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Viele Möglichkeiten für die Schiedsstelle

Analyse des Gesundheitsrechtlers Hilko J. Meyer zur Retax-Problematik

HAMBURG (tmb) | Die Schiedsstelle wird demnächst darüber entscheiden, was und wie viel künftig retaxiert werden darf. Doch wie weit reicht der Entscheidungsspielraum der Schiedsstelle und wie sollten die Verhandlungen angegangen werden? Eine Analyse dazu präsentierte Prof. Dr. Hilko J. Meyer, Direktor des wissenschaftlichen Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht an der Fachhochschule Frankfurt am Main, bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 2. Dezember.
Foto: DAZ/tmb

Prof. Dr. Hilko J. Meyer: Nullretaxationen beruhen auf Verträgen – die Vertragspartner können diese ändern.

Meyer mahnte, zunächst die Beziehung zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen zu betrachten, und konstatierte darin einen grundlegenden Wandel. Früher sei diese Beziehung zivilrechtlich geprägt gewesen. Durch § 69 SGB V sei daraus eine öffentlich-rechtliche Beziehung geworden, bei der jedoch das Zivilrecht gelte, soweit keine Regelung dagegen stehe. Doch das Bundessozialgericht sei darüber inzwischen weit hinausgegangen. Es sehe nur noch die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die mit hoheitlichen Mitteln durchgesetzt werde, also „möglichst schmerzhaft“, so Meyer. Das Prinzip von Verträgen auf gleicher Höhe gelte dort nicht mehr. Den Grundsatz von Treu und Glauben, das Prinzip von Leistung und Gegenleistung und den Ausgleich von Interessen gebe es bei dieser Sichtweise nicht mehr. Dies sei eine enorme Verschiebung der Verhältnisse und damit stehe das Bundessozialgericht völlig konträr zu anderen Betrachtungen, folgerte Meyer. Apotheker würden behandelt, als hätten sie keine Beziehung zu den Patienten mehr, sie sollten aber als Freiberufler für ihre Arbeit an den Patienten haften.

Rahmen für die Verhandlungen

Doch Verhandlungen müssten auf gleicher Ebene stattfinden, forderte Meyer. Dabei könnten die Risiken nicht einseitig von den Apotheken getragen werden. Maßnahmen müssten jeweils angemessen sein. Denn dies sei auch die Idee hinter der gesetzlichen Überforderungsklausel, die die Vertragspartner verpflichtet, die Retaxationen zu regeln. Daher sei die Schiedsstelle nur an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, nicht jedoch an diverse Entscheidungen des Bundessozialgerichts, erklärte Meyer. Denn der Gesetzgeber habe mit der Überforderungsklausel und seinem Regelungsauftrag neues Recht geschaffen. Außerdem würden viele Entscheidungen des Bundessozialgerichts auf Verträgen beruhen. Doch Verträge könnten ge­ändert werden. Auch Nullretaxationen würden auf Verträgen beruhen, aber die Vertragspartner könnten andere Regelungen treffen. Die deutlich günstigeren Regelungen für die Ärzte würden zeigen, dass auch solche Vereinbarungen mit dem SGB V vereinbar seien.

Mögliche Lösung

Meyer ermunterte die Apotheker, bei den Verhandlungen Angebote zu machen, beispielsweise schwächere Sanktionen anstelle von Nullretaxationen. Dazu verwies Meyer auf die frühere Regelung, bei Verstößen gegen die Aut-idem-Regel die Differenz zu retaxieren. Ein sehr guter Ansatz sei die Regelung aus dem Hamburger Primärkassenvertrag, nach der die Krankenkasse eine Leistung der Apotheke bezahlen müsse, wenn sie durch diese Leistung ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber dem Patienten frei werde. Dazu erklärte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, der Deutsche Apothekerverband werde vor der Schiedsstelle mit der Hamburger Regelung argumentieren (siehe „Klare Strategien für Honorar und Retaxationen“, Seite 78 dieser DAZ). |

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