Arzneimittel und Therapie

Big-Brother-Pille

Sensor kontrolliert die Adhärenz

jb | Dass viele Patienten ihre Medikamente nicht wie verordnet einnehmen, davon geht man mittlerweile aus. Schätzungen zufolge kostet Non-Adhärenz etwa 125 Mrd. Euro – allein in Europa. Dagegen vorzugehen, ist eine Herausforderung. Zum einen fehlt häufig die Zeit, die Patienten darüber aufzuklären, wie wichtig die richtige Einnahme ist, zum anderen sind im Zweifelsfall Einnahmefehler schwer nachzuweisen. Zumindest für das Neuroleptikum Abilify® (Aripiprazol) könnte das in den USA in Zukunft anders werden.

Die Aufsichtsbehörde FDA hat den Zulassungsantrag für das erste digitale Arzneimittel angenommen. Das Präparat vereint das Neuroleptikum Abilify® mit einem Sensor, den man schlucken kann. Dieser Sensor übermittelt, sobald er den Magen erreicht, Informationen über die Einnahme wie den Zeitpunkt über ein Hightech-Pflaster (ein sogenanntes „Wearable“) an das Smartphone und von dort an den Arzt oder an eine Betreuungsperson. Letzteres natürlich nur, so heißt es in einer Pressemitteilung des Herstellers Proteus Digital Health, wenn der Patient dem zustimmt.

Der Hersteller sieht sehr großes Potenzial in dieser Entwicklung. Bei der Gesundheitsversorgung habe man dann nicht nur den bloßen Wirksamkeitsnachweis eines Arzneimittels, sondern es bestünde die Möglichkeit, dessen tatsächliche Effektivität unter Alltagsbedingungen zu verstehen. Das bedeute, dass Medikamente maßgeschneidert werden könnten in Abhängigkeit des Einnahmeschemas und des Lebensstils.

Andere sehen die neue Technologie kritischer. So stellt man sich beispielsweise beim Fachportal Medscape die Frage, ob Patienten bereit sind, der Überwachung durch ihre Medikamente und der Weitergabe der Daten zuzustimmen. Denn häufig ist nicht Schusseligkeit der Grund für Non-Adhärenz, sondern die Patienten lassen ihre Medikamente aus verschiedenen Gründen ganz bewusst weg, zum Beispiel aus Angst vor Nebenwirkungen oder weil sie sich gesund fühlen.

Neben Ärzten und Betreuern dürften wohl vor allem Versicherer Interesse an den Adhärenz-Daten ihrer Versicherten haben. Denn sie tragen letztendlich die Folgekosten der Non-Adhärenz. So zahlen US-Krankenkassen bereits Boni an Patienten, die sich fit halten und das mittels Smartwatch oder Fitness-Tracker nachweisen. Da sind Vorteile bei der Erstattung für Patienten, die ihre Adhärenz überwachen lassen, zumindest in den Augen von Medscape durchaus denkbar. |

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