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Deutscher Apothekertag 2015

Klare Voten und interessante Hintergründe

Bericht über die Antragsdebatte

tmb/ck | Ungeteilte Zustimmung zu den Honorarforderungen der Apotheker und zur Einbindung der Apotheker in den Medikationsplan waren die deutlichsten Signale der Antragsdiskussion. Bei der Ablehnung der Retaxationen und der Hilfsmittelbürokratie zeigten die Apotheker ebenso große Einigkeit. Doch bot die Antragsdebatte engagierte Diskussionen zu taktischen Fragen und vermittelte interessante Informationen zu vielen Themen, von Bachelor-Studiengängen über die PTA-Ausbildung bis zur alles beherrschenden Honorarfrage.

Aktuelles E-Health-Gesetz

Mit der Annahme des ersten Leitantrags forderte die Hauptversammlung den Gesetzgeber ohne Gegenstimme auf, die Apotheker in die Erstellung der Medikationspläne gemäß E-Health-Gesetz einzubinden und einen Anspruch der Versicherten auf einen solchen Plan auch gegenüber dem Apotheker festzuschreiben. In der Diskussion wurde allerdings deutlich, dass die Instrumente des Medikationsmanagements gegenüber Ärzten und der Öffentlichkeit noch erklärt werden müssen. BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer fürchtet zudem, dass Patienten mit unvollständigen Listen in die Apotheken kommen. Die weitere Bearbeitung müsse dann angemessen vergütet werden.

Ein Antrag, die Diagnosedaten für das Medikationsmanagement zu fordern, wurde in einen Ausschuss verwiesen. Gegen den Vorschlag, die Ärzte nach einer freiwilligen Angabe zu fragen, wurde argumentiert, dies widerspreche der ärztlichen Schweigepflicht und sei unrealistisch, zumal viele Ärzte sogar gegen Diagnoseangaben innerhalb ärztlicher Netze seien. Außerdem sei es für eine solche Forderung zu früh. Kiefer erklärte dazu: „Labordaten zu bekommen, müssen wir uns erarbeiten.“ Klare Zustimmung gab es dagegen für den Appell an die Ärzte, die Arzneimitteltherapiesicherheit als gemeinsame Aufgabe mit den Apothekern anzunehmen, für die Aufforderung an die Krankenkassen, die Präventionsangebote der Apotheken zu nutzen, und für einen entgeltlichen Impfpass-Check in Apotheken.

Cannabis in der Apotheke

In der Diskussion über Cannabis bezeichnete Prof. Dr. Theo Dingermann den Einsatz der Droge als „Pharmazie des Mittelalters“ und warb für Reinsubstanzen, doch Dr. Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin Pharmazie, berichtete, die Bundesregierung wolle Cannabis-Blüten vor dem Hintergrund juristischer Entscheidungen verkehrsfähig machen. Kiefer erklärte, es werde an einer Monographie dafür gearbeitet. Die beiden Anträge zum Umgang mit Cannabis wurden angenommen.

Keine Marktabschottung

Abgelehnt wurde hingegen der Antrag, die Weiterbildung „Geriatrische Pharmazie“ zur Voraussetzung für die Heimbelieferung zu machen. Neben der grundsätzlichen Position, die Apotheker sollten sich nicht selbst zusätzliche Aufgaben aufzwingen, wurde argumentiert, es gäbe auch Heime für nicht-geriatrische Patienten, die Betonung einer Bereichsweiterbildung entwerte die Weiterbildung in Offizinpharmazie und sogar für die Leitung einer Krankenhausapotheke werde eine diesbezügliche Weiterbildung nicht zwingend gefordert. Daher habe der Antrag das „Geschmäckle einer Marktabschottung“.

Studium und Ausbildung

Der Antrag, die Anzahl der Pharmaziestudienplätze zu sichern und zu erhöhen, wurde in geänderter Form angenommen. Mit der Änderung wurde der Qualitätsaspekt betont, weil an mehreren Standorten befürchtet wird, mehr Studenten zugewiesen zu bekommen, ohne zusätzliche Mittel zu erhalten. Der Antrag, der sich gegen Bachelor-Master-Studiengänge richtete, wurde nach intensiver Diskussion umformuliert in ein Bekenntnis zur bestehenden gestuften pharmazeutischen Prüfung und zur Approbation, das mit großer Mehrheit angenommen wurde. In der Diskussion hatte sich auch Franziska Möllers, Präsidentin des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden (BPhD), für die bestehende Struktur ausgesprochen. Da nicht jeder Bachelor-Absolvent einen Master-Studienplatz erhalte, verstärke das Bachelor-Master-Konzept den Apothekermangel. In der Diskussion wurde jedoch der große Unterschied zwischen verschiedenen Bachelor-Studiengängen deutlich. Während ein solches Studium in der EU sechs Semester dauern soll, wird in vielen anderen Ländern acht oder mehr Semester studiert. Daher müssten die Abschlüsse von Flüchtlingen individuell geprüft werden und deren Bachelor-Abschlüsse seien nicht zwangsläufig mit den deutschen Anforderungen unvereinbar. Wegen dieser großen Vielfalt sei der Bachelor-Begriff nicht pauschal zu bewerten.

Fotos: DAZ/A. Schelbert)

Franziska Möllers, Präsidentin des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden (BPhD), trat in der Diskussion gegen Bachelor-Master-Studiengänge und für die bestehende Struktur der Ausbildung ein.

In einem Adhoc-Antrag sprach sich die Hauptversammlung dafür aus, den BPhD noch stärker zu fördern und organisatorisch zu unterstützen. Der Antrag für eigenständige Professuren in Klinischer Pharmazie wurde ohne Diskussion angenommen, aber über die Finanzierung der PTA-Ausbildung wurde ausgiebig diskutiert. Den Hintergrund bildeten die Entscheidungen der Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Hessen sich aus dieser Finanzierung zurückzuziehen. Daher wurde die Solidarität der Kollegen in anderen Bundesländern gefordert, zumal ein Domino-Effekt auf andere Länder verhindert werden soll. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärte jedoch, der Apothekertagsantrag könne nur eine Solidaritätsadresse sein, weil die ABDA nicht in jedem Bundesland eine eigene Strategie verfolgen könne. Die Aufgabe müsse von den Landesorganisationen erfüllt werden. Daraufhin wurde der Antrag an den Gesetzgeber, auch künftig für eine ausreichende Zahl an PTA zu sorgen, ohne Gegenstimme angenommen. Eine Verknüpfung der landesrechtlich geregelten Finanzierung mit dem bundesrechtlich geregelten Zugang zum PTA-Beruf erwies sich in der weiteren Diskussion als nicht zielführend.

Nochmals G-BA

Nachdem Anträge auf Mitgliedschaft der Apotheker im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in früheren Jahren beim Apothekertag abgelehnt worden waren, stand diesmal die Gründung eines pharmazeutischen Beirats auf der Tagesordnung. Dazu verwies die Delegierte Dr. Kerstin Kemmritz auf Gespräche mit Apothekern im G-BA, nach denen mehr Stellungnahmen der ABDA für ihre Arbeit hilfreicher wären als ein zusätzlicher Beirat. Schmidt entgegnete, zu vielen klinischen Fragen hätten die Apotheker keine kompetente Organisation, die eine Stellungnahme erarbeiten könnte, doch sollten die Apotheker im G-BA der ABDA mitteilen, zu welchen Themen sie Stellungnahmen vermissen. Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, beklagte insbesondere die geringe Berücksichtigung pharmazeutisch-technologischer Aspekte im G-BA, doch liege dies nicht an der Fachkompetenz, ­sondern am politischen Willen. Dr. Günther Hanke, Präsident der Apothekerkammer Baden-Württemberg, argumentierte, einen Vertreter der ­Apotheker im Unterausschuss Qualitätssicherung zu platzieren, passe besser in die bestehenden Strukturen, als einen neuen Beirat zu etablieren. Angesichts dieser komplexen Situation wurde der Antrag in einen Ausschuss verwiesen.

Klare Honorarforderung

Im Antragskapitel „Wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ erteilte die Hauptversammlung der ABDA ein überzeugendes Mandat für ihre Honorarforderungen und verabschiedete den Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands zur leistungsgerechten Honorierung als Teil eines Leit­antrags einstimmig. Der Antrag entspricht praktisch den Honorarforderungen des Vorjahres. Die Hauptforderungen sind die jährliche Überprüfung des Festzuschlags in Verbindung mit der Entwicklung einer Methodik, die „die wirtschaftliche Entwicklung und Teilhabe an der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung ermöglicht“. Dazu kommen die Forderungen nach einer erhöhten Gebühr für dokumentationspflichtige Arzneimittel, nach dem Festzuschlag auch für verschreibungspflichtige Rezepturen und nach der Erhöhung des Nachtdienstfonds auf die zugesagten 120 Millionen Euro.

Neues zum Hintergrund

Der nach innen, also an die ABDA selbst gerichtete Antrag, die Grundlagen für eine Anpassung des Festzuschlags zu ermitteln, löste eine Grundsatzdebatte aus. Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, forderte, die Leistungen der Apotheker „zu definieren, ohne sie zu filetieren“, und auch Rainer Bienfait, Vorsitzender des Berliner Apothekerverbandes, warnte vor dem Versuch, Arbeitsschritte sekundengenau zu erfassen. Schmidt wandte sich dagegen, den bisherigen Zuschlag nachträglich begründen zu wollen, zeigte sich aber offen, eine rationale Systematik für die Fortentwicklung zu suchen. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, erklärte, die bestehende Systematik, Rohertragssteigerungen vollständig gegenzurechnen, lege die Apotheken für alle Zeiten auf das Niveau von 2004 fest – das ­gäbe es sonst nirgendwo. Derzeit würde das Honorar nach diesem Mechanismus sogar sinken. Dieser ergäbe immer wieder ein „rauf und runter“ und ende letztlich tiefer, mahnte Becker. Dazu berichtete Becker aus Gesprächen mit der Politik und den Krankenkassen, denen zufolge die Apotheker in ein Budget hineingedrängt werden sollten. Der Apothekenaufschlag pro Packung ergäbe sich dann aus einer Division des Budgets durch die Zahl der Packungen. Das wäre das Ende der Arzneimittelpreisverordnung für die GKV. Damit unterstrich Becker die Forderung nach einer leistungsgerechten Methodik für die Anpassung des Festzuschlags. Schmidt bekräftigte, dass dies die wichtigste Forderung der Apotheker sei, danach folge der Rechtsanspruch auf regelmäßige Anpassung. Schmidt betonte, die Forderung nach einem leistungsgerechten Honorar gehöre zum Kern der Verbandsarbeit und sei nicht abzubedingen. Er berichtete, für die Entwicklung der Anpassungsmethodik habe das zuständige Ministerium ein Forschungsvorhaben ausgeschrieben, das auf zwei Jahre angelegt sei. Einerseits sei diese Verzögerungstaktik nicht hinnehmbar, andererseits müssten sich die Apotheker auf den Umgang mit möglichen Ergebnissen vorbereiten. Der Antrag, eine Verhandlungsbasis zu diesem Thema zu entwickeln, kam allerdings nicht zur Abstimmung.

Details zu Honoraren

Der Hauptversammlung lagen mehrere Anträge zu speziellen Aspekten der Honorierung vor. ABDA-Justiziar Lutz Tisch erklärte, diese Anträge könnten die ABDA gegenüber dem Leitantrag einengen. Sie wurden daher in einen Ausschuss verwiesen. Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft und Soziales, argumentierte gegen ­einen Inflationsausgleich, ein Zuschlag sollte möglichst nicht an einem einzelnen Parameter festgemacht werden und ein Inflationsausgleich funktioniere bei sehr niedrigen und sehr hohen Preissteigerungen nicht.

Klare Zustimmung gab es für die Anträge, die Umsetzung der Arzneimittelverschreibungsverordnung sicherzustellen, Formfehler auf Rezepten nachträglich heilbar zu machen, ­Nullretaxationen bei Formfehlern zu beenden und von Retaxationen im Zusammenhang mit der Arzneimittel­verschreibungsverordnung und des Bundesmantelvertrags der Ärzte abzusehen. Die teilweise einstimmigen Voten unterstreichen die große Bedeutung der Retaxationen. Außerdem wurde ein Adhoc-Antrag angenommen, einen Katalog mit Maßnahmen zu erarbeiten, die den Forderungen der Apotheker Nachdruck verleihen können. Über einen Antrag zur tariflichen Entlohnung von Fachapothekern wurde nicht abgestimmt. Hierzu wurde argumentiert, dies sei nur ein Thema für die Tarifpartner.

Versorgungsprobleme

Zu dem Antrag, Maßstäbe für die flächendeckende pharmazeutische Versorgung zu entwickeln, erklärte Schmidt, dies treffe auf eine bereits laufende Initiative der ABDA. Doch müsse zunächst die Ist-Situation analysiert werden. Dafür und für die späteren Konsequenzen sei die Hilfe der Länderorganisationen nötig. Nachdem geklärt wurde, dass die Umsetzung auf Länderebene liegen würde und kein Sicherstellungsauftrag nach dem Vorbild der kassenärztlichen Vereinigung angestrebt wird, wurde der Antrag angenommen. Außerdem forderte die Hauptversammlung den Gesetzgeber auf, das apothekenrechtliche Regelwerk zu bewahren, das eine flächendeckende Versorgung gewährleistet, und den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Den Antrag, die Guidelines zur Good Distribution Practice (GDP) auf den Versandhandel zu übertragen, lehnte die Hauptversammlung ab. Dagegen wurde insbesondere argumentiert, dies mache den Versand besser und werde daher die Akzeptanz erhöhen.

Den Antrag, eine verbindliche Liste für Lieferengpässe zu schaffen, verwies die Hauptversammlung in einen Ausschuss, wie bereits einen ähnlichen Antrag im vorigen Jahr. Bienfait warnte, eine offizielle Liste könnte zum Anlass für Retaxationen genommen werden. Abgelehnt wurde ein Adhoc-Antrag zur Änderung des rechtlichen Rahmens für die Substitutionsausschlussliste.

Problemfeld Hilfsmittel

Große Einigkeit zeigte die Hauptversammlung in der Bewertung der Hilfsmittelversorgung. Bienfait beklagte, die Krankenkassen würden sich dort immer mehr vom Sachleistungsprinzip verabschieden. Die Hauptversammlung forderte daher den Gesetzgeber auf, in der Hilfsmittelversorgung aufzahlungsfreie Leistungen zu ermöglichen, Ausschreibungen zu verbieten, die Gültigkeit von Hilfsmittelverordnungen auf einen Monat zu vereinheitlichen und dies auf dem Vordruck des Verordnungsblattes zu vermerken. Bienfait kritisierte zudem die Anforderungen an die Präqualifizierung. Einfache Produkte wie Pen-Nadeln sollten anders als elektrische Rollstühle behandelt werden. Becker erklärte dazu, die Apotheker hätten jetzt erstmals in der Politik ein offenes Ohr zu diesen Fragen gefunden und mit dem Pflegestärkungsgesetz biete sich eine Gelegenheit für Änderungen. Die Hauptversammlung verschiedete daraufhin den Antrag, Apotheken sollten für bestimmte Hilfsmittelgruppen automatisch präqualifiziert werden. Auf Anregung von Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, wurde der Antrag um die Forderung ergänzt, bestehende Präqualifizierungen sollten bei der Übergabe von Apotheken erhalten bleiben, sofern die erforderlichen Qualifikationen weiterhin vorhanden sind. Denn Groeneveld beklagte, dass bei der Übergabe von Apotheken die Hilfsmittelversorgung nicht mehr stattfinden könne, bis eine neue Präqualifizierung erfolge.

Sicheres IT-Netz für Apotheken

Der Geschäftsführende ABDA-Vorstand brachte die Thematik eines sicheren IT-Netzes für Apotheken ein. Es solle eine vertrauenswürdige elek­tronische Kommunikation untereinander und mit Partnern wie Arztpraxen, medizinischen Einrichtungen, Krankenhäusern, Rechenzentren und KVen geschaffen werden. Dies sei unbedingt notwendig, so Becker. Denn Medikationsanalyse und -management basieren auf dem Zusammenführen von sensiblen Informationen aus verschiedenen Datenquellen. Das IT-Netzwerk für Apotheken soll kompatibel sein mit dem KV-SafeNet, und mindestens gleich sicher. In der Diskussion wurde deutlich, dass es noch wenige konkrete Vorstellungen gibt. Claudia Korf, Leiterin des Geschäftsbereichs Wirtschaft, Soziales und Verträge bei der ABDA, betonte, dass dieser Antrag eine Absichtserklärung sei. Wie das IT-Netz im Detail ausgestaltet werden wird, das werde erst die Zukunft zeigen. Sicher sei, dass die ABDA nicht der Betreiber sein wird, dazu werden entsprechende Partner ausgewählt, so Korf. Sicher sei auch, dass es keine Konkurrenz zur gematik sein soll. Die gematik müsse Regeln für die Gesamt­infrastruktur festlegen, ein IT-Netz, das auf apothekenspezifische Bedürfnisse ausgelegt ist, solle ergänzende Module anbieten. Die Frage nach den Kosten konnte nicht konkret beantwortet werden: „Es wird den Preis wert sein.“ Der Antrag wurde angenommen.

Gegen die Trivialisierung der OTC-Arzneimitel

Der Antrag der Apothekerkammer Berlin, mit dem der Gesetzgeber aufgefordert werden soll, Cash-Back-Gutscheine und On-Pack-Promotions für OTC-Arzneimittel zu verbieten, kam vielen Teilnehmern bekannt vor: Schon in den Jahren zuvor wurde der gleiche Antrag eingebracht, diskutiert – und abgelehnt. Marketing-Instrumente wie On-Pack-Promotions, bei denen Produktmustern oder Beigaben dem Arzneimittel beigefügt werden, sollen Kaufanreize setzen. Dies unterminiere den heilberuflichen Auftrag von Apothekern und leiste der Trivialisierung von Arzneimitteln Vorschub. In der Diskussion wurde auch an die Eigenverantwortung jedes einzelnen Kollegen appelliert, denn jeder Apotheker und jede Apothekerin entscheidet selber, ob Platz für so ein rufschädigendes „Steinzeitmarketing der Industrie“ geschaffen wird oder nicht. Ein steuerndes Eingreifen über die Berufsordnung, das von einigen Delegierten gefordert wurde, sei nur schwer möglich, da die Berufsordnung nicht den Wettbewerb einschränken darf. Der DAV-Vorsitzende Becker sprach sich für diesen Antrag aus, da er ein Zeichen der Industrie und der Politik gegenüber setze, dass die Apotheker die Produkte der Selbstmedikation ernst nehmen und diese nicht bagatellisieren. Der Antrag wurde angenommen.

Für mehr pharmazeutische ­Bedenken

Mehr Auswahl bei pharmazeutischen Bedenken forderten Dr. Kerstin Kemmritz und Kollegen in ihrem Antrag. Die Austauschbarkeit des verordneten Arzneimittels in besonderen und zu begründenden Fällen sei bisher auf das verordnete sowie eines der drei preisgünstigsten Medikamente beschränkt. Wünschenswert sei es, die begründete Auswahl auf weitere Arzneimittel auszudehnen, ohne dass die Verordnung geändert werden muss. Die Antragsteller versuchten darzustellen, dass es ihr Ziel sei, den Spielraum für pharmazeutische Bedenken zu erweitern und für mehr Rechtssicherheit und Schutz vor Retaxierung zu sorgen. In der Diskussion wurde aber überraschenderweise deutlich, dass die Meinungen darüber, wann wie ausgetauscht werden darf bzw. muss, sehr weit auseinander gehen. Der Antrag wurde in einen Ausschuss verwiesen.

Dürfen Apotheker Rezepte „heilen?“

Um die Frage, ob Apotheker auf dem Verordnungsblatt Ergänzungen bzw. Änderungen vornehmen dürfen, ging es in einem Antrag von Dr. Kerstin Kemmritz und Kollegen. Es solle damit ein klares Signal für den selbstständigen, unabhängigen Heilberufler Apotheker gesetzt werden, so die Antragsteller. Denn es könne nicht sein, dass man auf Augenhöhe mit Ärzten im Rahmen des Medikationsmanagements kommunizieren möchte und dann mit großem Aufwand ein Komma oder andere Formalien ändern lassen muss, damit ein „ordnungsgemäß ausgestelltes Verordnungsblatt“ vorliegt. Bis auf wenige Ausnahmen ist es bisher untersagt, derartige Fehler nach Rücksprache mit der Arztpraxis zu korrigieren und dies durch eigene Unterschrift zu bestätigen. Selbst simpelste Änderungen müssen über den Umweg ärztliche Praxis vom Arzt auf dem Rezept gegengezeichnet werden. Die Gremien der Selbstverwaltung bzw. der Gesetzgeber sollten davon überzeugt werden, dieses Prinzip umzukehren: Es seien die wenigen Fälle zu beschreiben, in denen eine Rücksprache und Unterschrift des Apothekers nicht ausreichend sind. Auch wenn in der Diskussion auch Ängste ausgesprochen wurden, dass man von den Ärzten „als Sekretärin missbraucht“ werden könnte, so wurde der Antrag doch angenommen.

Was passiert „im Ausschuss“?

Immer wieder werden Anträge vom Apothekertag „in den Ausschuss verwiesen“. Das bedeutet, dass nicht darüber abgestimmt wird, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wird, sondern dass „der Ausschuss“ ihn weiter berät und bearbeitet. Böse Zungen behaupten, der Verweis in den Ausschuss sei eine elegante Art, ein Thema „zu beerdigen“. Vielleicht auch deshalb gab es in diesem Jahr einen Antrag, zumindest etwas Transparenz in das weitere „Schicksal“ der in den Ausschuss verwiesenen Anträge zu bringen. Im Zuge der Diskussion dieses Ansinnens schilderte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, wie das heutige Prozedere aussieht: Direkt nach dem Apothekertag wird in der Fachpresse dokumentiert, welche Anträge behandelt wurden und welche Entscheidung die Hauptversammlung getroffen hat, also ob der Antrag angenommen, abgelehnt, zurückgezogen oder in den Ausschuss verwiesen wurde. Sie finden diese Dokumentation in dieser DAZ ab Seite 92.

„In den Ausschuss verwiesen“ heißt im Regelfall nicht, dass ein spezieller Ausschuss gebildet wird, sondern dass sich ein bereits bestehendes Gremium des Themas annimmt, beispielsweise der Geschäftsführende Vorstand der Bundesapothekerkammer. Dieses Gremium kann dann durchaus eine Arbeitsgruppe gründen – oder es berät den Antrag selbst. Welches Gremium den Antrag berät, beschließt der Geschäftsführende ABDA-Vorstand nach dem Apothekertag und teilt dies der ABDA-Mitgliederversammlung, die gegen Jahresende stattfindet, mit. Vor der ABDA-Mitgliederversammlung im Juni wird ein Bericht verschickt, in dem die Mitgliedsorganisationen über die bisherige Arbeit an den Anträgen des Apothekertags informiert werden. Dabei wird auch über die Umsetzung der vom Apothekertag beschlossenen Anträge berichtet. Die ABDA-Mitgliederversammlung beschließt dann, was mit den Anträgen bzw. ihren Ergebnissen passieren soll.

Schluss mit der Importregelung

Der Leitantrag L4 befasste sich mit der Importregelung. Der Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber wird aufgefordert, die Verpflichtung der Apotheken zur Abgabe von importierten Arzneimitteln nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ersatzlos zu streichen. Über Importkanäle werden zunehmend Arzneimittelfälschungen in den deutschen Markt eingeschleust. Diese schaffen ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Arzneimittelversorgung, und das Vertrauen in den Vertriebsweg Apotheke wird erschüttert. Zudem sei das ursprüngliche Motiv für die Importquote, Einsparpotenziale zu schaffen, entfallen, wie auch die Krankenkassen einräumen. Der Antrag wurde angenommen.

Gesundheitsversorgung in einem gemeinsamen Europa

Der Geschäftsführende Vorstand der ABDA stellte den Antrag, den Appell an die Bundesregierung und die Europäische Kommission aus dem Jahr 2014 zu bekräftigen, dafür zu sorgen, dass die Entscheidungskompetenz der Mitgliedstaaten über die Organisation ihres Gesundheitswesens gewahrt wird. Gewachsene Strukturen und die Zuständigkeiten in den Mitgliedstaaten sollten berücksichtigt werden. Insbesondere müssen die Eckpfeiler der Freiberuflichkeit gestärkt werden, denn sie sei ein Wert, der geschützt werden muss, so die Antragsteller, und dafür müssen alle Kräfte gebündelt werden. Der Antrag wurde angenommen. Ebenso wie ein Antrag der Apothekerkammer Berlin, in dem Bundesregierung, Europäischer Rat und EU-Parlament aufgefordert werden, dafür zu sorgen, dass alle zurzeit verhandelten und zukünftigen Freihandelsabkommen, die Auswirkungen auf die Organisation der Gesundheitssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten entfalten, „juristisch klar und ohne Ausnahme als gemischte Abkommen abgeschlossen werden“. Im Gegensatz zu einem reinen EU-Abkommen sind dann sämtliche Mitgliedstaaten durch ein nationales Ratifikationsverfahren beteiligt.

Antibiotika in den Ausschuss

Auf Initiative von Bayerischer Landesapothekerkammer und Apothekerverband wurde das Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen diskutiert. Gefordert wurde eine europaweite Verschreibungspflicht für alle verfügbaren Antibiotika. In der Diskussion wurde deutlich, dass der Antrag zwar in die richtige Richtung gehe, aber die Thematik zu vielschichtig sei, da auch das Verschreibungsverhalten der Ärzte sowie der Antibiotikaeinsatz in der Tiermast eine große Rolle spielen. Der Antrag wurde in einen Ausschuss verwiesen, damit Ideen entwickelt werden, mit denen man unterstützend an das Bundesgesundheitsministerium und an das Landwirtschaftsministerium herantreten kann.

Wo sind sie geblieben?

Unter dem Punkt: „Berufsständische Organisation“ wurden nur zwei Anträge gestellt. Der Hessische Apothekerverband forderte mehr Transparenz über die in den Ausschuss verwiesenen DAT-Anträge. Dazu sollten alle DAT-Anträge in einer Datenbank mit ihrem Bearbeitungsstand auf den ABDA-Internetseiten transparent dargestellt werden, soweit die Veröffentlichung nicht berufspolitische Ziele beeinträchtigt. Die Antragsteller betonten, dass sie gar keine Online-Diskussion der Inhalte anstreben, gewünscht sei eine einfache Übersicht, die diese Anträge aufführt und Auskunft darüber gibt, in welchem Ausschuss oder Gremium der Antrag sich befindet und wer ihn bearbeitet bzw. wer damit arbeitet. Ziel sei es, das große Engagement der Delegierten und der Apotheker an der Basis auch zwischen den Apothekertagen zu erhalten. Vor allem bei Anträgen, die nicht über eine Mitgliedsorganisation, sondern von einzelnen Delegierten eingebracht werden, sei es mitunter schwierig, diese Informationen zu erhalten, wie die Berliner Delegierte Dr. Kerstin Kemmritz betonte. Dieser Antrag sei nicht ein Ausdruck des Misstrauens, sondern ein praktischer Vorschlag, die Transparenz und Akzeptanz der ­ABDA-Arbeit zu verbessern: „Wir alle sind ABDA“. Dagegen äußerte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt grundsätzliche Bedenken gegen diesen Vorschlag: Die Information der Delegierten sei Aufgabe der sie entsendenden Mitgliedsorganisationen. Die ABDA arbeite für die Mitgliedsorganisationen, die Mitgliedsorganisationen wiederum arbeiteten für ihre Mitglieder. Deshalb sei es richtig, dass das Informationsmonopol bei den Mitgliedsorganisationen liege. Die hessische Forderung stelle das heutige System auf den Kopf. Mit einer denkbar knappen Mehrheit von drei Stimmen wurde der Antrag abgelehnt.

Der letzte Antrag forderte, die Strukturen der ABDA-Geschäftsstelle in ­einem ersten Schritt dadurch transparent zu machen, dass das Organigramm der Geschäftsstelle auf der ­ABDA-Website veröffentlicht wird. Da solch ein Organigramm in der Zwischenzeit erstellt wurde und in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll, zogen die Antragsteller den Antrag zurück. |


Ehrennadel der Deutschen Apotheker

Im Rahmen des Deutschen Apothekertags in Düsseldorf wurde die Ehrennadel der Deutschen Apotheker an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Apotheker- und Ärztebank Herbert Pfennig verliehen. Ausführlicher lesen Sie dazu unter „Personen“ auf S. 152 in dieser Ausgabe.

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