DAZ aktuell

Kommt die Dokumentationspflicht?

Gespräche über Beratung zur „Pille danach“ in Apotheken angelaufen

BERLIN (jz) | Während das formelle Änderungsverfahren zur Freigabe der „Pille danach“ läuft, finden erste Gespräche darüber statt, wie die Beratung in Apotheken künftig aussehen soll. Am 16. Januar traf man sich zum ersten Mal im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Überwiegend halten sich die Beteiligten bedeckt: Die Beratungen zur Anpassung des deutschen Rechts liefen, heißt es im BMG – ein Ergebnis liege noch nicht vor. Auch die ABDA erklärt nur, dass das Gespräch „sehr konstruktiv“ verlaufen sei – über Inhalte und das weitere Vorgehen habe man aber Vertraulichkeit vereinbart. Immerhin der Bundesverband der Frauenärzte (BVF) lässt ein paar Informationen durchblitzen: Im Gespräch ist die Möglichkeit eines standardisierten Dokumentationsbogens.

Bis zum Frühjahr bleibe die „Pille danach“ in Deutschland noch rezeptpflichtig, erklärte der BVF nach dem Gespräch im BMG. Zunächst müssten noch Fragen der Beratung und Dokumentation in der Apotheke geklärt werden. Ob es hierzulande künftig ein ähnliches Modell wie in der Schweiz (siehe auch DAZ 2014, Nr. 49, S. 20) geben wird – wo Frauen mithilfe eines standardisierten Dokumentationsbogens in der Apotheke befragt und beraten werden – „darüber werden die Beratungen in den kommenden Wochen entscheiden“. Der BVF betont, Apotheken träfen „im Prinzip“ dieselben Pflichten der Aufklärung und Dokumentation wie Ärzte – insoweit müssten sie sich auch denselben Standards unterwerfen, was Fragen zur Einnahmenotwendigkeit, zur (Un-)Wirksamkeit, zum Ausschluss von Gegenanzeigen und zur Aufklärung über Nebenwirkungen und zur notwendigen Verhütung im weiteren Verlauf des Zyklus angehe. Wenn sich eine Frau nicht hinreichend beraten fühle und ungewollt schwanger werde, „wird es dem Apotheker helfen, wenn er die Befragung und die Aufklärung dokumentiert hat“.

KBV für verbindliche Beratungsstandards

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert verbindliche Vorgaben für die nicht durch einen Arzt vorgenommene Beratung. Dies betont sie in ihrer Stellungnahme zum Verordnungsentwurf zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), die das BMG am 14. Januar mit eintägiger Stellungnahmefrist an 40 Verbände und Organisationen verschickt hat, um die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ möglichst rasch aufzuheben. Solche Vorgaben seien auch vor dem Hintergrund der noch nicht abschätzbaren Marketingstrate­gien und kommerziellen Werbung zu frei erhältlichen Notfallkontrazeptiva wichtig, erklärte KBV-Vorstand Regina Feldmann. Vorbild könnte die Schweiz sein, wo eine aufwendige Beratung einschließlich standardisierter Erhebung der Anamnese, deren Interpretation und ggf. Vermittlung zu einem Frauenarzt zwingend vorgeschrieben sei.

BAK-Präsident gegen Dokumentationspflicht

Die Standesvertretung der Apotheker äußerte sich in ihrer Stellungnahme scheinbar nicht zu dieser Frage. Die ABDA habe sich darin für eine Regelung ausgesprochen, „mit der man sicherstellen kann, dass die Apotheken rechtzeitig über alle relevanten Daten informiert werden können“, teilte eine Sprecherin mit. Schließlich dauert das Einpflegen in die Datenbank seine Zeit: Es solle dafür Sorge getragen werden, dass die anstehende Änderung zum 1. oder 15. eines Monats in Kraft trete und der Zeitpunkt des Inkrafttretens mindestens vier Wochen vorher verbindlich feststehe. Zur Dokumentationspflicht äußerte sich der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) dann bei seiner Eröffnungsrede des Pharmacon im österreichischen Schladming (siehe auch S. 14). Die vielfach ­angemahnte Sicherstellung der Beratung sei für die Apotheker eine Selbstverständlichkeit, erklärte Dr. Andreas Kiefer. Für eine Pflicht zur Dokumentation dieser Beratung sieht er aus pharmazeutischer Sicht keine Notwendigkeit: „Dafür brauchen wir mit Sicherheit keine Dokumentation!“ Gegenüber der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stellte Kiefer zudem klar, dass die „Pille danach“-Beratung in Apotheken grundsätzlich kein Problem sei: „Wir beraten schon immer über eine große Zahl von Medikamenten. Das ist für die Apotheker nichts Neues.“

Weiteres Prozedere

Nunmehr wertet man im BMG die Stellungnahmen zum Verordnungsänderungsentwurf aus. Dieser sieht vor, dass Levonorgestrel-haltige Notfallkontrazeptiva in einer Konzentration bis zu 1,5 mg Wirkstoff je einzelner Tablette und ellaOne® (Ulipristalacetat) von der Verschreibungspflicht ausgenommen sind. Für ellaOne® soll die Freigabe bis zum 7. Januar 2016 produktbezogen gelten – erst danach soll der Wirkstoff Ulipristalacetat in einer Konzentration bis zu 30 mg Wirkstoff zur Notfallkontrazeption verschreibungsfrei sein. Der fertige Entwurf geht dann mit einer Fristverkürzung in die Ressortabstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Dann bedarf die Verordnung noch der Zustimmung des Bundesrats. Letztere könnte voraussichtlich in dessen übernächster Sitzung am 6. März erfolgen. Inkrafttreten wird die geänderte AMVV dann am Tag nach ihrer Verkündung.

Noch nicht ohne Rezept

Die meisten Apotheken sehen sich nicht veranlasst, ellaOne® (Ulipristal­acetat) schon ohne Rezept abzugeben. DAZ.online hatte vergangene Woche angesichts der unklaren Rechtslage rund um das von der EU-Kommission aus der Rezeptpflicht entlassene Notfallkontrazeptivum eine Umfrage gestartet. Wir wollten wissen, wie Sie reagieren würden, wenn heute eine Kundin die „Pille danach“ ohne Rezept verlangt. Drei Viertel der Teilnehmer gaben an, sie würden nach wie vor ein Rezept sehen wollen: 75 Prozent der 462 Umfrage-Teilnehmer antworteten: „Es gilt die Arzneimittelverschreibungsverordnung. Solange diese nicht geändert ist, würde ich die Kundin darauf hinweisen, dass sie zunächst einen Arzt aufsuchen muss und anschließend gerne mit einem Rezept wiederkommen kann.“

Elf Prozent (49 Stimmen) stehen auf dem Standpunkt, dass sie schon jetzt dem Wunsch der Kundin entsprechen und sie entsprechend beraten würden. Für sie ist der Beschluss der EU-Kommission maßgeblich. Sieben Prozent (34 Stimmen) sagten, sie wollten ein Informationsschreiben des Herstellers HRA Pharma abwarten und ­ellaOne® dann rezeptfrei abgeben. Fünf Prozent (24 Stimmen) wählten die Antwort: „Das würde mich in eine sehr schwierige Situation bringen. Ich fühle mich nicht ausreichend vorbereitet für eine qualifizierte Beratung.“ Und ein Prozent (sechs Stimmen) gibt die „Pille danach“ aus ethisch/moralischen Gründen grundsätzlich nicht ab.

Labeltreue ellaOne®-Abgabe empfohlen

Ob ellaOne® dann doch früher als LNG-Präparate zu haben sein wird, ist nach wie vor nicht ganz klar. Dafür ist man sich inzwischen einig, dass ella­One® zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzugeben ist. Der Hersteller HRA Pharma verzichtet auf seine mit dem Regierungspräsidium erarbeitete Übergangslösung, die seinen Angaben zufolge auch den rezeptfreien Verkauf der verschreibungspflichtigen Packungen ermöglicht hätte. Das Unternehmen ist bereit zu warten bis die neuen OTC-Beipackzettel in den neuen ellaOne®-Packungen verstaut sind und die Datenbanken mit den neuen Angaben bestückt sind. Das dürfte frühestens Mitte Februar der Fall sein. Bis zur endgültigen Klärung und Kommunikation der Sachlage empfiehlt HRA-Deutschland-Geschäftsführer Klaus Czort Apotheken die ­„labelgetreue Abgabe“. |

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