DAZ aktuell

Wird B-Victoria zum Problem?

Grippeimpfstoff-„Mismatch“ für die kommende Influenzasaison befürchtet

BERLIN (jz) | In der vergangenen Saison wirkte der Grippeimpfstoff in Deutschland nur eingeschränkt – das könnte sich in diesem Jahr wiederholen: In Australien, wo derzeit Winter ist, fällt die aktuelle Grippewelle besonders heftig aus. Man hatte sich bei der Impfung dort auf die üblichen Influenza-A-Stämme und ein weiteres Virus-Familienmitglied, den Influenza-B-Erreger Yamagata, eingestellt. Yamagata kam jedoch in Begleitung des Schwesterstamms B-Victoria, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtet – mit der Folge, dass der Impfstoff kaum wirkt. Ein solcher „Mismatch“, eine Nichtübereinstimmung, könnte nun Deutschland bevorstehen.

Wie die FAS mit Verweis auf die Fachzeitschrift Eurosurveillance berichtet, ist auch der hiesige Impfstoff nicht auf B-Victoria eingestellt. Daher solle man sich am besten schon jetzt auf ähnliche Schwierigkeiten einstellen. „Man muss aber abwarten, ob B-Victoria bei uns wirklich eine so große Rolle spielen wird“, wird Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), zitiert. Noch seien die Ereignisse in Australien nicht mehr als ein Hinweis darauf, dass der Erreger auch in Deutschland vor der Tür stehen könne.

17 Millionen Impfdosen freigegeben

Das PEI hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 17 Millionen Impfdosen freigegeben. Cichutek verweist darauf, dass sich die Impfstoffe für die neue Saison 2015/16 in zwei der drei Komponenten gegenüber der vorangegangenen Saison unterscheiden. Ausgetauscht worden sei gemäß der WHO-Empfehlung der zum Influenzatyp A gehörende H3N2-Stamm und der Influenzatyp B-Stamm. Die H1N1-Komponente sei seit der Influenzasaison 2010/11 hingegen unverändert. Neben den trivalenten Impfstoffen seien auch zwei tetravalente Impfstoffe zugelassen, die einen zweiten B-Stamm als vierte Komponente enthalten. Eine Übersicht der Influenza-Impfstoffe mit den Angaben zu der zugelassenen Altersgruppe steht auf den PEI-Internetseiten zur Verfügung.

Cichutek erklärt darüber hinaus, dass sich der zirkulierende H3N2-Stamm vor der vergangenen Grippesaison genetisch veränderte, nachdem die Impfstoffproduktion bereits begonnen hatte. Daher habe die H3N2-Impfstoffkomponente nicht optimal gepasst. Nach Daten des Nationalen Referenzzentrums für Influenza sei ausgerechnet dieser abweichende Stamm bei 62 Prozent der Influenzavirusnachweise – und damit am häufigsten – nachgewiesen worden. Die Impfeffektivität gegen eine laborbestätigte Influenza insgesamt habe daher nach Berechnungen des RKI in der Saison 2014/15 nur 27 Prozent betragen – gegenüber 40 bis 60 Prozent in anderen Saisons. |


BZgA und RKI rufen zur Grippeimpfung auf

Angesichts der bevorstehenden Grippesaison rufen das Robert Koch-Institut (RKI) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auch in diesem Jahr zur Grippeimpfung auf:

„Die Impfung ist eine wichtige und sichere Schutzmöglichkeit, auch wenn ihre Wirksamkeit schwanken kann“, betont RKI-Präsident Lothar H. Wieler. Die neu aufgelegte Kampagne „Wir kommen der Grippe zuvor“ soll bestehende Wissens- und Impflücken schließen.

Die WHO fordert für die Risikogruppen eine Grippe-Impfquote von mindestens 75 Prozent. Davon sei Deutschland weit entfernt, konstatiert das RKI unter Verweis auf seinen neuen Influenzasaisonbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza. Er wird jährlich im September – vor Beginn des optimalen Impfzeitraums ­Oktober bis November – veröffentlicht. Danach lag die Influenza-Impfquote bei Personen über 60 Jahren in 2012/13 bei 50 Prozent und in 2013/14 bei 49 Prozent. Bei chronisch Kranken im Alter von 18 bis 59 Jahren waren lediglich 24 bzw. 23 Prozent geimpft. In der Saison 2014/15 gab es den Hochrechnungen zufolge rund 6,2 Millionen grippebedingte Arztbesuche. Etwa 31.000 Patienten kamen ins Krankenhaus. Als Gründe für den Verzicht auf eine Grippe-Impfung wurde am häufigsten Misstrauen in die Impfung sowie die Annahme, dass die Erkrankung nicht gefährlich sei, genannt. Etwa die Hälfte der Risikopersonen (≥ 60 Jahre und/oder chronisch krank) war bei der Umfrage außerdem der Meinung, dass die Influenza-Impfung eine Erkrankung verursachen kann. Das sei aber tatsächlich nicht der Fall, erklärt das RKI. Diese und weitere Wissens- sowie Impflücken soll die gemeinsame Kampagne von BZgA und RKI schließen: In neuem Design richten sich die Informations- und Aufklärungsangebote im Print- und Online-Bereich gezielt an die Risikogruppen einer Grippeinfektion. „Der wichtigste Ansprechpartner bei der Impfaufklärung ist das medizinische Personal“, unterstreicht BZgA-Leiterin Dr. Heidrun Thaiss in der gemeinsamen Mitteilung von BZgA und RKI. Daher habe man im Rahmen einer bundesweiten Aussendeaktion Medienpakete zur Grippeimpfung „an die wichtigsten Multiplikatoren“ verschickt – auch die Apotheken. Sie erhielten, berichtet eine BZgA-Sprecherin gegenüber der DAZ, von der ABDA per Fax eine Liste mit den bestellbaren Materialien. Diese und weitere Informationen rund um die Grippeimpfung stehen außerdem auf www.impfen-info.de/grippe zum Download sowie zur kostenlosen Bestellung bereit.

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