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Wenn die Schulung Pflicht ist

Wann muss für welche Arzneimittel Schulungsmaterial zur Verfügung gestellt werden?

REMAGEN (hb) | Für viele Arzneimittel stellt der Hersteller Schulungsmaterialien zur Verfügung. Nicht immer tut er das aus freien Stücken, diese Materialien können auch eine Auflage der Zulassungsbehörde sein. Dann gelten für die Ausgestaltung, aber auch die Verteilung, strenge Regeln. Und natürlich sind dann auch Parallelimporte von der „Schulungs-Pflicht“ erfasst.

Für bestimmte Arzneimittel, die im zentralen, seltener über ein anderes europäisches oder nationales Verfahren zugelassen sind, müssen die Pharmaunternehmen aus Gründen der Arzneimittelsicherheit spezielle Schulungsmaterialien (sog. Educational Material) zur Verfügung stellen. Diese sind ein möglicher Bestandteil der im Jahr 2005 eingeführten Risikomanagement-Pläne (RMPs). Das Material soll über die Packungsbeilage und die Fachinformation hinausgehend dazu beitragen, etwaige Risiken bei der Anwendung eines Arzneimittels gezielt zu minimieren.

Als „Educational Material“ können Broschüren für die Heilberufe und für Patienten (z. B. Informationsbroschüren, Therapiepass, Notfallausweise etc.) dienen, es können Checklisten für Ärzte, Apotheker und Pflegepersonal, Poster und Vor-Ort-Schulungen sein oder Videos und Bildmaterial, die auf der Webseite veröffentlicht werden.

Die Erstellung solcher Materialien kann schon gleich bei der Zulassung oder auch nachträglich zu jedem Zeitpunkt angeordnet werden. Zu den Einzelheiten hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Mai 2013 eine Bekanntmachung veröffentlicht. Wird das „Educational Material“ mit der Erteilung der Zulassung beauflagt, so darf das Unternehmen das Arzneimittel erst dann in den Verkehr bringen, wenn die mit der Behörde abgestimmten Informationsmaterialien tatsächlich zur Verfügung gestellt werden können.

Screenshot: DAZ

Zu welchen Arzneimitteln muss es Schulungsmaterial geben? Das BfArM veröffentlicht auf seiner Website eine Liste.

Schulung ist keine Werbung!

An das Material werden strenge Anforderungen gestellt. So darf es ausschließlich die zusätzlich zu minimierenden Risiken behandeln und keine weiteren Risiken oder Studiendaten beschreiben, es sei denn dies wurde angeordnet. Jegliche Angaben mit werbendem Charakter, etwa zur potenziellen Überlegenheit gegenüber anderen Therapieoptionen, sind unzulässig. Der Handelsname darf nur so oft genannt werden, wie unbedingt notwendig. Außerdem darf es nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit anderen freiwilligen Schulungsunterlagen des Zulassungsinhabers versendet bzw. bereitgestellt werden. Um Verwechslungen mit Werbematerial zu vermeiden, hat das BfArM die Arzneimittelverbände gebeten, für diese ein Logo, analog dem Logo für den Rote-Hand-Brief, zu entwickeln.

Betroffene Arzneimittel

Derzeit müssen für ca. 130 Wirkstoffe solche Schulungsmaterialien zur Verfügung gestellt werden. Eine Liste der Wirkstoffe und Warenzeichen ist seit Juli 2014 im Internet verfügbar unter www.bfarm.de > Arzneimittel > Pharmakovigilanz > Risikoinformationen > Schulungsmaterialien (educational material). Die Liste wird in regel­mäßigen Abständen fortlaufend ak­tualisiert.

Zum Teil sind die Handelsnamen hier nicht komplett aufgeführt. Beispielsweise wird für den Wirkstoff „Valproat“ als Handelsname „Ergenyl und weitere“ angegeben (siehe Abb. mit einem beispielhaften Auszug aus der Liste). Weitere betroffene Arzneimittel sind in solchen Fällen zu finden:

Wo finden sich die Materialien?

Die Unternehmen sollen die Unterlagen für die Adressaten unter pragmatischen Gesichtspunkten (Papierversion, CD/DVD, Poster, Homepage etc.) bereitstellen. De facto gelingt das aber nach Meinung der Behörde oft nicht. Hier will das BfArM Abhilfe schaffen, in Zukunft soll vermehrt das Internet genutzt werden. Nach den Vorstellungen der Behörde sollen die Pharmaunternehmen das beauflagte Schulungsmaterial jeweils über eine werbefreie Firmenwebseite sowohl für Heilberufler als auch für Anwender bereitstellen. Der Zugang soll auf direktem Wege, also ohne Passwort oder „Durchklicken“ möglich sein. Dabei wäre es nach Ansicht des BfArM sehr hilfreich, wenn der Arzneimittelname Bestandteil der Web-Adresse wäre (www.Arzneimittelname.de). Die Verbände der Arzneimittelhersteller wurden gebeten, die Firmen über das geplante Vorgehen zu informieren, damit diese die entsprechenden Weblinks zur Verfügung stellen, und diese in der Liste der Arzneimittel eingefügt werden können. Auf diese Weise könnten Ärzte und Apotheker einen raschen und vollständigen Überblick erhalten, und auch die Patienten könnten das Material unkompliziert finden.

Parallelimporteure ebenfalls in der Pflicht

Da Arzneimittel-Parallelimporteure als Hersteller der von ihnen importierten Arzneimittel gelten, gilt auch für sie die Pflicht zur Bereitstellung von Schulungsmaterial, wenn dies eine Auflage an den Originalhersteller ist. Da Parallelimportzulassungen regulatorisch eigenständig sind, können die Inverkehrbringer jedoch nicht einfach auf die Schulungsmaterialien der Inhaber der Originalzulassungen verweisen.

Das BfArM hat deshalb am 30. September die Inhaber von solchen Parallelimportzulassungen im Rahmen einer schriftlichen Anhörung nach dem Stufenplan (Stufe II) dazu aufgefordert, Stellung zu nehmen und dem BfArM mitzuteilen, für welche ihrer betroffenen Arzneimittel sie bereits Schulungsmaterial nebst Kommunikationsplan für die Verteilung eingereicht haben und für welche sie dies innerhalb der nächsten drei Monate noch tun werden.

Wer der Aufforderung nicht innerhalb dieser Frist nachkommt, muss damit rechnen, dass das Ruhen der entsprechenden Zulassung angeordnet wird. Das soll ebenfalls geschehen, wenn der Parallelimporteur mitgeteilte Mängel an seinen eingereichten Schulungsmaterialien nicht fristgerecht ausräumt.

Das Material der Parallelimporteure sollte hinsichtlich Inhalt und Format möglichst identisch mit dem des Originalpräparats bzw. der Bezugszulassung sein. Wenn eigenes Schulungsmaterial erstellt wird, soll nach dem Wunsch des BfArM eine unter den verschiedenen Importeuren desselben Arzneimittels abgestimmte Version vorgelegt werden. Die betroffenen Unternehmen können zu diesen Forderungen bis zum 30. November Stellung nehmen. |

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