Gesundheitspolitik

Kommentar: Erfolg oder fauler Deal?

Benjamin Wessinger

Die Retax-Einigung hat so viel Lob von allen Seiten bekommen, dass man schon skeptisch werden könnte. DAV und GKV – anfangs so spinnefeind, dass sie gar nicht versucht hatten zu verhandeln, sondern direkt vor die Schiedsstelle zogen – begrüßen den Kompromiss einhellig, alle Parteien sind zufrieden (s. „Retax-Lösung kommt gut an“, S. 1 dieser AZ) – da fängt man an, den Haken zu suchen.

Auch viele Apotheker trauen dem plötzlichen Frieden nicht. So wird die Befürchtung geäußert, dass die vielen Beispiele in dem Paragrafen, eben doch einen „abschließenden Katalog“ bilden und alle „Fehler“, die dort nicht vorkommen, zu Retaxationen führen. Unklar ist momentan auch, welche Korrekturen die Apotheke tatsächlich vor der Abrechnung vornehmen muss, welche Belege sie im Zuge des „Beanstandungsverfahrens“ nachreichen kann – und welche Punkte überhaupt nicht mehr retaxiert werden dürfen.

Der größte Kritikpunkt ist, dass es weiterhin Nullretaxationen geben wird, wenn ein Rabattvertrag missachtet wurde. In Leser-Kommentaren beispielsweise auf DAZ.online ist von „Enteignung“ die Rede, die „staatlich sanktioniert“ sei.

Bei allen Erleichterungen, die die Einigung den Apotheken unzweifelhaft bringen wird – hier lag offenbar die rote Linie, die für die GKV nicht verhandelbar war. Und DAV-Chef Becker hat Recht, wenn er sagt, dass es höchstrichterlich bestätigt ist, dass solche Nullretaxationen rechtmäßig sind. Eine Klage der Krankenkassen gegen ein absolutes Nullretax-Verbot in einem Schiedsspruch wäre wohl erfolgreich gewesen – mit der Gefahr, dass auch alle jetzt erreichten Erleichterungen hinfällig geworden wären.

Dr. Benjamin Wessinger

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