Arzneimittel und Therapie

Oseltamivir nach drei Tagen ohne Nutzen?

Zeitfenster könnte größer sein

Der Nutzen von Neuraminidase-Hemmern zur Behandlung der Influenza ist umstritten, da das Zeitfenster für eine effektive Anwendung sehr eng ist und die Studienergebnisse teilweise widersprüchlich sind. So zeigten ältere Studien, dass eine Einnahme von Oseltamivir innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der Symptome eine Influenza-Erkrankung um 70 Stunden verkürzen und die Schwere der Symptome lindern kann. 2006 belegte eine Metaanalyse zudem eine Prävention von Infektionen der unteren Atemwege bei frühzeitiger Einnahme. Ein Review von 2014 fand jedoch keinen solchen Effekt und eine Verkürzung der Krankheitsdauer um nur 17 Stunden bei Erwachsenen und 29 Stunden bei Kindern. Allerdings wurden diese Studien nur mit ambulant behandelten Patienten durchgeführt, die ein weitgehend intaktes Immunsystem hatten. Diese Patienten scheiden nach Krankheitsbeginn nur für zwei bis drei Tage Viren aus, was sich mit dem Zeitfenster für eine effektive Anwendung von Neuraminidase-Hemmern deckt.

Bei chronisch kranken oder immunsupprimierten hospitalisierten Patienten zieht sich die Virusausscheidung oft über Wochen. Hier können Neuraminidase-Hemmer auch bei späterer Anwendung noch effektiv sein. Ebenso könnten sie bei Infektion mit besonders virulenten Influenza-Stämmen wie H5N1 einem Zytokin-Sturm mit Multi-Organ-Versagen vorbeugen. Neuere retrospektive Studien seit der H1N1-Epidemie 2009 zeigten, dass Neuraminidase-Hemmer Morbidität und Mortalität bei schwer kranken und hospitalisierten Patienten senken können. Auch scheint das Zeitfenster für eine effektive Anwendung von Neuraminidase-Hemmern bei dieser Gruppe signifikant größer zu sein als bei immunkompetenten Patienten. Leider fehlen randomisierte kontrollierte Studien zur Bestätigung. Bis dahin gilt, dass Risikopatienten bei Verdacht auf Influenza möglichst rasch mit Neuraminidase-Hemmern behandelt werden sollten, auch wenn das Virus noch nicht nachgewiesen ist. |

Quelle

Louie JK. Treating Influenza With Neuramidase Inhibitors: What Is The Evidence, JAMA online 19. Oktober 2015, doi:10.1001/jamainternmed.2015.5747

Apothekerin Sarah Katzemich

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