Arzneimittel und Therapie

Statine können Nieren nicht schützen

Von perioperativer Gabe bei Herzoperationen wird abgeraten

Eine US-amerikanische Studie ging der Frage nach, ob bei kardialen Eingriffen durch die perioperative Gabe eines Statins die Häufigkeit eines akuten Nierenversagens verringert werden kann. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus; die Statin-Gabe erhöhte bei Statin-naiven Patienten im Gegenteil das Risiko.

Nach Herzoperationen entwickeln bis zu 30% der Patienten ein akutes Nierenversagen, das mit einer hohen Mortalitätsrate einhergeht. Auf der Suche nach nephroprotektiven Optionen stieß man auf Statine, genauer gesagt auf deren pleiotrope antiinflammatorische Effekte, von denen man sich eine Verringerung nephrologischer Komplikationen erhoffte. Da die bislang vorliegenden Beobachtungsstudien zum perioperativen Off-label-Use von Statinen in der Herzchirurgie zu unterschiedlichen Ergebnissen führten, wurde am University Medical Center in Vanderbilt eine große randomisierte, kontrollierte Studie durchgeführt. Sie basiert auf der Hypothese, dass eine hoch dosierte perioperative Statin-Gabe bei kardialen Operationen das Risiko für ein Nierenversagen reduziert. Die erhoffte protektive Wirkung des Statins soll auf antiinflammatorischen Mechanismen und einer Verbesserung endothelialer Funktionen beruhen.

An der doppelblinden, Placebo-kon­trollierten, randomisierten Studie nahmen 615 Patienten teil, die sich einer Herzoperation unterzogen. Bei einigen der Probanden lag zusätzlich eine chronische Nierenerkrankung vor. Ein Teil der Probanden nahm bereits ein Statin ein, der andere Teil war Statin-naiv. Patienten, die bislang kein Statin eingenommen hatten, erhielten perioperativ Atorvastatin (80 mg am Tag vor der Operation, 40 mg am Morgen der Operation und 40 mg am Tag nach der Operation) oder ein Placebo. Patienten, die bereits vor der Operation unter einer Statin-Therapie standen, nahmen dieses bis auf die perioperativen Tage (an diesen Tagen erhielten sie 80 mg Atorvastatin am Morgen der Operation und 40 mg Atorvastatin am darauffolgenden Tag) weiterhin ein, oder sie erhielten perioperativ ein Placebo. Der primäre Studienendpunkt war das Auftreten eines akuten Nierenversagens, definiert als Anstieg des Serumkreatinins um 0,3 mg/dl oder mehr innerhalb von zwei Tagen nach dem Eingriff.

Studie vorzeitig abgebrochen

Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da sich für Statin-naive Patienten und hier insbesondere bei Vorliegen einer bereits bestehenden Nierenerkrankung negative Ergebnisse abzeichneten. Zur Auswertung kamen die Daten von 615 Studienteilnehmern. Für Statin-naive Patienten erhöhte sich das Risiko für ein akutes Nierenversagen unter der perioperativen Statin-Gabe. Dies traf insbesondere für Patienten mit vorgeschädigter Niere zu, also gerade für diejenigen, die besonders auf eine Nephroprotektion angewiesen sind. Für sie war das Risiko um das über Dreifache erhöht. Patienten, die bereits Statine eingenommen hatten, profitierten geringfügig von der perioperativen Statin-Gabe (siehe Tabelle).

Tab.: Perioperative Statin-Gabe und Risiko für akutes Nierenversagen
Atorvastatin (% mit akutem Nierenversagen)
Placebo
(% mit akutem Nierenversagen)
relatives Risiko (95%-Konfidenzintervall
p-Wert
alle Patienten
20,8
19,5
1,06 (0,78 – 1,46)
0,75
  • Statin-naiv
21,6
13,4
1,61 (0,86 – 3,01)
0,15
  • Statin-Anwender
20,4
22,4
0,91 (0,63 – 1,32)
0,63
alle Patienten mit chronischer Nierenerkrankung
35,7
32,6
1,09 (0,73 – 1,65)
0,76
  • Statin-naiv
52,9
15,8
3,35 (1,12 – 10,05)
0,03
  • Statin-Anwender
31,3
36,8
0,85 (0,54 – 1,35)
0,59

Klinische Konsequenzen

Die Studienautoren sehen bei mit Statinen vorbehandelten Patienten keinen Grund, diese während der Operation abzusetzen; hingegen sollten Statin-naive Patienten perioperativ keine Statine erhalten. Auch der Verfasser eines dazugehörigen Editorials rät von einer perioperativen Statin-Gabe bei diesem Patientenkollektiv gänzlich ab, da die erhoffte Nephroprotektion nicht bestätigt werden konnte.

Diese Studie reiht sich in eine „Negativserie“ weiterer Studien ein, bei denen Statine nicht die erhoffte antiinflammatorische Wirkung zeigten. So wurden Statine auch erfolglos bei Sepsis und ARDS (acute respiratory distress syndrome) eingesetzt. |

Quelle

Billings F et al. High-dose perioperative atorvastatin and acute kidney injury following cardiac surgery. JAMA 2016;315(9):877-888

Bellomo R. Perioperative statins in cardiac surgery and acute kidney injury. JAMA 2016;315(9):873-874


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr


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