Gesundheitspolitik

Aussichten für 2016 durchwachsen

AZ-Ausblick: IFH, Phagro und Treuhand sagen schwieriges Jahr voraus / DAV rechnet mit weiteren Reformgesetzen

TRAUNSTEIN (cha) | Vor einem Jahr prognostizierte Frank Diener, der Generalbevollmächtigte der Treuhand Hannover GmbH, beim Vorsteuer-Betriebsergebnis der Durchschnittsapotheke für 2015 eine „rote Null“ (minus 1000 Euro). Erfreulicherweise wurde daraus im Jahresverlauf eine „schwarze Null“ mit einem Plus von 2000 Euro. Dass die Prognose für 2016 ebenfalls schlechter ist als die Wirklichkeit, können die Apotheker nur hoffen: Denn Diener errechnet ein Minus von 6000 Euro gegenüber dem Vorjahr – wobei es hier Gewinner und Verlierer geben wird.

Anlass zur Beunruhigung in Sachen Einkaufskonditionen bieten die Aussagen des Vorstandsvor­sitzenden des Phagro Thomas Trümper: Der Großhandel blicke mit großer Sorge in die Zukunft, da er von allen Seiten unter Druck stehe. Was an neuen Kosten und Beschneidungen hinzukomme, könne aus Eigenmitteln nicht mehr gestemmt werden.

Mehr Optimismus verbreitet DAV-Chef Fritz Becker. Er erwartet im Jahr 2016 noch weitere Gesundheitsreformgesetze. Diese würden die Apotheker zum Anlass nehmen, die „Bringschuld der Politik bei den Versorgungs- und Vergütungsfragen einzufordern“. Bei den Rezepturarzneimitteln will der DAV sich dafür einsetzen, dass auch hier zukünftig der bei Fertigarzneimitteln bezahlte Aufschlag von 8,35 Euro gewährt wird. Für die Dokumentationsgebühr bei Betäubungsmitteln fordert er einen Anstieg auf 2,94 Euro je verordnetem BtM.

Markus Preißner vom IFH Köln ­erwartet, dass sich auch im Jahr 2016 die Entwicklung der Apotheken heterogen darstellen wird. Weiter zunehmen wird aus seiner Sicht die Bedeutung des Apothekenstandorts. Vor allem im ländlichen Raum sei die Politik gefragt, da hier die Apothekenrentabilität immer öfter mit der Versorgungssicherheit verknüpft sei.


Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter IFH Köln:

Foto: Preißner

Markus Preißner

Apothekeninhaber in Deutschland erwarten im kommenden Jahr mehrheitlich keine positive Geschäftsentwicklung ihrer Apotheken. Laut dem Apothekenkonjunkturindex APOkix, den das IFH Köln gemeinsam mit der Noweda eG Apothekergenossenschaft und dem Deutschen Apotheker Verlag monatlich durchführt, rechnen rund 40 Prozent der Befragten mit einer sich verschlechternden Geschäftsentwicklung und knapp jeder Zweite geht von keinen nennenswerten Veränderungen der wirtschaftlichen Situation seiner Apotheke aus. Gründe hierfür sind vor allem sinkende Roherträge und steigende Personalkosten. Die Inhaber kleinerer Apotheken blicken dabei im Durchschnitt skeptischer in die Zukunft als Besitzer von größeren Apotheken. Aktuell stuft rund jeder dritte Inhaber die wirtschaftliche Situation seiner Apotheke als „negativ“ ein.

Es ist zu erwarten, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken auch 2016 heterogen darstellen wird. Unterschiede werden naturgemäß in Abhängigkeit vom Professionalisierungsgrad der Betriebsführung zutage treten. Daneben wird aufgrund heterogener demografischer Entwicklungen (z. B. stark abnehmende Bevölkerung in vielen ländlichen Gebieten; deutlicher Anstieg der Bevölkerung in den Metropolregionen) die Bedeutung des Standortes einer Apotheke für deren wirtschaftlichen Erfolg weiter zunehmen. Nimmt die Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet einer Apotheke bzw. die Passantenfrequenz ab, wächst der Druck auf die Apothekenrentabilität. Lässt sich eine Apotheke an einem Standort nicht (mehr) rentabel führen, ist sie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zu schließen. Über kurz oder lang wird – insbesondere auf dem Lande – die Frage der Apothekenrentabilität immer häufiger mit der Frage der Versorgungssicherheit und damit auch der Lebensqualität in den Städten und Gemeinden verknüpft sein. Einer Frage also, die Politik, Kommunen und Unternehmen vielerorts und branchenübergreifend beschäftigt. So haben CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag von 2013 beispielsweise vereinbart, eine Dialogplattform Einzelhandel ins Leben zu rufen, sowohl um „die Verödung unserer Innenstädte zu verhindern, als auch, um die Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten“. Ausgangspunkt des Dialogs sind u. a. die Funktionen, die der Einzelhandel im Kontext funktionierender und vitaler (Innen-)Städte übernimmt, und die Frage, wie dies auch für die Zukunft sichergestellt werden kann. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Apotheke vor Ort, die unabhängig von der Stadtgröße aus Sicht der Bevölkerung elementarer Bestandteil einer „funktionierenden“ (Innen-)Stadt ist. So gilt es, 2016 die Weichen dafür zu stellen, dass den Bedürfnissen der Bevölkerung auch in Zukunft Rechnung getragen wird und entsprechende Rahmenbedingungen zur Aufrechterhaltung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung geschaffen werden. In besonderer Weise gilt dies vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland 2016 erstmals seit Anfang der 90iger-Jahre voraussichtlich wieder weniger als 20.000 Apotheken geben wird. Zudem wird die Zahl derjenigen, die als Inhaber das unternehmerische Risiko einer Apotheke tragen, aller Voraussicht nach auf unter 16.000 Approbierte sinken. Gegenüber 2005 entspricht dies einem Rückgang von rund 20%. Überraschen können diese Entwicklungen wohl kaum, steht die zeitliche Entwicklung der Apothekenvergütung mitunter doch deutlich hinter derjenigen von Kenngrößen wie den GKV-Einnahmen, dem Bruttoinlandsprodukt, den Tariflöhnen in Apotheken oder der Inflationsrate zurück.

Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken im Jahr 2016 voraussichtlich nicht grundlegend verändern wird, kann das kommende Jahr doch wegweisend für die zukünftige wirtschaftliche Situation der Apotheken in Deutschland sein: Das Bundeswirtschaftsministerium startet ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“. Das Projekt ist auf eine Dauer von 18 Monaten angelegt. Mit einer gesetzgeberischen Umsetzung der aus dem Projekt hervorgehenden Empfehlungen ist folglich erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 zu rechnen. Ein weiter Weg bis dahin, aber die Weichen hierfür werden bereits 2016 gestellt.


Dr. Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender des Phagro:

Foto: Phagro

Dr. Thomas Trümper

In das Jahr 2016 blicken wir mit großer Sorge. Das war in den vergangenen Jahren nicht viel anders, denn wir handeln in einem Markt, der von allen Seiten unter Druck steht und wenig Möglichkeiten bietet, Alternativen zu entwickeln. Doch künftig haben die Sorgen eine andere Qualität, sie rühren an der sicheren, flächendeckenden Vollversorgung mit Arzneimitteln.

Natürlich sind alle Großhändler damit beschäftigt, die Kosten einer radikalen Kontrolle zu unterziehen. Was aber an neuen Kosten auf der einen Seite und Beschneidungen auf der anderen auf uns zukommt, kann aus Eigenmitteln nicht mehr gestemmt werden. Hier nur die wichtigsten Punkte:

Die extreme Zunahme an hochpreisigen Arzneimitteln drückt, bedingt durch die Struktur der Vergütung, gewaltig auf die Marge. Eigentlich wäre auch das noch im Rahmen der Mischkalkulation zu bewältigen, würde es nicht erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Interpretation unserer bisherigen Marktregeln geben. Dazu kommt nun noch das Anti-Korruptionsgesetz im Gesundheitswesen, das die Rechtsunsicherheit nach bisheriger Lage zusätzlich verstärkt.

Die GDP-Guidelines zwingen den Großhandel zu enormen Investitionen mit Folgekosten. Zusammen mit den Industrieverbänden haben wir dazu ein Papier entwickelt. Es bleibt zu hoffen, dass unsere Behörden mit Augenmaß handeln, so, wie es die Kommission in Brüssel eigentlich auch gemeint hat. Denn dort waren es „Guidelines“, also Leitlinien, in Deutschland ist es „Gesetz“!

Wie soll ein Ausblick auf das kommende Jahr aussehen, wenn die Großhandelsmarge inzwischen bei 4,4% gelandet ist, davon aber die gesamte Leistung eines Vollversorgers bestritten werden muss? Jeder vernünftig denkende Mensch kann sich das Szenario selbst ausmalen, dazu bedarf es keiner Prognose.


Fritz Becker, Vorstandsvor­sitzender des DAV:

Foto: ABDA

Fritz Becker

Der betriebswirtschaftliche Erfolg der Apotheken in Deutschland wird nicht nur vom persönlichen Geschick des Inhabers, sondern auch von den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorüber, ein Großteil des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe schon umgesetzt. Darunter waren kaum große Strukturreformen, aber immerhin mehrere Zukunftsprojekte. Dass die Apotheker dort selten als Hauptakteure genannt sind, muss nicht nur von Nachteil sein, denn aufwendige neue Leistungen ohne angemessene Vergütung sind auch nicht wünschenswert.

Langfristig gehört die Planungssicherheit für eine verlässliche ökonomische Basis zu den Kernzielen des Perspektivpapiers „Apotheke 2030“. Kurzfristig müssen viele Fragen an die Regierungskoalition auf dem Feld der Vergütung von Apotheken gestellt werden. Zu den spezifischen Versorgungsbereichen gehören die jährlich 8 Millionen „allgemeinen Rezepturen“. Die Anforderungen an deren Herstellung sind stetig gestiegen. Gleichzeitig stagniert die Vergütung seit Jahren auf niedrigem Niveau. Der DAV setzt sich deshalb auch 2016 dafür ein, Rezepturen hinsichtlich des Beratungsaufwandes Fertigarzneimitteln gleichzustellen und auch 8,35 Euro zu berechnen. Längst überfällig ist eine Reform auch bei den Betäubungsmitteln (BtM) mit 11 Millionen Verordnungen. Für den Verwaltungsaufwand erhalten Apotheken eine Dokumentationsgebühr von 26 Cent, die seit 1978 (sic!) nicht mehr angepasst wurde. So müsste die Dokumentationsgebühr auf 2,94 Euro je verordnetem BtM erhöht werden, um die Versorgung schwerkranker Menschen dauerhaft zu sichern.

Ganz grundsätzlich gibt es – anders als bei anderen Heilberufen – für Apotheker keine Planungssicherheit in der Vergütungssystematik. Beim Fixhonorar von 8,35 Euro, das Apotheken für die Abgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels erhalten, gibt es weder vorgeschriebene Zeitintervalle für eine regelmäßige Überprüfung noch eine konsentierte Methode zur Berechnung etwaiger Anpassungen. Statt solch einen Anspruch zu garantieren, versucht sich die Politik „über die Legislatur“ zu retten. Ein ausgeschriebenes Gutachten über die Datengrundlagen dürfte kaum vor dem Herbst 2017 und damit zeitgleich zu den Bundestagswahlen vorliegen. Für den DAV ist diese unbefriedigende Situation ein stetiger Anlass für neue Forderungen an die Politik. Und in der Tat: Es mehren sich die Anzeichen, dass es 2016 noch weitere Gesundheitsreformgesetze gibt. Die Apotheker werden das zum Anlass nehmen, die Bringschuld der Politik bei den Versorgungs- und Vergütungsfragen einzufordern. Darin liegen Risiken, aber auch Chancen.


Frank Diener, Generalbevollmächtigter Treuhand Hannover GmbH:

Foto: Treuhand

Frank Diener

In wenigen Wochen, wenn die Dezemberdaten verarbeitet sind, werden wir wissen, wie das Jahr 2015 für die Apotheken gelaufen ist. Nach den bislang vorliegenden Zahlen sieht es so aus, dass die von uns für die Durch­schnitts­apotheke vor einem Jahr prognostizierte „rote Null“ beim Vorsteuer-Betriebsergebnis (minus 1000 Euro) tatsächlich zu einer „schwarzen Null“ (plus 2000 Euro) geworden ist. 2015 ist also geringfügig besser als prognostiziert ausgefallen. Hauptursache dafür ist die im Vergleich zu den Vorjahren sehr deutlich ausgeprägte Erkältungs- und Grippewelle im Frühjahr 2015 sowie der erneute Anstieg der Hochpreis-Umsätze, die zusammen eine Umsatzsteigerung von über 4% bewirkt haben.

Die spannende Frage ist: Wie wird 2016? Für die statistische Durchschnittsapotheke prognostiziert die Treuhand Hannover beim Gesamtumsatz ein Plus von 3,0% bzw. 64.000 Euro gegenüber 2015. Dabei ist die GKV-KBV-Arzneimittel-Rahmenvereinbarung ebenso wie die wachsende Bedeutung der sogenannten Hochpreiser berücksichtigt. Auf der Umsatzebene ist die Entwicklung der OTC-Umsätze (Kommt eine „Grippewelle“ oder nicht?) der größte Unsicherheitsfaktor. Der Wareneinsatz wird sich um 3,8% bzw. 61.000 Euro gegenüber dem Vorjahr verteuern, also überproportional zum Umsatz steigen und damit einen Großteil des Umsatzplus aufzehren. Hauptursache dieser Erhöhung ist die Strukturkomponente bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln, ein Faktor, der aufgrund der Herstellerpreispolitik und ärztlichen Verordnung dem Apotheker exogen vorgegeben ist. Die Personalkosten werden nach unserer Einschätzung wegen Lohnerhöhungen sowie Zusatzeinstellungen um 3,6% bzw. 8000 Euro steigen. Hier ist zu berücksichtigen, dass tarifliche Lohnerhöhungen den Spielraum für übertarifliche Erhöhungen begrenzen. Die sonstigen Betriebskosten werden 2016 vermutlich stabil auf Vorjahresniveau sein. Alles in allem wird sich beim branchendurchschnittlichen Vor-Steuer-Betriebsergebnis 2016 ein Minus von 4,2% bzw. 6000 Euro gegenüber dem Vorjahr ergeben.

Der „Durchschnitt“ ist allerdings eine Statistik, die dem konkreten Einzelfall nicht gerecht wird. Es wird – auch wenn 2016 „im Durchschnitt“ durch Stagnation gekennzeichnet ist – Gewinner und Verlierer im Markt geben. Alle unsere Indikatoren belegen, dass sich auch 2016 die Veränderungsdynamik im Apothekenmarkt fortsetzen wird. Die Entwicklung ist eben nicht gleichförmig. Insofern ist es für den Apothekeninhaber unverzichtbar, eine professionelle Prognose für sein Unternehmen zu erstellen und dabei eine geeignete Vergleichsgruppe zu haben, die zu seinem Apothekentypus passt, also nicht nur seine Umsatzklasse, sondern auch seine Geschäftslage und seine weiteren Charakteristika abbildet.

Die Treuhand Hannover hat im Herbst 2015 bei der Expopharm die subjektiven Einschätzungen von Apothekeninhabern zur Branchenentwicklung insgesamt, aber auch zur eigenen Apotheke erfragt. Das Ergebnis ähnelt dem des Vorjahres, ist aber nach wie vor frappierend:

  • Für die Branche insgesamt erwarten 13% der Apotheker in 2016 eine Verbesserung, aber 22% eine Verschlechterung. 62% gehen von Gleichstand aus, 3% machen keine Angaben zu dieser Frage.
  • Für die eigene Apotheke erwarten für 2016 stattdessen 34% eine Verbesserung und nur 14% eine Verschlechterung. 52% gehen von Gleichstand aus.

Die eigene Perspektive wird von vielen Apothekern positiver als die Branchenzukunft eingeschätzt. Die Möglichkeiten, durch aktives und professionelles unternehmerisches Agieren positive Branchentrends individuell zu verstärken und negative abzuschwächen, stimmen offensichtlich eine signifikante Zahl von Apothekeninhabern zuversichtlich – aber eben nicht alle. |

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