Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: 2016 – Schlimmer geht immer

Ein Rückblick aus ökonomischer Sicht

Andreas Kaapke

2016 war mit Sicherheit nicht das beste Jahr für die Apotheken – auch nicht, wenn man nur die letzte Dekade heranzieht. Fing es noch vergleichsweise moderat an, kam es vor allem hintenraus relativ dicke! Das EuGH-Urteil hat ein Erdbeben ausgelöst und – in dieser Schärfe eher eine Rarität – dazu geführt, dass sich die Standesvertretung wahrnehmbar auf die Hinterbeine stellte und, so das eigene Empfinden, bis zum heutigen Tag aus allen Rohren schießt. Warum aber hat man damit abgewartet bis entschieden war, warum erst danach einen vermeintlichen Plan B gezimmert, der womöglich nicht die Substanz dazu hat?

Man weiß noch nicht, ob man sagen soll, dass das Urteil wenigstens zur richtigen Zeit kam, da der deutsche Bundestagswahlkampf noch nicht wirklich begonnen hat und der amtierende Gesundheitsminister - als Mann des Pragmatismus bekannt - die Angelegenheit vielleicht noch gebogen bekommt. Aber die Widerstände sind gewaltig. Eine vermeintlich apothekennahe Partei wie die FDP sieht die liberale Wirtschaftsordnung gefährdet, die SPD zeigt sich ebenfalls eher störrisch angesichts von Gröhes Vorhaben, den Rx-Versandhandel zu verbieten. Das Verbot des internetgestützten Versandhandels passt auch nicht recht in die Zeit. Und in der Tat wäre es grotesk, wenn man wegen des EuGH-Urteils, das angeblich zum Ziel hat, Wettbewerb zu fördern, an anderen Stellen Wettbewerbsverzerrungen nicht nur zuließe, sondern begünstigte.

Was zeigen aber das Urteil und die vielschichtigen Reaktionen? Das bestehende System steht zur Diskussion, vielen leuchtet es offensichtlich in seinen Grundstrukturen nicht mehr ein oder zumindest so wenig, dass die Argumentation dafür geschärft, verstetigt und verstärkt werden muss. Einer meiner Kollegen hat in diesem Zusammenhang seine Beobachtungen geschildert, wobei er selbst sich dabei eher als Konsument und nicht als Experte sieht. Er führte aus, dass sein Eindruck sei, dass die Apotheken seit Jahren über ihre Situation jammern, aber nun, da etwas verändert werden soll, den eben noch bejammerten Status quo mit allen Mitteln zu bewahren versuchen, was er nicht verstehe. Wenn dies das Bild in der Öffentlichkeit ist, dann ist PR gefragt, und zwar „aus allen Rohren“. Und noch ist die Messe für die Apotheken nicht gelesen. Auch wenn Gröhe sich nun anschickt, den Versandhandel zu verbieten, so ist dies längst nicht „in trockenen Tüchern“. Und das Ende der Legislaturperiode rückt näher und damit ein Wahlkampf, in dem keine Partei sich einen vermeintlichen Makel ans Bein packt, der ihr auch nur ansatzweise falsch ausgelegt werden könnte. Also ist rasches Handeln gefragt.

Zu Beginn des Jahres wurde seitens des Bundeswirtschaftsministeriums das Gutachten für die Überprüfung der Vergütung der Apotheken vergeben. Auftragnehmer ist eine aus Apothekensicht eher unbekannte Agentur. Ist dies von Vorteil? Aus Sicht des Ministeriums mit Sicherheit, denn diesem Unternehmen kann zunächst unterstellt werden, keine schon bestehenden Interessen bedienen zu müssen. Gleichwohl ist das Vergütungssystem kompliziert und verworren, weshalb es sich in seiner Gänze bislang in dem Markt nur sporadisch Agierenden nicht auf Anhieb erschließt. Mit den Ergebnissen des Gutachtens ist 2017 zu rechnen, allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem Wahlkampf herrscht oder schon Koalitionen geschmiedet werden. Wer auch immer dann Minister ist und welcher Partei er zugehört - ob ein von Minister Gabriel beauftragtes Gutachten noch Beachtung findet, ist alles andere als sicher. Vermutlich sind die Apotheker darüber eher froh als verstimmt, denn das wahrt den allerdings immer wieder beklagten Status quo.

Die beiden angesprochenen Diskussionen sollten die Apothekerschaft ermuntern, von sich aus im Verborgenen Vorschläge und Alternativen zu erarbeiten, wie Vergütung und Versandhandel in Zukunft zu bewerkstelligen bzw. zu regeln sind. Nur wer sich aktiv an den nicht aufzuhaltenden Debatten beteiligt, wird sie beeinflussen können. Und aktive Beteiligung kann nicht bedeuten, dass gebetsmühlenhaft wiederholt wird, was man vom Bestehenden gerne weiter hätte, sondern dass Weiterentwicklungen und auch neue Rollen für Pharmazeuten in unserer Gesellschaft aufgezeigt werden.

Als letzter Punkt, der an dieser Stelle herausgegriffen werden soll, sind die im Berufsstand erfolgten Wahlen zu erwähnen. Die öffentliche Berichterstattung als Reflex auf das Empfinden im Berufsstand irritiert. Sobald für eine Position – sei es im Kammerpräsidium, im DAV oder bei der ABDA – mehrere Bewerber auftreten, wird dies sogleich als Kampfabstimmung etikettiert, gar hochstilisiert. In demokratischen Strukturen ist Wettbewerb um Ämter nicht nur legitim, sondern gewünscht. Niemand ist alternativlos und jeder, der als Alternative zu anderen gewählt wird, darf sich dann zu Recht auch als der berechtigte Sieger fühlen und nicht als der durchgewinkte Einzelbewerber. Es ist richtig und wichtig, dass sich verschiedene Menschen für die Mandate in einem extrem regulierten Markt bewerben. Denn aus dieser Regulierung resultiert die hohe Abhängigkeit der einzelnen Apotheke von den an anderer Stelle verhandelten Ergebnissen. Hier muss um den besten Weg gerungen werden. Es wäre der gesamten Spitze des Berufsstandes zu wünschen gewesen, wenn es zu diesen Wahlen zwischen Alternativen gekommen wäre. Die Legitimation für die Ämter wäre dadurch gestiegen. Gerade deshalb herzlichen Glückwunsch zur Wahl und eine glückliche Hand. |

Andreas Kaapke

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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