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Aller Anfang ist schwer ...

Flüchtlingswelle konfrontiert Apotheken mit bislang unbekannten Fragen

STUTTGART (jb) | Der große Zustrom an Flüchtlingen wirft Fragen auf, die bislang in vielen Apotheken keine Rolle gespielt haben. Auch wenn die medizinische Versorgung grundsätzlich im Asylbewerber­leistungsgesetz geregelt ist, gibt es ­offensichtlich viele regionale Unterschiede, die die Versorgung erschweren. Derzeit scheint es vor allem Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeit der jeweiligen Kostenträger sowie der Übernahme von Mehrkosten und der Verordnung nicht-rezeptpflichtiger Arzneimittel zu geben.
Foto: thomasschwerdt – Fotolia.com

Flüchtlinge sind willkommen Trotz vieler regulatorischer Unklarheiten wird auch von Apothekern meist schnell und unbürokratisch Hilfe geleistet.

Menschen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind, zum Beispiel während eines laufenden Asylverfahrens, benötigen derzeit in den meisten Bundesländern noch einen Krankenbehandlungsschein, um medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dieser muss durch die zuständige Behörde aus­gestellt werden, die auch über die Notwendigkeit der Behandlung entscheidet. Um das Verfahren zu ent­bürokratisieren und Kosten zu sparen, geben einige Bundesländer ­„normale“ Gesundheitskarten für Flüchtlinge aus (Bremen, Hamburg) oder planen dies zu tun (NRW). In diesen Ländern werden Kranken­kassen als Dienstleister für die zuständigen Kostenträger (Länder oder Kommunen) tätig. Das vereinfacht die ­Abrechnung der Rezepte für alle Leistungserbringer.

Keine Prüfpflicht beim Kostenträger

Auch In Ländern wo dies (noch) nicht der Fall ist, erfolgt die Verordnung von Arzneimitteln auf „normalen“ rosa Rezepten, die über die Rechenzentren abgerechnet werden können. Hier stellte sich aber vielerorts die Frage nach dem Kostenträger. So kann für Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen ein anderer Kostenträger zuständig sein als für die in den regulären Unterkünften, der dann jeweils in das Kostenträger-Feld auf dem Rezept eingetragen sein muss. So ist beispielsweise derzeit in NRW das Regierungspräsidium Arnsberg für die Kostenübernahme der Bewohner in Erstaufnahmeeinrichtungen verantwortlich, später nach Zuweisung an Städte oder Gemeinden sind es die jeweiligen Sozialämter. Je nach Kostenträger können dann auch unterschiedliche Arzneimittellieferträge gültig sein. Ist ein Kostenträger angegeben, sind Apotheken grundsätzlich nicht verpflichtet, dessen Richtigkeit zu überprüfen.

Zuzahlungen und Mehrkosten

Weitere Fragen, die oft auftauchen, sind die nach Zuzahlung, Mehrkosten und der Erstattung apothekenpflichtiger Arzneimittel. Nach den Auskünften mehrerer Landesapothekerverbände sind Menschen, bei denen die jeweilige Erstaufnahmeeinrichtung bzw. das Regierungspräsidium als Kostenträger angegeben ist, von Mehrkosten und Zuzahlungen befreit. Zudem können hier auch ausnahmsweise für Erwachsene apothekenpflichtige Arzneimittel bei Bedarf auf ärztliche Verordnung abgegeben werden. Wichtig ist hierbei, dass das Feld „zuzahlungsfrei“ auf dem Rezept angekreuzt ist. Trägt dann das Sozialamt die Kosten, können die Regelungen anders sein und beispielsweise Mehrkosten anfallen und Nicht-Rezeptpflichtiges von der Erstattung aus­genommen sein.

Eindeutig geregelt sind Hilfsmittelverordnungen: Sie müssen vom Kostenträger genehmigt werden. Zudem empfiehlt der Hessische Apothekerverband, sich bei Rezepten über besonders teure Arzneimittel rückzuversichern, dass die Kosten übernommen werden. Ansonsten gilt für die Anfangszeit: fragen, fragen, fragen. Dinge, die zu klären sein könnten, sind:

  • Welcher Liefervertrag gilt? Das hängt vom Kostenträger ab. Fehlt der, muss auch er erfragt werden.
  • Welche Kosten werden übernommen? (Mehrkosten, apothekenpflichtige Arzneimittel für Erwachsene).

Ansprechpartner sind die jeweiligen Landesapothekerverbände und die zuständigen Behörden und Ämter. Die Tatsache, dass als vorläufige Adresse die Anschrift der jeweiligen Einrichtung (Erstaufnahmestelle oder Unterkunft) angegeben sein soll, müsste bei der Ermittlung der zuständigen Stelle helfen.

Was klappt gut und wo hakt es noch?

Sie haben auch Erfahrungen mit der Versorgung von Flüchtlingen gemacht? Was funktioniert gut, was überhaupt nicht und wo gibt es Aufklärungsbedarf? Und vielleicht gab es ja auch die eine oder andere nette oder lustige Begebenheit. Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen – einfach per E-Mail an daz@deutscher-apotheker-verlag.de.

Vieles wird sich einspielen

Da kein Ende der Flüchtlingsströme abzusehen ist, wird sich Vieles mit der Zeit einspielen, Unklarheiten beseitigt und vermutlich für Einiges einfachere Regelungen getroffen werden, zum Beispiel durch die Einführung von Gesundheitskarten. Bis dahin sollten etwaige Fragen zu Mehrkosten oder Ähnlichem – so ärgerlich sie auch sein mögen – auf keinen Fall der Versorgung von Menschen mit dringend ­benötigten Arzneimitteln im Wege ­stehen. |

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