Gesundheitspolitik

Wird die Gesundheitspolitik zum Wahlkampfschlager?

Diskussion um paritätische GKV-Finanzierung / SPD gegen Besserstellung von Privatpatienten

TRAUNSTEIN (cha) | Lange war es relativ ruhig gewesen beim Thema GKV-Finanzierung, denn allzu klar war die Sachlage in der Großen Koalition: Die SPD ist nach wie vor ein Verfechter der Bürgerversicherung, die Union will am dualen System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung festhalten. Angesichts sprudelnder Einnahmequellen in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand kein Handlungsbedarf, dagegen wurden im Hause Gröhe munter kostenträchtige Reformen beschlossen. Doch das Blatt hat sich zwischenzeitlich gewendet. Die sich anbahnenden finanziellen Engpässe haben sich zum Jahresende 2015 zu konkreten Anstiegen bei den Zusatzbeiträgen, die allein von den Versicherten zu bezahlen sind, verdichtet. Besonders schlagzeilenträchtig war der massive Anstieg um 0,6%-Punkte bei Deutschlands drittgrößter Krankenkasse, der DAK. Dies hat dazu geführt, dass die GKV-Finanzierung in den Fokus der Politik gerückt ist – und womöglich zu einem der zentralen Themen im Bundestagswahlkampf 2017 wird.

Da durch die Zusatzbeiträge allein die Arbeitnehmer belastet werden, lag nahe, dass alsbald die Forderung nach einer Einbeziehung der Arbeitgeber erhoben wurde.

Foto: BMAS/Knoll

Während Andrea Nahles (SPD) wieder Parität bei den Krankenkassen-beiträgen sehen will ...

Prompt meldete sich Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) zu Wort und forderte zu Jahres­beginn vor Journalisten: „Ich bin ganz klar für eine volle Parität bei den Krankenkassenbeiträgen.“ ­Allerdings halte sie es „momentan nicht für wahrscheinlich, dass wir dafür Mehrheiten mit dem Koalitionspartner organisieren“. Aber grundsätzlich sei das sehr wohl die richtige Einstellung, „weil wir – wenn wir das über 20 Jahre betrachten – sonst eine sehr einseitige Belastung der Arbeitnehmer haben“.

Auch CDU-Arbeitnehmer­flügel für Parität

Ganz so pessimistisch bezüglich der Mehrheiten in der Großen ­Koalition braucht Nahles nicht zu sein: Immerhin sprach sich der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, gegenüber dem Spiegel ebenfalls dafür aus, die Arbeitgeber „mittelfristig“ wieder zur Hälfte an den gesetzlichen Krankenkassenbeiträgen zu beteiligen: „Eine Arbeitnehmerorganisation wie die CDA tritt selbstverständlich für die paritätische Finanzierung unseres Gesundheitssystems ein.“

Gewohnt klare Worte kamen dagegen aus Bayern. Gegenüber der Passauer Neuen Presse betonte die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag Gerda Hasselfeldt: „Wir haben den Arbeitgeberbeitrag aus guten Gründen eingefroren. Es geht um stabile Lohn­nebenkosten. Sie sichern Jobs in Deutschland. Außerdem stärkt das jetzige Modell die Finanzautonomie der Krankenkassen. Dadurch gibt es mehr Wettbewerb, was die Höhe der Zusatzbeiträge in Grenzen hält. Mit uns wird es hier keine Änderungen geben!“

... sieht Gerda Hasselfeldt (CSU) keinen Grund für Änderungen.

SPD will GOÄ-Reform blockieren

Zwischenzeitlich hat die SPD-Forderung nach einer paritätischen Finanzierung ihren Niederschlag in einem formellen Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion anlässlich einer Klausurtagung Ende letzter Woche gefunden. Zugleich wurde wieder die altbekannte Bürgerversicherung propagiert. Doch dies ist längst nicht alles: Ganz konkret will die SPD-Fraktion die anstehende Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), in der das Honorar für die Behandlung von Privatpatienten geregelt wird, blockieren. Wörtlich heißt es in der Beschlussvorlage: „Eine GOÄ-Novelle, die eine Steigerung des privatärztlichen Honorars zur Folge hat, belastet nicht nur die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen durch erhöhte Beihilfeansprüche ihrer Beamtinnen und Beamten, sondern letztlich alle Steuerzahler. Daher lehnen wir einen Anstieg der ärztlichen Privat­honorare strikt ab!“ Zudem werde durch die Novellierung der GOÄ das System der Zwei-Klassen-Medizin zementiert. Der Bundesgesundheitsminister und die Bundesländer müssten, so die Beschlussvorlage weiter, die GOÄ-­Novelle verhindern.

AMNOG und Morbi-RSA in der Kritik

Daneben gibt es weitere „Baustellen“ bei der GKV: So hatte Ende letzten Jahres TK-Chef Jens Baas die gegenwärtige Ausgestaltung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) kritisiert. Dieser bestrafe Kassen finanziell, wenn sie sich zum Beispiel darum kümmerten, dass sich die Zuckerkrankheit eines Versicherten nicht verschlechtere. Finanziell attraktiv sei es hingegen, möglichst viel Krankheit zu dokumentieren. Denn je mehr Krankheiten eine Kasse bei ihren Versicherten nachweisen könne, umso mehr Geld erhalte sie aus dem Gesundheitsfonds. Statt den Wettbewerb um bestmögliche medizinische Versorgung und schlanke Verwaltung zu fördern, honoriere der derzeitige RSA eine möglichst dramatische Dokumentation von Krankheit.

Auch das Thema AMNOG ist angesichts der Ausgabensteigerungen in den Fokus gerückt. Gerade angesichts von extrem teuren Arzneimitteln wie dem Hepatitis-C-Medikament Sovaldi® wird von Kassenseite eine Weiterentwicklung gefordert. „Das entscheidende Problem ist, dass wir nach wie vor das erste Jahr mit freier Preisbildung haben“, so die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, ­Doris Pfeiffer, gegenüber dpa. Nach einem Jahr vereinbaren Krankenkassen und Hersteller einen Erstattungsbetrag; bis zu dieser Verein­barung könnten Hersteller „Fantasiepreise“ für neue Medikamente verlangen. Das eigentliche Ärgernis sei, so Pfeiffer, dass auch solche Medikamente im ganzen ersten Jahr abräumen könnten, bei denen spätestens nach sechs Monaten klar sei, dass sie ­keinen Zusatznutzen brächten.

Auch TK-Chef Baas wünscht sich eine Weiterentwicklung des am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetzes: Die Krankenkassen müssten ein stärkeres Gegengewicht gegenüber der Industrie bilden, das AMNOG müsse die Möglichkeiten bieten, „in die Preisgestaltung mit einzugreifen und zwar auch rückwirkend zur Markteinführung“. Ansonsten habe die Industrie weiter die Möglichkeit, im ersten Jahr bis zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrages einen reinen „Den-hätten-wir-gern-Preis“ zu verlangen, „der dann nichts mehr mit dem zu tun hat, was die Forschungskosten waren“. |


Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Kein Zutrauen zum Personal"

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