Apotheke und Markt

Den Durchschnittspatienten gibt es nicht

Studie zur Persönlichkeit von Selbstmedikationsanwendern

BERLIN (ks) | Soziale Persönlichkeitsmerkmale sind entscheidend bei der Frage, wie ein Mensch mit seiner Gesundheit – und auch mit der Selbstmedikation – umgeht. ­Einen „Durchschnittspatienten“ gibt es nicht. Bedeutung hat dies nicht zuletzt für die Beratung in der Apotheke. Dies ist ein Ergebnis von Studien zu den Persönlichkeitsstrukturen von Selbstmedikationsanwendern, die der Phytopharmaka­hersteller Dr. Willmar Schwabe in Auftrag gegeben hat.

Professor Elmar Brähler von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Leipzig hat für seine Studie 1000 Personen zu ihren Beschwerden und ihrem Umgang hiermit telefonisch befragen lassen. 30 Prozent erklärten, sie seien beschwerdefrei bzw. nähmen keine Medikamente. 30 Prozent sagten, sie behandelten ihre Beschwerden ausschließlich selbst, 40 Prozent gehen zumindest wegen einem Leiden zum Arzt. Dabei sind es eher jüngere Menschen und mehr Frauen als Männer, die zur Selbstmedikation greifen. Zudem kaufen finanziell besser gestellte Menschen eher selbst Arzneimittel als solche, die weniger Geld zur Verfügung haben.

Im Zusammenhang mit der Selbstmedikation wurden für die Studie aber auch andere Punkte abgefragt. Dabei ging es unter anderem darum, wie ausgeprägt etwa soziale Unterstützung, Ängstlichkeit, Depressivität, Vertrauen, Einsamkeit, Kontrollüberzeugungen und die erlebte subjektive Gesundheit bei den Einzelnen sind.

Unterschiedliche Persönlichkeits-typen in der Apotheke

Brählers Ergebnis: Menschen, die zur Selbstmedikation neigen, sind oft in­trovertiert, einsam, von außen steuerbar und ängstlich, zudem erfahren sie weniger soziale Unterstützung. Wolle man diese Persönlichkeit in ihrer eigenen Gesundheitsfürsorge bestärken, so müsse auf diese Merkmale deutlicher als bisher eingegangen werden. Besonders bedeutsam sei hierbei die Kommunikation durch den Apotheker. Dieser erwarte vom Patienten fast immer eine Frage und einen konkreten Wunsch. Doch hier müsse er eine gegenteilige Position einnehmen: von sich aus beginnen, das Gespräch führen, Vertrauen schaffen. Besteht Vertrauen, so Brähler, nehmen diese Patienten den apothekerlichen Rat gerne an.

Ganz anders sieht es bei Menschen aus, die keine Affinität zur Selbstmedikation haben. Sollten sie doch einmal Arzneimittel benötigen, setzten sie zunächst auf Eigenrecherche. Sie wollen, dass ihre Unabhängigkeit nicht infrage gestellt wird. Auch in der Apotheke möchten sie selbst – oder zumindest gemeinsam mit dem Apotheker – entscheiden.

Die „hidden Agenda“ politischer Entscheider

Für eine weitere Studie befragte der Bamberger Soziologe Professor Gerhard Schulze 20 Gesundheitspolitiker quer durch das Parteienspektrum aus Bundestag und Landtagen. Dabei habe sich gezeigt, dass es eine Art „hidden Agenda“ gebe – und zwar bei allen Befragten, die in der realen Gesundheitspolitik allerdings kaum verwirklicht werde. So sei man sich einig, dass mehr Gesundheitsbildung nötig sei. Denn der Laie werde zunehmend zum Meta-Experten – auch in der Gesundheit. Er bewerte, was Experten sagen – daher sei es nötig, ihn zu befähigen, mit diesen Informationen umzugehen.

Eine weitere Erkenntnis: Die Rollentrennung von Arzt und Apotheker war lange segensreich – nunmehr ist zunehmend wichtig, dass die Heilberufe zusammenarbeiten. Die Fragen rund um die Gesundheit seien heute so komplex, dass man von niemandem mehr erwarten könne, stets allein und richtig zu urteilen. Schulze betonte, dass die Apotheke ein hohes Ansehen genieße – bei den Kunden und den einzelnen Gesundheitspolitikern. In der medialen Darstellung sehe dies allerdings anders aus. Die gewünschte Weiterentwicklung des Apothekers werde zudem noch kleingeredet – und politisch letztlich auch nicht umgesetzt.

Nicht zuletzt eint die Gesundheitspolitiker aller Parteien die Aufgeschlossenheit gegenüber der Komplementärmedizin. Schul- und Alternativmedizin näherten sich immer mehr an.

Schwabe will Aktivitäten gegenüber Apotheken verstärken

Schwabe-Geschäftsführer Dr. Traugott Ullrich hält die Studienergebnisse in vielerlei Hinsicht für bedeutend. Unter anderem müsse der Gesetzgeber die zunehmende Patientenautonomie anerkennen. Dazu müsse der Patient an valide Informationen kommen. Diese sollten auch Unternehmen bereitstellen können – „das wäre besser als irgendwelche Blogs“, so Ullrich. Derzeit sind den Herstellern allerdings durch das Heilmittelwerbegesetz weitgehend die Hände gebunden.

Wichtig ist für Ullrich nicht zuletzt die Arbeit der Apotheker und Ärzte – sie seien wichtige Lotsen für die Patienten, um ihnen die Möglichkeiten und Grenzen der Arzneimittel aufzuzeigen. Daher werde Schwabe seine Aktivitäten gegenüber beiden Heilberufen künftig verstärken.


Quelle

Aktuelle Daten und Zukunftsperspetiven – Selbstmedikation: „Patientenmythen vs. brandneue Erkenntnisse“, vorgestellt im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Dr. Willmar Schwabe GmbH, 28. 10. 2015, Berlin


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