vor allem den Stellenwert der oralen Antibiotika-Gabe, insbesondere dann, wenn eine Inzision erfolgte.

Die vorliegende Studie untersuchte den Effekt einer siebentägigen oralen Gabe von Trimethoprim und Sulfamethoxazol im Vergleich zu Placebo. Für den klinisch tätigen Arzt relevant ist die signifikante Verbesserung der Heilungsrate nach Beendigung der Antibiose: Einer Heilungsrate von 80,5% bei den antibiotisch behandelten Patienten stand eine Heilungsrate von lediglich 73,6% in der Placebo-Gruppe gegenüber. Weitere Verbesserungen unter Co-trimoxazol betrafen die Reduktion der Hospitalisierung und der Inzisionshäufigkeit sowie der kutanen Entzündungsparameter Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit. Auch das Risiko für Infektionen an anderen Körperstellen war niedriger.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind gut dokumentiert, unter klinischen Gesichtspunkten nachvollziehbar und haben das Potenzial, unsere Ansicht zur Gabe von Antibiotika bei inzidierten Abszessen neu zu überdenken. Das Argument, Antibiotika erreichen auch bei hoch dosierter intravenöser Gabe nur schwerlich und in ungenügender Konzentration die Bakterien im Abszessinneren [1], muss revidiert werden.

Erfreulicherweise kam bei dieser nicht durch ein Pharmaunternehmen gesponserten klinischen Studie ein altbekanntes, sehr preiswertes Antibiotikum zum Einsatz, das das für Abszesse charakteristische grampositive Erregerspektrum exzellent abdeckt, einschließlich MRSA. Der MRSA-Anteil betrug in dieser Studie über 40%. Die Ergebnisse der Untersuchung werden durch eine weitere Studie, die Patienten im Alter von drei Monaten bis 17 Jahre einschloss, bestätigt [2]. Es ergeben sich auch neue Fragen: Ist es möglich, die Inzision von Abszessen in einem frühen Stadium durch eine orale Antibiotika-Gabe zu verhindern? Gibt es Alternativen zur gewählten Wirkstoffkombination, beispielsweise in Form von Minocyclin?

Quelle

[1] Schöfer H. Abszesse und Phlegmone. In: Plettenberg A, Meigel W, Schöfer H (Hrsg): Infektionskrankheiten der Haut. Thieme, Stuttgart, New York 2004

[2] Holmes L et al. Trimetho­prim-sulfamethoxazole therapy reduces failures and recurrence in methicilin-resistant Staphylococcus aureus skin abscesses after surgical drainage. J Pediatr 2016;169:128-134

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