Die Seite 3

Richtige Entscheidungen

Peter Ditzel, Herausgeber der DAZ

25 Jahre Deutsche Einheit – da werden Erinnerungen wach an eine der spannendsten Zeiten, die viele von uns nicht nur miterleben durften, sondern aktiv mitgestaltet haben.

Ich werde es nicht vergessen, wie ich zum ersten Mal – wenige Wochen nach dem Mauerfall – die Grenze bei Eisenach passiere und ins Zentrum der Lutherstadt fahre. Ich parke mein Auto in der Nähe des Marktplatzes, um nach einer Apotheke zu suchen. Es ist ein grauer, diesiger Januartag, viele Baulücken in der Vorstadt, der Geruch von verfeuerter Kohle liegt in der Luft – er erinnert mich an meine Kindheit, als ich auf Bahnhöfen die schweren fauchenden Dampflokomotiven beobachtet habe. Ich komme mir vor wie auf einer Reise in die Vergangenheit. Dann, rnnnt, tnn tnn tnnn – ab und zu kurvt ein Trabi um die Ecke und zieht blaue Wölkchen hinter sich her.

Aufgeregt gehe ich in eine Apotheke im Stadtzentrum – auch hier: Zeitreise. Wenig Beleuchtung, dunkles Mobiliar, wartende Kunden. Als ich mich vorstelle und sage, ich komme von der DAZ aus dem Westen und wolle über Apotheken in der DDR berichten, schaut sich die Apothekerin ängstlich um, nimmt mich auf die Seite und bittet mich mit leiser Stimme, ich möge mit nach hinten kommen. In ihrem Büro atmet sie auf: „Bitte verstehen Sie, ich bin noch sehr vorsichtig, weil ich nicht weiß, was man sagen darf und was nicht.“ Als wir ins Gespräch kommen, wird sie offener und berichtet über die Apothekenarbeit, den Mangel: „Man braucht Organisationstalent.“ Am Abend lädt sie mich auf eine Vesper zu sich nach Hause ein. Noch eine Zeitreise. Gemütliches Wohnzimmer, auf dem Sofa Kissen mit Knick, ihr Mann hat das Essen angerichtet. Und dann bricht das Eis. Ich erfahre viel vom Apothekerleben in der DDR – und man hoffe auf eine neue Zeit. Ein gutes Jahr später besuche ich sie wieder – es geht ihr sehr gut, sie hat privatisiert, das Warenlager ist voll, zwei Bildschirme stehen auf dem HV, die Apotheke floriert – es hat sich viel verändert in der Apotheke.

Was sich in diesem ersten Jahr nach dem Mauerfall bis zur deutschen Einheit in der Apothekenwelt abspielte – darüber sprachen wir mit Friedemann Schmidt, damals noch Apothekeraspirant am pharmazeutischen Institut in Halle und heute ABDA-Präsident (s. S. 64, „Eine Erfolgs­geschichte“). Schon im September 1990 konnte er die Apotheke, in der er in Leipzig arbeitete, übernehmen und privatisieren. Er erinnert sich noch genau an die berufspolitischen Debatten, welches Apothekensystem man denn wolle: Es gab einige, die mit einem halbstaatlichen System, wie es Schweden damals hatte, liebäugelten. Er jedenfalls war erleichtert, als mit dem „Kulmbacher Papier“ die Entscheidung für die freie inhabergeführte Apotheke gefallen war. „Es war die richtige Entscheidung“, so Schmidt.

Dann kam die Zeit der Privatisierungen, des Wettbewerbs, des Ostabschlags, der Aufbauarbeit. „Ein Gefühl, dass wir vom Westen überrollt worden sind“, so Schmidt in unserem Gespräch, „hatte ich nicht.“ Als Ost-Apotheker habe man wenig Erfahrung mit dem Wettbewerb, mit moderner Apothekenführung gehabt. Vieles sei Glückssache gewesen, aber man erfuhr viel Unterstützung durch Kollegen, Großhandel und andere.

Grund zu feiern: Unterm Strich war der Weg zur deutschen Einheit, auch der in der Apothekenwelt, eine Erfolgs­geschichte. 25 Jahre danach warten auf die Apothekerinnen und Apotheker in allen Bundesländern neue Herausforderungen, Stichworte sind z. B. Honorar­anpassungen, das Perspektivpapier und Auswirkungen von eHealth. Wir hoffen auf ­einen konstruktiven Apothekertag in Düsseldorf!

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