Recht

Ein „betrogener“ Tag kann reichen ...

Die Hürden für den sofortigen Rausschmiss sind zwar hoch, doch bei schwerem Vertrauensbruch kann fristlos gekündigt werden

bü | Arbeitsrichter können ein Lied davon singen, wie oft sie schon Arbeitgebern ins Stammbuch schreiben mussten, dass man Mitarbeiter nicht einfach so von heute auf morgen an die frische Luft des Arbeitsmarktes setzen kann. Für eine fristlose Kündigung bestehen strenge Voraussetzungen.

Das Gesetz äußert sich wegen der unzähligen Möglichkeiten, die zum Streit zwischen Chef und Mitarbeitern führen können, natur­gemäß allgemein: mit der Aufzählung von drei „Hürden“. Danach kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen,

  • aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
  • unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile
  • die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr muss jeder Einzelfall gesondert beurteilt werden. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der auslösende Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ schon als „wichtiger Grund“ für eine Kündigung geeignet ist. Danach muss geprüft werden, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung beider Interessen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Az.: 2 AZR 541/09).

Schwerer Vertrauensbruch

Der vorsätzliche Verstoß eines Mitarbeiters gegen seine Verpflichtung, die geleistete, vom Chef nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, stellt an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den entstandenen schweren Vertrauensbruch.

Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er diesen Nachweis den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer die geleistete Arbeitszeit mithilfe des Arbeitsplatzrechners dokumentieren muss und hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit erheblich „seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme“, wie es wiederum das BAG formulierte (Az.: 2 AZR 381/10).

Eine die „Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung“ einer Leiterin eines analytischen Labors, die hoch bezahlt wurde und 38 Kollegen vorstand, lag in einem Fall vor, der vom Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz zu entscheiden war. Die Abteilungsleiterin hatte in der ­Zeiterfassung eine ganztägige „Dienstreise“ aufgeführt, nahm jedoch an einer Sportveranstaltung an der Schule ihrer Tochter teil. Auch das ist laut LAG ein schwerer Vertrauensbruch.

Damit hatte es aber bei der Beurteilung der vom Arbeitgeber ausgesprochenen fristlosen Kündigung zunächst noch nicht sein ­Bewenden. Eine außerordentliche Kündigung komme nämlich nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gebe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, „weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar“ seien. Als mildere Reaktionen seien insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche (fristgerechte) Kündigung anzusehen. Sie könnten Alternativen sein, falls sie „geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen“. (Auch dies führt auf ein Urteil des BAG zurück – Az.: 2 AZR 485/08.)

Der „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“

Die Folgerung des LAG: Einer Abmahnung bedarf es „in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist“. Dies gelte grundsätzlich, wie hier, bei Störungen im Vertrauensbereich. Die fristlose Kündigung wurde vom LAG Rheinland-Pfalz deshalb bestätigt, weil es das Vertrauensverhältnis zu der Abteilungsleiterin, die auch Vorbild für ihre große Mitarbeiterschar sein sollte, zerstört sah. In der Verhandlung wurden noch zahlreiche weitere Ver­gehen behandelt, die der Mitarbeiterin vorgeworfen wurden; sie waren aber für das Urteil nicht entscheidend (Az.: 8 Sa 363/14). |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.