Komplementäre Therapien

TCM – ein anderer Ansatz

Peter Ditzel, Herausgeber der DAZ

Keine Frage, unsere heutige westliche Medizin leistet Beeindruckendes. Von einer High-Tech-Diagnostik bis hin zur High-Tech-Therapie, von intelligenten Arznei­mittelkonzepten bis hin zur robotergesteuerten, minimalinvasiven Chirurgie – wer die Segnungen dieser modernen Therapie kennengelernt hat, ist begeistert und möchte sie nicht mehr missen. Einzelne Organe, Parameter, Messwerte stehen im Fokus. Krankheiten lassen sich als Abweichungen von Sollwerten definieren, als Fehlfunktionen von physikalischen, chemischen oder biologischen Mechanismen. Und dennoch, bisweilen bleibt in diesem Medizinbetrieb etwas auf der Strecke, wonach sich mehr und mehr Patienten sehnen: persönliche Zuwendung, eine eher naturheilkundliche, sanftere Herangehensweise und eine gesamtheitliche Betrachtung. Alternative Heilmethoden stellen den Organismus im Gesamten in den Mittelpunkt: Der Körper besteht nicht nur aus einzelnen Organen, die mehr oder weniger isoliert gecheckt und behandelt werden – alles hängt mit allem zusammen, so ihr Credo.

Diesen Ansatz macht sich auch die traditionelle chinesische Medizin zu eigen. Ihre Anfänge reichen über 2000 Jahre zurück. Es ist eine Erfahrungsheilkunde, eine empirische Wissenschaft. Mithilfe einer eigenen Diagnostik sucht sie nach den funktionellen Störungen und Entgleisungen im Körper, die zu Krankheiten führen. Die chinesische Diagnostik stützt sich dabei, so erklärt es die Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin, auf vier Verfahren: An erster Stelle steht die ausführliche Befragung des Patienten. Neben der Frage nach dem ­eigentlichen Beschwerdebild geht die Gesamtheit des Befindens wie Appetit, Verdauung, Schlaf und Temperaturempfinden in das Gesamtbild mit ein. Ein weiteres ­diagnostisches Verfahren ist die Pulsdiagnostik. Der chinesische Arzt kennt über 30 verschiedene Pulsqualitäten, die Rückschlüsse auf energetische Veränderungen im Körper erlauben. Eines der wichtigsten Diagnoseverfahren ist die Zungendiagnose: Beurteilt werden beispielsweise Farbe, Form und Struktur der Zunge sowie der Zungenbelag. Schließlich beurteilt der Arzt noch „Klang und Geruch“, also die Stimme des Patienten und Äußerungen zu seinen Lebensumständen.

Die Symptome des Patienten und die Befunde werden in einer eigenen Sprache beschrieben. Da ist dann auch die Rede von „energetischem Potenzial“ – die Chinesen nennen es Qi (sprich Tschi), das den Körper durchströmt wie Flüsse und Seen eine Landschaft. Dabei fließt das Qi auf definierten Leitbahnen (Meridianen) und versorgt die Funktionskreise.

Für die Therapie bedient sich die chinesische Medizin der Akupunktur, der chinesischen manuellen Medizin (Tuina-Massage), der meditativen Bewegungstherapie (Taiji und Qigong), einer Umstellung der Ernährung und einer Arzneimitteltherapie, die in erster Linie aus Drogenauszügen, den Dekokten, besteht.

Die chinesische Medizin kann nicht bei allen, aber bei einer Vielzahl von Krankheiten angewandt werden und in vielen Fällen Linderung und Heilung bringen. Zum Erfolg der chinesischen Medizin trägt möglicherweise die Vielseitigkeit der Behandlungen bei, nämlich die Zuwendung zum Patienten, die Gespräche, die Berührungen bei der Akupunktur und Massage, eine Ernährungsumstellung, mehr Bewegung sowie nicht zuletzt eine Arzneikräutertherapie, die der Patient als etwas Besonderes und Individuelles empfindet. In dieser unmittelbaren und sehr individuellen Ansprache des Patienten könnte ein Grund dafür liegen, dass das Interesse an der TCM in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.

Wenn Sie die Welt der TCM näher kennenlernen möchten: Wir haben Deutschlands erste TCM-Klinik in Bad Kötzting besucht und eine Apotheke in München, die sich u. a. auf chinesische Medizin spezialisiert hat.

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