Die Seite 3

Eine große Chance

Julia Borsch, Redakteurin der DAZ

Vergangene Woche hat mir ein Kollege folgende Anekdote erzählt, an die ihn die aktuelle Diskussion um den OTC-Switch von ella­One® erinnert hat: Vor mehr als zehn Jahren habe es eine Um­frage unter Apothekern gegeben, ob man sich vorstellen könne, Diclofenac-Tabletten in der Selbstmedikation abzugeben. Der besagte Kollege konnte sich das vorstellen, ein Teil der befragten Apotheker hingegen äußerte große Bedenken. Heute ist Diclofenac seit mehr als zehn Jahren in niedriger Dosierung rezeptfrei erhältlich, viele der heute Approbierten (ich eingeschlossen) haben es Zeit ihres Berufslebens gar nicht anders erlebt und Diclofenac ist aus der Selbstmedikation kaum mehr wegzudenken.

Die Ankündigung des OTC-Switches von ellaOne® erinnert sehr an diese Geschichte. Da gibt es die Kollegen, die das gutheißen und sich über den Kompetenzgewinn freuen, aber es gibt eben auch die, die aus unterschiedlichsten Gründen große Bedenken äußern. Und das scheinen, zumindest den Kommentaren im ­Internet und in den sozialen Medien nach zu urteilen, nicht nur Einzelne zu sein.

Mal abgesehen von der nicht gerade positiven Außenwirkung, die diese öffentlich sichtbaren, negativen Kommentare haben könnten, lassen sie einen doch ein wenig nachdenklich werden. Einerseits fordern wir mehr Verantwortung in der Arzneimitteltherapie, weniger Bürokratie, mehr Raum für das Pharmazeutische und wollen als Heilberufler sowie als Partner im Gesundheitswesen auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Andererseits hat es den Anschein, dass zumindest ein Teil der Apothekerschaft jetzt im Falle der „Pille danach“ die Verantwortung einer Abgabe ohne ärztliche Verschreibung, was ohne Frage ein Zugewinn an pharmazeutischer Kompetenz wäre, aus verschiedenen Gründen nicht tragen will und besondere gesetzliche Vorgaben und Pflichten bei der Abgabe fordert. (Die Verantwortung wäre übrigens rein rechtlich dieselbe wie bei einer Schachtel Ibuprofen.)

Selbstverständlich darf die „Pille danach“ nicht bagatellisiert werden. Notfallkontrazeptiva sind, ebenso wie Ibuprofen, keine Smarties, sondern Arzneimittel, die einer kompetenten Beratung durch Arzneimittelfachleute bedürfen. Die Entscheidung, ella­One® aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, zeigt aber eindeutig: diese Kompetenz traut man uns Apothekern seitens der Aufsichtsbehörden ohne Wenn und Aber zu. Sollten wir uns das selber dann nicht auch zutrauen?

Wer weiß, aus welchem Anlass wir uns in zehn Jahren an den OTC-Switch der ellaOne® zurückerinnern werden. Ich jedenfalls wünsche mir, dass wir dann sagen können, wir hatten eine Chance, unsere heilberufliche Kompetenz zu stärken und wir haben sie genutzt.

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