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„Unser Können, unsere Tatkraft nutzen“

DAZ-Interview mit Dr. Detlef Weidemann, neuer Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes

BERLIN (lk) | Geboren wurde er in Hamburg. Dort hat er auch Pharmazie studiert und als Praktikant bei Dr. Jörn Graue gelernt. Seine politischen Sinne geschärft hat der 61-Jährige im Umfeld der Hamburger Bürgerschaft, nicht nur im ­Straßenwahlkampf für eine große Volkspartei. Später hat er in einer Klinikapotheke, in der pharmazeutischen Forschung und als Unternehmensberater gearbeitet. Seit sieben Jahren führt er in Wiesbaden die Sonnen-Apotheke. Seit Januar ist Dr. Detlef Weidemann neuer Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes – kein Quereinsteiger, aber ein Querdenker, der mit neuen Ideen alte Traditionen weiterentwickeln will. „Die Zeit der einsamen Kapitäne, die Zeit von Pose und Pathos ist vorbei. Ich möchte den HAV zu einem Mitmach-Verband entwickeln“, lautet das Motto von Detlef Weidemann. Was er sich darunter genau vorstellt, darüber sprach die DAZ mit dem neuen HAV-Chef.

DAZ: Sie wollen frischen Wind in den HAV bringen. In welche Richtung soll er wehen?

Weidemann: Ich glaube, auch in der Apothekerschaft vollzieht sich ein Generationenwandel. Ich persönlich empfinde mich zwar als recht konservativen Menschen. Aber um uns herum wandeln sich die Einstellungen. Die Menschen möchten sich gerne in die Gesellschaft einbringen. Aber nur noch für einzelne, bestimmte Projekte und überschaubare Zeiträume statt für Organisationen an sich. Gleichzeitig spielt das Privat- und Familienleben eine größere Rolle. Das trifft auch auf die Apothekerschaft zu. Wir müssen daher auch im HAV neue Formen der Beteiligung, der Mitsprache und der Kommunikation finden.

DAZ: Wie meinen Sie das?

Weidemann:

Die Mitglieder des HAV, Apothekerinnen und Apotheker sind sicher gedanklich eine hoch leistungsfähige, sehr gut ausgebildete Berufsgruppe. Dazu hatten sie den Mut zur Selbstständigkeit mit dazugehörigem Engagement und Risikobereitschaft. Das ist ein enormes Potenzial. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen nicht nur zu Adressaten von HAV-Botschaften machen, sondern zu Mitmachern. Wir können gar nicht genug Ideen unserer Mitglieder aufnehmen, um unsere Berufspolitik weiterzuentwickeln.

Foto: HAV

Dr. Detlef Weidemann:„Ich möchte alle dazu einladen, in den Projektgruppen mitzuarbeiten, unsere kollektive Intelligenz zu nutzen.“

DAZ: Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Weidemann: Ich möchte zum Beispiel Projektgruppen einrichten, in denen Interessierte mitmachen können, auch ohne Wahlmandat. Zwei Beispiele: Wie modernisieren wir unsere Kommunikation? Wie gehen wir mit den neuen Medien um? Wie integrieren wir beispielsweise Smart-Phones, mit denen unsere Kunden und Patienten uns begegnen, in unseren Apothekenalltag? Das sind Fragen, um die wir uns kümmern müssen. Die Gesellschaft wartet nicht auf uns Apotheker. Gegenwärtig kommuniziert der HAV mit seinen Mitgliedern hauptsächlich noch über Faxe, eine eher überholte Technik ohne jede Dialog­fähigkeit. Da muss sich etwas ändern.

DAZ: Was noch?

Weidemann: Zweites: Auf uns rollt die Demografiewelle zu. Das Durchschnittsalter der hessischen Apothekenleiter liegt bei fast 56 Jahren. Viele Inhaber müssen und wollen ihre Apotheke in den nächsten Jahren weitergeben, als Teil ihrer geplanten Altersvorsorge verkaufen. In der Nachfolgegeneration aber warten überwiegend Frauen mit ganz anderen Lebensentwürfen. Das passt so nicht auf Anhieb zusammen. Darum müssen wir uns kümmern. Die Industrie- und Handelskammern haben Unternehmensbörsen eingerichtet. Auch wir müssen uns etwas einfallen lassen. Zwei oder drei Apothekerinnen können ja schon heute gemeinsam eine Apotheke übernehmen. Aber wie finden sie zusammen, wie können wir den Weg dafür ebnen? Ich möchte alle dazu einladen, in den Projektgruppen mitzuarbeiten, unsere kollektive Intelligenz zu nutzen. Ich habe für diese Fragen keine Patent-Lösungen in der Tasche. Aber ich möchte im HAV einen Dialog organisieren, der sich mit diesen Fragen beschäftigt und gemeinsam zu Lösungen findet.

DAZ: Wie wollen Sie die Apotheker in Hessen erreichen?

Weidemann: Der Verband sollte noch näher an die Mitglieder heranrücken, aktiv erkunden wo Apotheker der Schuh drückt. Warum können wir nicht ein landesweites Netzwerk von wechselnden Panel-Apotheken einrichten, die regelmäßig vom HAV kontaktiert werden? Wir könnten regionale Pressesprecher etablieren, um das Bild der Apotheker in den regionalen Medien positiv zu beeinflussen, das können engagierte Apothekerinnen und Apotheker sein.

DAZ: Das wird die Arbeit der hauptamtlichen HAV-Geschäftsstelle verändern.

Weidemann: Die Geschäftsstelle leistet schon jetzt hervorragende Arbeit. Wir müssen offen darüber diskutieren, welche Verbandsarbeit wir leisten wollen. Ich möchte daher Ende Februar den Vorstand und hauptamtliche Mitarbeiter zu einer Klausurtagung einladen. Dort wollen wir auch über die Aufgaben eines Verbandes diskutieren und die dazu nötigen Haushaltsmittel sprechen. Ich möchte das breit zur Diskussion stellen.

DAZ: Was soll sich in der Verbands­arbeit ändern? Wann geht es los?

Weidemann: Sobald wie möglich. Bei der Klausurtagung wollen wir die gesamte Verbandsarbeit analysieren. Es geht neben den schon beschriebenen Inhalten um sechs organisatorische Arbeitsbereiche: Wie arbeitet der HAV-Vorstand, sind unsere Sitzungen noch zeitgemäß, ist das transparent und effizient? Wie ist die Arbeitsbeziehung zwischen Ehrenamt und Hauptamt, wer macht hier was? Wie funktioniert das Verhältnis von Vorstand und Geschäftsstelle zu den Mitgliedern und umgekehrt? Wie arbeiten wir mit den anderen Playern des Gesundheitswesens in Hessen zusammen, mit den Ärzten den Kassen? Wie vertreten wir unsere Interessen? Wie können wir unsere Patienten zu unseren Verbündeten machen, welche Angebote können wir dem wachsenden Anteil chronisch Kranker, zum Beispiel zusammen mit Selbsthilfegruppen machen? Wie kommunizieren wir mit der Öffentlichkeit, wie vertreten wir unsere Interessen?

DAZ: Das ist ein anspruchsvolles Programm. Wie viel Zeit wollen Sie Ihrer Verbandsarbeit widmen?

Weidemann: Ich möchte auch noch meine Apotheke in Wiesbaden und ein Privatleben führen. Ich bin ja nicht der HAV alleine, es gibt sieben weitere Vorstandsmitglieder, 15 Mitarbeiter in der Geschäftsstelle, 22 Delegierte und 1500 Mitglieder. Wenn alle mitziehen, lässt sich das Aufgabenspektrum bewältigen. Klar, wir müssen natürlich Prioritäten setzen.

DAZ: Im neuen ABDA-Leitbild fehlt eine Aussage zum Umgang mit neuen Medien. Es gibt auch keine erkennbaren ­Initiativen zu Hilfen beim Betriebsübergang. Wie zufrieden ist der neue HAV-Vorsitzende mit der Arbeit der ABDA in Berlin?

Weidemann: Erziehung ist Beispiel und Liebe, hat einmal Johann Heinrich Pestalozzi gesagt. Nun habe ich keine erwachsenen Menschen zu erziehen. Aber ich möchte den Handelnden mit Respekt begegnen wie auch intern, immer wenn es nötig ist, die Dinge gegen den Strich bürsten. Deshalb beteilige ich mich nicht am ABDA-Bashing in den Internetforen. Auch offene Briefe sind nicht mein Stil. Positive Beispiele und Anregungen mit der Arbeit unseres HAV, die möchte ich gerne geben.

DAZ: Herr Weidemann, vielen Dank für das Gespräch! |

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