Arzneimittel und Therapie

120 mmHg Blutdruck für alle?

Studie stellt die derzeit gültigen Zielwerte infrage

bk | Im Rahmen der SPRINT-Studie wird seit Oktober 2010 untersucht, ob eine strengere Blutdrucksenkung dem derzeit geltenden Zielwert von 140 mmHg überlegen ist. Eine Zwischenauswertung ergab nun so eindeutig die Überlegenheit eines niedrigeren Zielwerts, dass die Studie vorzeitig abgebrochen wurde. Auch eine Änderung der Leitlinien ist bereits im Gespräch. Die Daten der Studie sind allerdings noch nicht veröffentlicht.

Die SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial) sollte bis Ende des Jahres 2018 laufen. Sie schloss 9250 Patienten im Alter von über 50 Jahren und einem systolischen Blutdruck über 130 mmHg ein. Auch Risikogruppen wie Patienten mit klinisch manifesten kardiovaskulären Erkrankungen oder einer eingeschränkten Nierenfunktion nahmen teil.

Die Studie verglich den Blutdruck-Zielwert von 140 mmHg – wie ihn die aktuellen US-amerikanischen und europäischen Leitlinien empfehlen – mit einer intensiveren Senkung auf 120 mmHg.

Kombinierter primärer Endpunkt der Studie war das Eintreten eines Myokardinfarkts, eines akuten Koronarsyndroms, von Herzversagen oder Tod aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem die Gesamtmortalität, Einschränkungen der Nierenfunktion oder Demenz. Für die antihypertensive Therapie waren alle Standard-Wirkstoffklassen zugelassen.

Wie das National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI), der Haupt­sponsor der Studie, Ende letzter Woche meldete, konnte eine Zwischenauswertung bereits jetzt die klare Überlegenheit der strengeren Blutdruckeinstellung feststellen: Kardiovaskuläre Ereignisse waren für den Zielwert 120 mmHg gegenüber dem von 140 mmHg um ein Drittel, die Gesamtmortalität um 25 Prozent gesenkt.

Obwohl noch keine detaillierteren Daten der Studie bekannt sind, hat sie bereits jetzt eindeutige Reaktionen hervorgerufen. „Diese Studie hält potenziell lebensrettende Ergebnisse bereit“, so Gary H. Gibbons, Direktor des NHLBI. Dr. Mark Creager, Präsident der American Heart Association (AHA), sprach von „herausragenden Neuigkeiten.“ Und kurz nach Veröffentlichung der Zwischenergebnisse kündigte die ACC/AHA Taskforce on Practice Guidelines bereits ein Revisionsverfahren an, das die Leitlinien zur antihypertensiven Therapie überprüfen soll.

Eine genauere Analyse der Studienergebnisse erscheint jedoch notwendig. Bislang war eine zu intensive Blutdrucksenkung, gerade bei älteren Personen, als kritisch betrachtet worden. Zudem erhielten die Patienten in der Kontrollgruppe im Mittel zwei, bei der strengen Einstellung drei antihypertensive Wirkstoffe. Diese Polymedikation könnte zusätzliche Probleme mit sich bringen. So wären die Nebenwirkungen, die mit der strengeren Blutdruckeinstellung verbunden waren, wichtig für eine endgültige Bewertung der Studienergebnisse. Diese Informationen werden wohl erst Ende des Jahres zur Verfügung stehen. Dann wollen die Studienautoren ihre Daten veröffentlichen. |

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