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Unterrepräsentierte Mehrheit

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband hat sich aufgelöst. Na und, könnte man sagen; warum braucht ein Berufsstand, der zu über 70 Prozent weiblich ist, einen Verband, der sich speziell für die Belange von Frauen einsetzt? Bräuchten nicht vielmehr die wenigen männlichen Apotheker eine eigene Vertretung?

Schaut man sich jedoch die Verbandslandschaft in der Pharmazie und im Apothekenbereich an, sieht man, dass fast alle (noch bestehenden) Verbände fest in männlicher Hand sind. Von den jeweils 17 Landesapothekerkammern und -verbänden haben nur je drei eine Präsidentin. Der Präsident der Bundesapothekerkammer ist männlich, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands: männlich. ABDA-Präsident und -Vize: ebenfalls männlich. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, Verband der pharmazeutischen Hochschullehrer, Verband der Apothekenkooperationen, der Zyto-Apotheker, der Versandapotheken, der pharmazeutischen Großhändler: alle unter männlichem Vorsitz. Sogar beim Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten sind nur zwei der fünf Vorstandsmitglieder weiblich – einen Vorsitz gibt es hier nicht. Allein die Gewerkschaft Adexa ist weiblich dominiert.

Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Apothekerinnen in der Standesvertretung unterrepräsentiert sind. Aus dieser Erkenntnis folgt dann die Frage, ob das denn schlimm ist? Dass der Beruf bei Frauen so beliebt ist, könnte ja ein Zeichen dafür sein, dass hier weibliche Interessen schon sehr weit verwirklicht sind. Der Apothekerberuf bietet eine große Flexibilität, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert (was Frauen immer noch wichtiger zu sein scheint als Männern), Teilzeitarbeit ist in den meisten Apotheken überhaupt kein Problem – und wenn das Gehalt nur das „Zubrot“ zum Verdienst des Mannes ist, ist die Bezahlung auch gar nicht so schlecht.

Genau hier aber wären die Ansatzpunkte für eine „weibliche“ Berufsvertretung: Warum ist unsere Arbeitswelt immer noch so strukturiert, dass wie selbstverständlich die Mutter in Teilzeit arbeitet – und dabei ganz erhebliche Gehaltseinbußen hinnimmt – während Männer gerade nach der Geburt der Kinder karrieremäßig den Turbo einschalten? Warum werden in „Frauenberufen“ (zu denen man den Apothekerberuf inzwischen zählen muss) so niedrige Gehälter akzeptiert? Und warum gelingt es nicht, die große Zahl an intelligenten und in vielen Bereichen so engagierten jungen Kolleginnen für die Berufsvertretung zu interessieren, vielleicht sogar zu begeistern?

Ob es dazu einen speziellen „Apothekerinnen-Verband“ braucht (wie im Artikel „Immer noch nötig!?“ auf S. 18 dieser DAZ gefordert) oder ob die „offiziellen“ Standesorganisationen dafür die bessere Plattform bieten, sei einmal dahingestellt. Dass es aber problematisch ist, wenn die Interessen von 70 Prozent (und in Zukunft wahrscheinlich mehr) der Angehörigen eines Berufsstands strukturell nicht berücksichtigt werden, das dürfte außer Frage stehen.

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