Aus den Ländern

Buntes Programm in Stade

Bericht vom Niedersächsischen Apothekertag

STADE (tmb) | Ein umfangreiches Programm bot der Niedersächsische Apothekertag am 20. und 21. Juni den etwa 470 Besuchern in Stade: Politik, Fortbildung, die pharmazeutische Ausstellung mit etwa 40 Ständen und ein buntes Rahmenprogramm in der traditionsreichen Hansestadt an der Unterelbe. Im Mittelpunkt des politischen ­Programms stand der Besuch der niedersächsischen Gesundheits­ministerin Cornelia Rundt, die die Apotheker zum Engagement beim ­niedersächsischen Projekt der ­Gesundheitsregionen animierte.

Projekte mit der AOK

Dr. Jürgen Peter

Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen, beschrieb den Arzneimittelmarkt aus der Per­spektive der GKV. Mit diesem Programmpunkt sollte das gute Verhältnis der Apotheker zur AOK Niedersachsen ausgedrückt werden. „Wir verstehen uns als Partner“, so Linz. Peter erklärte, in gemeinsamen Ansätzen liege „noch unheimlich viel Potenzial“, wies aber auch auf finanzielle Grenzen hin. Ende 2014 werde die GKV nach längerer Zeit wieder ein Defizit erzielen. Dies werde als Trend anhalten, auch wenn verschiedene Krankenkassen unterschiedlich betroffen seien. Daraufhin werde der Wettbewerb schärfer, und es werde unterschiedlich hohe Zusatzbeiträge geben. Die Krankenkassen, die sich vor 20 Jahren nur als Zahler und später als Manager des Leistungseinkaufs gesehen haben, werden zunehmend zum Gestalter der Versorgung. Zum Umgang mit teuren Innovationen bekräftigte Peter, wir bräuchten Arzneimittel wie die neuen Präparate gegen Hepatitis C, aber gesucht sei eine „korrekte Preisbildung“. „Innovative Arzneimittel brauchen eine ordentliche Gewinnspanne“, erklärte ­Peter, doch eine Amortisation der Entwicklungskosten in weniger als einem Jahr sei „enorm“. Hinsichtlich der Versorgungsstrukturen propagierte Peter „Innovationen der kleinen Schritte“ und verwies für die Zusammenarbeit zwischen der AOK Niedersachsen und den dortigen Apothekern auf drei Beispiele: Am weitesten sei ein Projekt zur Arzneimittelberatung für Schwangere entwickelt. Für ein Projekt zur Polymedikation in Pflegeheimen haben AOK und Apotheker gemeinsam einen Förderungsantrag gestellt. Außerdem werde an einem gemeinsamen Projekt von AOK, Apothekern und Ärzten zur Polymedikation gearbeitet.

Fotos: DAZ/tmb

Der Alte Hansehafen von Stade mit dem hölzernen Kran; im Hintergrund der Kirchturm von St. Cosmae et Damiani.

Fit für POP

Das Fortbildungsprogramm eröffneten Ina Richling, Menden, und Olaf Rose, Steinfurt, mit einem Seminar zur ­patientenorientierten Pharmazie bei Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen. Beide Referenten sind DAZ-Lesern durch ihre Beiträge und POP-Seminare bekannt. Sie vermittelten neben Fallbeispielen allgemeine Erfahrungen zum Medikations­management. Richling erklärte zur Medikations­analyse: „Wenn Sie eine strukturierte Analyse machen, finden Sie immer etwas“, beispielsweise ungünstige Einnahmezeitpunkte oder Fehler in der Handhabung von Arzneimitteln. Zugleich warnte sie, dass unerwünschte Wirkungen zur Verschreibung weiterer Arzneimittel führen könnten, obwohl das Problem durch einen anderen Umgang mit der Medikation zu lösen sei. Für die Kommunikation mit den Patienten riet sie, Nutzen und Risiken zu benennen, aber stets mit dem Nutzen anzufangen. Zum ­Medikationsplan berichtete sie, in der WestGem-Studie hätten bei über 70 Prozent der Patienten die Daten der Ärzte nicht der tatsächlichen Vorgehensweise der Patienten entsprochen.

Die Referenten des POP-Seminars Olaf Rose und Ina Richling (rechts) mit Moderatorin Sabine Cordes.

Vielfältige Fortbildung

Dr. Klaus-Jörg Münzer und Dr. Hans-Bernd Sittig, beide Stade, vermittelten die Vorgehensweisen von Schmerzmedizinern. Demnach ist das WHO-Stufenschema obsolet, denn nicht die Intensität, sondern die Ursache des Schmerzes ist für die Wahl des Arzneimittels entscheidend, erklärte Sittig. Bei viszeral-nozizeptivem Schmerz könne Metamizol gut eingesetzt werden. Bei neuro­pathischem Schmerz seien gute Erfolge mit kleinsten Dosen Amitriptylin über längere Zeit zu erreichen. Doch bei chronischen Schmerzen sei Schmerzfreiheit eine Illusion. Das Ziel sei, den Schmerz auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, so Münzer.

Prof. Dr. Regina Scherließ, Kiel, berichtete über Erfahrungen aus Rezeptur-Ringversuchen mit Pharmazeuten im Praktikum in Schleswig-Holstein. Das häufigste Problem sei dabei der pH-Wert gewesen. Der pH-Bereich, in dem der jeweilige Arzneistoff wirksam ist, müsse unbedingt eingehalten werden, während bei der Stabilität manchmal Kompromisse mit einer eingeschränkten Verwendbarkeit und durch kühle Lagerung möglich seien. Außerdem riet sie zu besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich der Mindesteinwaage, die auch vom Umgang mit der Waage abhänge. Scherließ empfahl, das Hundertfache der Standardabweichung von 20 Wägungen eines Gegenstandes als Mindesteinwaage zu betrachten.

Dr. Margit Götzlaff, Haste, und Frank Germeshausen, Duderstadt, stellten den pharmazeutischen Leistungs­katalog LeiKa des Deutschen Apothekerverbandes als Ideenhandbuch für Dienstleistungen der Apotheken vor.

Prof. Dr. Thomas Konrad, Frankfurt, berichtete über das metabolische Syndrom, und Prof. Dr. Peter Höger, Hamburg, erklärte die Besonderheiten der Kinderdermatologie.

Das Stadeum bot einladende Räume für den Niedersächsischen Apothekertag.

Probleme mit Wechselwirkungen

Prof. Dr. Gerd Mikus, Heidelberg, beschrieb die Mechanismen von Arzneimittelwechselwirkungen. Für Mikus ist schon die einheitliche Dosis bei nur einem Arzneistoff „eigentlich Unsinn“, weil verschiedene Enzymausstattungen zu sehr unterschiedlichen Blutspiegeln führen können, besonders bei Arzneimitteln mit hohem First-pass-Metabolismus. Bei mehreren Arzneimitteln kommen Induktion und Inhibition der abbauenden Enzyme hinzu. Zudem könne dasselbe Arzneimittel je nach Anwendungsdauer induzierend oder inhibierend auf diese Enzyme wirken. Bei einer Polymedikation sei dies alles nicht mehr überschaubar. Doch sogar die vorhandenen Angaben seien problematisch, weil In-vitro-Versuche vielfach mit unrealistisch hohen Dosierungen ausgeführt worden seien. Mikus kritisierte, dass die Inhalte in den Fachinformationen wirkstoffgleicher Arzneimittel von unterschiedlichen Herstellern nicht übereinstimmen und etliche Interaktionen nur bei jeweils einem Interaktionspartner erwähnt werden. Mikus forderte daher die Zulassungsbehörden auf, die Fachinformationen zu vereinheitlichen und für konsistente Darstellungen zu sorgen. Mit seiner Kritik hinterließ Mikus im Auditorium Ratlosigkeit. Linz erklärte, die Apotheker müssten zuverlässige Daten haben, um selbst beraten zu können.

Spaß mit James Bond

Für sehr gute Stimmung sorgte dagegen der Festvortrag mit dem Titel „Geschüttelt, nicht gerührt“: Prof. Dr. Metin Tolan, Dortmund, hinterfragte einige Szenen aus James-Bond-Filmen aus der Perspektive des Physikers und fand humorvolle Erklärungen für die Leistungen des populären Geheimagenten.

Im Rahmenprogramm konnten die Teilnehmer und Begleitpersonen die unmittelbar neben dem Tagungsgebäude liegende Stader Altstadt erkunden. Dazu gehörten eine Erlebnisführung durch hervorragend restaurierte Gassen und den historischen Hafen sowie eine Fahrt mit dem Fleetkahn um die Altstadtinsel. Außerdem wurde eine Abendveranstaltung im Tagungs­zentrum „Stadeum“ geboten.

Einen Bericht über das Grußwort der Ministerin und die politischen Statements von Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, und Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, finden Sie in der Rubrik „DAZ aktuell“ unter „Medikationsplan nicht ohne Apotheker“. Ein weiterer politischer Schwerpunkt war der Bericht des ABDA-Vizepräsidenten Mathias Arnold zur berufspolitischen Lage (siehe Rubrik „DAZ aktuell“: „Honorarfrage ist ein extrem dickes Brett“). |

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