Gesundheitspolitik

Kein Beweis für unzulässige Arzt-Apotheker-Vernetzung

Digitale Rezeptübermittlung: Gericht vermisst ausreichenden Beweis für Verstoß gegen die Berufsordnung

BERLIN (ks) | Die Wettbewerbszentrale muss sich vor dem Oberlandesgericht Naumburg geschlagen geben. Ihre Klage ­gegen einen Arzt, der Patienten eine digitale Rezeptübermittlung an eine mit ihm vernetzte Apotheke angeboten hat, bleibt erfolglos. Auch die Berufungs­instanz ließ sich nicht von ­einem Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung überzeugen. Knackpunkt war die Beweis­situation. (Urteil des Oberlandesgericht Naumburg vom 4. Mai 2016, Az.: 9 U 85/15)

In dem Verfahren ging es um einen Arzt aus Sachsen-Anhalt, der ein von der hnw-Deutschland GmbH betriebenes Portal nutzt. Über dieses ist er unter anderem mit Apotheken der Region vernetzt, soweit diese ihrerseits dem Portal angeschlossen sind. In einem Flyer der hnw-Deutschland GmbH hieß es über der Anschrift des Arztes, als die Apotheke im Ort geschlossen wurde, habe man die Versorgung mit Health Network realisiert. Und weiter: „Zeitgleich mit dem Ausstellen des Rezepts in der Praxis erscheint dieses digital in der zehn Kilometer entfernten Apotheke, die unsere Patienten um­gehend beliefert.“

Kein zwingender Verstoß

Die Wettbewerbszentrale verwies auf die einschlägige Berufsordnung, die es Ärzten untersagt, ­Patienten ohne hinreichenden Grund eine bestimmte Apotheke zu empfehlen oder sie dorthin zu verweisen. Doch schon das Landgericht befand: Ein Arzt der damit wirbt, seinen Patienten die Teilnahme an einem System zur digitalen Rezept-Übermittlung an eine Apotheke anbieten zu können, verstößt nicht zwingend gegen das Zuweisungsverbot des § 31 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. Das bloße Vorhalten und pauschale Bewerben eines solchen Systems stelle sich nicht als wettbewerbswidrig dar.

Flyer-Aussage zu pauschal

Das Gericht hielt der Wettbewerbszentrale zudem vor, dass sie ihren ­Anspruch maßgeblich auf die Aussage im Flyer stütze. Daraus allein sei aber kein Verstoß des Beklagten gegen die berufsrechtliche Norm erkennbar. Diese Aussage sei „viel zu pauschal“, heißt es im Urteil. Es lasse sich hieraus nicht schließen, dass der Arzt generell alle Rezepte an die vernetzten Apotheken weiterleite und die Patienten dorthin verweise.

Oberlandesgericht bestätigt Vorinstanz

Das sieht das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg nun nicht anders. Das Landgericht habe den von der Klägerin behaupteten Verstoß zu Recht als nicht ausreichend dargelegt und bewiesen angesehen. Eine Verantwortung des Arztes für den Flyer der hnw-Deutschland und die darin enthaltenen Aussagen sei nicht zu erkennen. „Der Beklagte hat den Flyer weder formuliert noch verwendet“, heißt es im Urteil. Im Übrigen enthalte der Flyer ohnehin nur pauschale Aussagen, die nicht geeignet seien, konkrete Verstöße zu belegen.

Der Wettbewerbszentrale sei zwar zuzugeben, „dass die Aussagen in dem Flyer einen gewissen Verdacht auf mögliche Verstöße wecken könnten“. Doch dies zwinge den beklagten Arzt nur, die Abläufe in seiner Praxis darzulegen. Das habe er getan: Wenn der Arzt von einem immobilen Patienten nach einer Möglichkeit gefragt werde, wie er an die verschriebenen Medikamente gelangen könne, sei es kein Verstoß gegen die Berufsordnung, wenn dieser zunächst nach der Wunschapotheke fragt und dann auf die Möglichkeit einer Übermittlung des Rezeptes dorthin hinweist. Zu konkreteren Angaben sei der Arzt nicht verpflichtet. Auch die verhältnismäßig hohe Zahl der weitergeleiteten Rezepte (26 bei 76 Patienten) könne zwar einen Verdacht wecken – aber keinen konkreten Verstoß beweisen.

Ein im Berufungsverfahren vorgelegter Entwurf für einen Sponsoring-Vertrag, der den kommerziellen Charakter der Plattform aufzeigen soll, vermochte das OLG ebenfalls nicht umzustimmen. Nach diesem Vertrag investieren Apotheken beachtliche Summen in das System. Dafür erwarteten sie auch eine Nutzung des Portals durch Arztpraxen – und insbesondere die Weiterleitung von Rezepten über diese, so die Wettbewerbszentrale. Doch auch hier vermisste das Gericht den Beweis, das solche Verträge wirklich abgeschlossen wurden. Und selbst wenn dies gelungen wäre, leiteten sich aus diesen wirtschaftlichen Interessen noch keine konkreten Verstöße ab.

Wettbewerbszentrale prüft Nichtzulassungsbeschwerde

Die Wettbewerbszentrale fürchtet nun, dass Netzwerken wie hnw jetzt Tür und Tor geöffnet sind. Sie prüft nun, ob sie Nichtzulassungsbeschwerde einlegen will. Das wäre die einzige Chance, den Fall noch vor den Bundesgerichtshof zu bringen. Denn die Revision hat das OLG nicht zugelassen. |

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