DAZ aktuell

Patientenorientierung und Evidenz, Versorgungsforschung und Politik

Prof. Dr. Gerd Glaeske, Apotheker und Gesundheitsökonom an der Universität Bremen

Foto: DAZ/diz

Prof. Dr. Gerd Glaeske

Vier programmatische Stichworte sollten meines Erachtens in die Diskussionen des Jahres 2016 aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker einfließen:

  • Patientenorientierung sollte das Ziel unseres Gesundheitssystems sein, eines Systems, um das wir weltweit wegen seines solidarischen Charakters und seiner sozialen Ausrichtung beneidet werden, trotz mancher Schwächen und eines immer wieder erkennbaren Optimierungsbedarfs: Dieses System ist nicht für die Arztpraxen und Apotheken gemacht worden, nicht für die Krankenhäuser und für die Pharmaindustrie, nicht für die Sanitätshäuser und Heilmittelinstitute, es ist für die Patientinnen und Patienten gemacht und muss sich daher auch daran messen lassen, was letztlich bei denen ankommt. Ziehen wir doch einmal das 5. Sozialgesetzbuch zu Rate: In den §§ 2, 12 und 70 wird verlangt, dass alle Leistungen dem allgemein anerkannten Kenntnisstand in der Medizin entsprechen, den therapeutischen Fortschritt berücksichtigen, wirtschaftlich erbracht werden und Aspekte der Humanität berücksichtigen. Dies ist in vielen Bereichen noch nicht optimal erreicht worden, auch nicht in der Arzneimittelversorgung: Vermeidbare Abhängigkeiten und Antibiotikaresistenzen, Thrombosen und Embolien und viele andere unerwünschte Ereignisse wie Blutungen oder Todesfälle zeigen, dass die Qualität der Versorgung in gemeinsamer Anstrengung aller Experten im System verbessert werden muss.
  • Was kann helfen? Die Orientierung an der bestverfügbaren aktuellen Evidenz gepaart mit der reflektierten Erfahrung in der Patientenbehandlung sind wichtige Voraussetzungen, um dort, wo Über-, Unter- und Fehlversorgung vermutet wird, alle Möglichkeiten zu nutzen, um auf der Basis von Fort- und Weiterbildung eine Optimierung der Qualität in der Patientenbehandlung zu erreichen.
  • Die Versorgungsforschung kann ­dabei helfen, Zusammenhänge und Gründe für Defizite, aber auch Voraussetzungen für beispielhafte Best-Practice-Modelle aufzudecken und Vorschläge für neue Konzepte zu entwickeln. Wir haben nach wie vor Mängel in der Evaluationskultur in unserem Gesundheitssystem, Transparenz ist kein beliebtes Ziel. Das muss sich ändern – ohne Evaluation und Transparenz gibt es keine begründbaren Ansätze für notwendige Veränderungen.
  • Und letztlich Politik: Wir müssen die politisch Verantwortlichen stärker drängen und auf systemische Probleme hinweisen, wir müssen sie mit Konzepten für die Zukunft überzeugen, nicht mit Klagen über die Gegenwart, wir müssen unseren Anteil und unsere Verantwortung für die Patientenorientierung unter Beweis stellen … und dazu gehören keine Werbezettel über Sonderangebote für Paracetamol-Tabletten.

Wir brauchen ein Programm aus diesen vier Zielen – dann kommen wir 2016 ein gutes Stück voran! |

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