Wirtschaft

Kommentar: Unseriös können wir auch

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen

Der GKV-Spitzenverband hat in seiner Stellungnahme zur Anhörung im Gesundheitsausschuss zum GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) ausgerechnet, dass die Erhöhung der BtM-Gebühr von 0,26 Euro auf 2,91 Euro eine Steigerung von 1119 Prozent bedeute.

Betrachtet man die gesetzliche Zuzahlung auf Arzneimittel, so wurden früher (bis Ende 1967) pro Rezept 0,50 DM fällig. Heute sind es pro Arzneimittel (korrekt: Rx-FAM) zwischen 5,- und 10,- Euro bzw., in DM umgerechnet, zwischen 9,78 DM und 19,56 DM. Unter der Annahme, dass auf dem Rezeptblatt nur ein Arzneimittel verordnet wurde, entspricht das einer Steigerung (Entlastung der GKV!) von mindestens 1956 Prozent; bei drei auf ­einem ­Rezept verordneten, teuren ­Arzneimitteln macht das sogar 11.735 Prozent aus! Was sind dagegen schon 1119 Prozent?

Weiter führt der GKV-Spitzenverband in seiner Stellung­nahme aus, dass nach seiner Rechnung die Erhöhung der BtM-Gebühr die Kassen 35 Mio. Euro koste.

Sehen wir uns auch diese Zahlen etwas genauer an.

Nach Angaben von Insight Health wurden im Jahre 2015 gut 10,37 Mio. BtM zulasten der GKV und weitere knapp 0,98 Mio. BtM auf Privatrezept, zusammen also 11,35 Mio. BtM verordnet. Für 2016 liegen erst (schon!) die Daten für die ersten zehn Monate vor. Zulasten der GKV wurden danach knapp drei Prozent, auf Privatrezept etwas über drei Prozent, zusammen exakt 3,01 Prozent mehr an BtM abgegeben als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Unterstellt man an dieser Stelle – seriöserweise – weiter, dass sich diese Ent­wicklung in den letzten beiden Monaten des Jahres fortsetzt, so würden bis Ende des Jahres 10,68 Mio. BtM zulasten der GKV und 1,01 Mio. BtM auf Privatrezept verordnet, zusammen also 11,69 Mio.

Bei einem neuen BtM-Zuschlag von 2,91 Euro je BtM fielen damit für GKV und PKV zusammen 34,02 Mio. Euro an Gebühren an; bei einem unveränderten BtM-Zuschlag von 0,26 Euro je Betäubungsmittel beliefe sich die Summe auf 2,94 Mio. Euro. GKV und PKV entstünden aufgrund der geplanten – und seit Jahrzehnten überfäl­ligen und keineswegs kosten­deckenden – Erhöhung der BtM-Gebühr also Mehrausgaben von zusammen 31,08 Mio. Euro, davon 28,40 Mio. Euro zulasten der GKV. Eine Fehleinschätzung des GKV-Spitzenverbandes, bezogen auf die GKV, von rund 7 Mio. Euro bzw. von fast 20 Prozent.

Allein die Strafzahlung der AOK Rheinland / Hamburg wegen verbotenen Upcodings bewegt sich mit 7 Mio. Euro* in etwa gleicher Höhe wie diese Fehlschätzung des GKV-Spitzenverbandes.

Übrigens: Sollte die Erhöhung der BtM-Gebühr in vorgeschlagener Höhe von 2,91 Euro kommen, lägen die Mehreinnahmen der Apotheken zwar bei 31 Mio. Euro, der zusätzliche Rohertrag aber nur bei 26 Mio. Euro, denn auch der Staat wäre – über die Mehrwertsteuer – mit Mehreinnahmen von 5 Mio. Euro an dieser Veränderung beteiligt.

Angesichts der Tatsache, dass die Kassen an vielen Stellen die unbefriedigende Datenlage der ABDA beklagen, sollten sie prüfen, ob nicht gerade für sie das Sprichwort zutrifft: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Essen, langjähriger Geschäfts­führer des Apothekerverbandes Nordrhein e. V.


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