Komplementäre Therapien

Anwendungssicherheit

Wie sicher ist die Anwendung traditioneller chinesischer Arzneimittel in Europa?

Von Axel Wiebrecht | Die Therapie mit Arzneimitteln der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) hat in den letzten 25 bis 30 Jahren in Europa zunehmend Fuß gefasst. Gegenüber der westlichen Phytotherapie zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie das sehr ausdifferenzierte diagnostische System der TCM nutzt und von der Flora des südostasiatischen Raumes profitiert, einer der artenreichsten Regionen der Welt. Die Medien melden immer wieder einmal Sicherheitsrisiken oder Qualitätsmängel der TCM. Von der Qualitätsproblematik soll hier nicht die Rede sein (siehe dazu S. 56), doch wie steht es um die medizinische Sicherheit?

Toxische Drogen in Europa nicht verkehrsfähig

Grundsätzlich ist zwischen der Chinesischen Arzneitherapie (CA) in China und bei uns in Europa klar zu unterscheiden. Zwar werden auch in China zunehmend Sicherheitsvorkehrungen eingefordert, sie werden aber dort nicht immer konsequent umgesetzt. Risikobehaftete Drogen, die in der vormodernen Zeit mangels besserer Alternativen ihre Berechtigung gehabt haben mögen, aber heute wegen ihrer Toxizität als obsolet bezeichnet werden [1], wurden nur zum Teil aus der Chinesischen Pharmakopöe [2] eliminiert und/oder aus der Praxis verbannt. Bei uns hingegen sind diese Drogen nicht verkehrsfähig (Beispiele in Tab. 1). In Europa herrscht eine hoch entwickelte Sicherheitskultur, die mitunter von den Behörden auch überstrapaziert wird [3].

Tab. 1: Drogen der Chinesischen Pharmakopöe [2], die in Europa verboten oder mit so niedrigen Grenzwerten belegt sind, dass sie nicht verkehrsfähig sind (Beispiele)
Droge Pinyin Toxischer Inhaltsstoff
Cinnabaris zhu sha HgS
Calomelas qing fen Hg2Cl2
Realgar xiong huang As4S4
Strychni Semen ma qian zi Strychnin
Papaveris Pericarpium ying su ke Morphin
Senecionis scandentis Herba qian li guang Pyrrolizidin-alkaloide
Aristolochiae Fructus ma dou ling Aristolochia-säure I und II
Aristolochiae Herba tian xian teng Aristolochiasäure

Differenzierte Diagnostik

Von der TCM als komplementärer Therapiemethode erwartet der Patient, dass sie weniger Nebenwirkungen aufweist als die konventionelle Medizin. Dieser Herausforderung muss sie sich stellen. Das beginnt mit der Ausbildung des TCM-Arztes bzw. -Therapeuten. Anders als in der konventionellen Medizin, wo es für bestimmte Diagnosen meist eindeutige Behandlungskonzepte gibt, geht die TCM von einer individuellen und ganzheitlichen Diagnose aus, die in eine individuelle Therapie mündet. Das heißt eine Krankheitsdiagnose wie z. B. „Migräne“ oder „Colon irritabile“ gliedert sich in mitunter viele verschiedene Syndromdiagnosen auf, die ganz unterschiedlich zu behandeln sind. Ist die Diagnose nicht stimmig, ist die Therapie möglicherweise nicht nur wirkungslos, sondern sogar schädlich. Daher muss der Therapeut nicht nur seine Mittel und deren mögliche Risiken kennen, sondern vor allem auch ein fachlich qualifizierter Diagnostiker sein.

Wie häufig sind Nebenwirkungen?

Zum Vergleich der Nebenwirkungshäufigkeit der CA und der westlichen Arzneitherapie gibt es keine aktuellen Zahlen. Eine 1992 publizierte Studie aus Hongkong untersuchte, wie oft Arzneimittelwirkungen zur Aufnahme in zwei Krankenhäuser führten. Von 1701 Aufnahmen in einem Zeitraum von acht Monaten entfielen 0,2 Prozent der Fälle auf Reaktionen durch CA, während Reaktionen auf westliche Arzneimittel 4,4 Prozent der Fälle ausmachten [4]. In westlichen Ländern dürften die entsprechenden Zahlen noch weiter auseinander liegen. Eine konservative Schätzung kam für die USA auf 106.000 Todesfälle durch konventionelle Arzneimittel allein bei hospitalisierten Patienten im Jahr 1994 [5]. Eine schwedische Studie ermittelte über das Todesursachenregister von drei Distrikten aus dem Jahr 2001, dass 3,1 Prozent der Todesfälle auf Arzneimittelreaktio­nen zurückzuführen waren, die damit die siebthäufigste Todesursache darstellten [6].

Demgegenüber konnte der Autor in der Literatur seit 1970 insgesamt nur sieben Todesfälle durch CA in der gesamten westlichen Welt ermitteln: Zwei waren durch eine Arzneimittelhepatitis in England, einer durch eine Vergiftung mit einem illegal eingeführten Aconit-Präparat in Australien, drei durch urotheliale Karzinome nach Einnahme von Aristolochia-Drogen und ein weiterer schlecht dokumentierter Fall aus Australien anscheinend durch Niereninsuffizienz infolge Aristolochia-Einnahme bedingt. Sicherlich ist dabei eine nicht unwesentliche Dunkelziffer zu veranschlagen, insbesondere wegen weiterer Todesfälle durch Aristolochia-bedingte Karzinome. Andererseits dürften neue Fälle von schwereren Aristolochia-Intoxikationen in westlichen Ländern wegen der diesbezüglichen Verbote weitestgehend ausgeschlossen sein (s. u.).

Nebenwirkungen von CA

Nebenwirkungen leichterer Art treten unter CA-Therapie durchaus häufig auf. In einer prospektiven Befragung von englischen Patienten, die TCM-Arzneimittel erhalten hatten, berichteten 20 von 144 Patienten über insgesamt 32 unerwünschte Ereignisse, allerdings war keine davon schwerwiegend (Tab. 2) [7].

Tab. 2: Unerwünschte Ereignisse unter CA. Prospektive Studie mit 194 Patienten, von denen nach vier Wochen 144 Antworten eingingen. 20 Patienten hatten 32 Nebenwirkungen leichterer Art [7]
Ereignis Fälle
Durchfall 6
Müdigkeit 4
Übelkeit 4
Bauchschmerzen 4
Kopfschmerzen 3
Emotionale Störungen 2
Blutungen 2
Respiratorische Störungen 1
Obstipation 1
Hautreaktion 1
Palpitationen 1
Sonstige 4
Summe 33

An das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie in Berlin (CTCA), das von mehreren Fachgesellschaften für TCM getragen wird, werden naturgemäß eher schwerere Nebenwirkungen gemeldet. Unter den 33 Meldungen, die dort im Verlauf von elf Jahren eingingen (Tab. 3), waren Leberreaktionen am häufigsten. Leberenzymwerte, die bis zum Zweifachen des oberen Normwertes erhöht sind, sind eher als Ausdruck einer Adaptation der Leber und weniger als Leberschädigung zu werten [8]. Eine Arzneimittelhepatitis (7 Fälle) ist dagegen eine schwerere Reaktion, die in der Regel mit einem Ikterus einhergeht. Hier war bei drei Fällen ein Kausalzusammenhang mit CA wahrscheinlich, bei drei Fällen hingegen auszuschließen, unwahrscheinlich oder mangels Informationen nicht beurteilbar.

Tab. 3: CA-Nebenwirkungen, die an das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) gemeldet wurden (2004 – 2014; n = 33). Schweregrade: l = leicht, m = mäßig schwer, s = schwer. Vom CTCA beurteilter Kausalzusammenhang mit der CA (in der derselben Reihenfolge wie unter „Schweregrade“): s = sehr wahrscheinlich, w = wahrscheinlich, m = möglich, u = unwahrscheinlich, a = ausgeschlossen, n = nicht be­urteilbar (mangels ausreichender Daten)
Nebenwirkung Anzahl, Schweregrade Kausal­zusammenhang
Erhöhte ALT-Werte(Leberenzym) 6, l l m m s s m n m u a n
Hepatitis 7, m m s s s s s u a w w w m a
Hautreaktionen 4, m m m m m u n n
Gastrointestinale Symptome 3, l l m w w w
Herz-Kreislauf-Symptome 3, m m m s w m
Erhöhter Creatininspiegel 4, m m m m m u n n
Allergie 2, l l s w
Interaktion 1, m w
Vegetativ / psychisch 1, m n
Zwischenblutung 1, m n
Schüttelfrost, Fieber 1, l u

In einem Fall war eine Interaktion von CA mit einem chemisch definierten Mittel als wahrscheinlich anzusehen (s. u.), je ein mäßig schwerer Fall von Herz-Kreislauf-Symptomen und erhöhtem Creatininspiegel könnten eventuell darauf zurückgehen, dass die Wirkung der konventionellen Arzneimittel durch Interaktionen mit CA verstärkt wurde.

Nebenwirkungen von CA auf die Leber

Zur Häufigkeit von CA-Nebenwirkungen in Bezug auf die Leber existieren zwei Untersuchungen: aus der TCM-Klinik Kötzting in Ostbayern [9] und von dem englischen TCM-Therapeuten Al-Khafaji [10], der gewöhnlich hohe Dosen zur Behandlung von Hauterkrankungen einsetzt (Tab. 4).

Tab. 4: Erhöhte Werte des Leberenzyms ALT (GPT) unter CA in den Studien aus der TCM-Klinik Kötzting [9] und von ­Al-Khafaji [10]
Kötzting Al-Khafaji
Patientenzahl (n) 1450 1265
ALT-Anstieg über die Norm 5,6% 8,5%
ALT >2-fach über der Norm 1,0%
ALT >3-fach über der Norm 0,8%
ALT nicht normalisiert (n) 3 4
Toxische Hepatitis (n) 0 1

In Kötzting entwickelten 14 von 1450 Patienten (knapp 1%) einen ALT(GPT)-Wert über dem Zweifachen des oberen Normwertes; viele von ihnen erhielten gleichzeitig konventionelle Arzneimittel, und nur in einem Fall wurde der Zusammenhang mit CA als „wahrscheinlich“ qualifiziert. Bei 61 von 120 Patienten, die bei Krankenhausaufnahme einen erhöhten ALT-Wert aufwiesen, war dieser (trotz CA) bei der Entlassung normalisiert. Unter 6000 Patienten, die seit 1991 in der TCM-Klinik mit CA behandelt wurden, gab es keinen Fall von schwerer Leberreaktion.

Al-Khafaji beobachtete eine ähnliche Häufigkeit von stärker erhöhten ALT-Werten (mehr als 3-fach über der Norm), nämlich 0,8 Prozent, und einen Fall von Arzneimittelhepatitis.

Arzneimittelhepatitiden durch in Europa übliche CA sind praktisch immer idiosynkratische Reaktionen, d. h. sie werden durch Mittel verursacht, die normalerweise nicht durch eine Lebertoxizität auffallen. In sehr seltenen Fällen, die nicht vorhersehbar sind, kommt es zu Reaktionen, die möglicherweise durch genetische Polymorphismen oder immunallergisch zu erklären sind. Ansonsten haben die behaupteten Lebertoxizitäten durch CA oft wenig mit TCM zu tun oder lassen eine valide Kausalitätsbeurteilung vermissen [11].

Ein Zurückführen von Leberreaktionen auf bestimmte TCM-Drogen ist in der Regel schwierig, da meist Vielfachkombinationen eingesetzt werden. Bei Polygoni multiflori Radix (he shou wu) – zumindest in der unbehandelten Form – kann die Kausalität aber aufgrund der Häufigkeit, mit der diese Droge an Leberreaktionen beteiligt war, als gesichert angesehen werden. Bei Dictamni Cortex (bai xian pi) wird ein Zusammenhang diskutiert. In der Literatur wird auch Ephedrae Herba (ma huang) genannt. Die wenigen Fälle sind jedoch sehr schlecht dokumentiert und angesichts millionenfacher Ephedra-Anwendungen in den USA in den 90er-Jahren ausgesprochen selten, sodass es sich um zufällige Koinzidenzen gehandelt haben könnte.

Bei Auftreten einer Leberreaktion unter CA sollte zur Abklärung eine vollständige Differenzialdiagnostik durchgeführt werden, wobei es besonders wichtig ist, alle infrage kommenden Virusinfektionen zeitnah auszuschließen, denn später ist nicht mehr festzustellen, ob es sich um eine aktuelle Infektion gehandelt hat.

Aconitum-Drogen

Drei

Aconitum-Drogen (Eisenhut) sind in der TCM offizinell: Aconiti Radix lateralis praep. (zhi fu zi), Aconiti Radix praep. (zhi chuan wu) und Aconiti kusnezoffii Radix praep. (zhi cao wu), wobei die erstgenannte Droge (behandelte Seitenwurzel) eine wichtige Stellung einnimmt. Die

Aconitum-Drogen sind in Deutschland rezeptpflichtig. Unbehandelte Drogen enthalten die Diester-Diterpenalkaloide Aconitin, Mesaconitin und Hypaconitin und sind hochgiftig: Schon 1,5 bis 6 mg können zum Tod führen [12]. Reines Aconitin war früher auch im DAB monografiert und mindestens bis in die 50er-Jahre in Europa in Gebrauch.

Fotos: Wiebrecht

Chinesischer Eisenhut,Aconitum carmichaeli – eine der giftigsten Arzneipflanzen. Bei der präparierten Droge aus der Wurzel ist die Toxizität erheblich reduziert.

Die Chinesen haben es bereits vor ca. 2000 Jahren verstanden, die Aconitum-Drogen durch Hydrolyse zu entgiften, indem sie diese in Salzlösung einlegten und erhitzten. Heute werden sie häufig autoklaviert. Danach sind die Diester-Alkaloide nur noch in Spuren nachweisbar; ihre Hydrolyseprodukte Benzoylaconin, Benzoylmesaconin und Benzoylhyp­aconin sind um den Faktor 40 bis 200 weniger toxisch [13]. Bei Einhaltung der Maximaldosen sind keine schweren Nebenwirkungen zu befürchten. In einer japanischen Studie erhielten 593 Patienten täglich 0,5 bis 8,0 g autoklavierte Aconitum-Seitenwurzel (als Pulver) in Kombination mit verschiedenen Kampoextrakten. Vier Patienten entwickelten moderate Nebenwirkungen, schwere Reaktionen wurden nicht beobachtet [14].

Ephedrae Herba

Auch Ephedrae Herba (ma huang) ist in Deutschland rezeptpflichtig. In den USA wurde das Ephedrakraut vor allem in den 90er-Jahren millionenfach zur Gewichtsabnahme oder sportlichen Leistungssteigerung eingesetzt. Es handelte sich dabei oft um obskure Kombinationspräparate mit Coffein und anderen Wirkstoffen. Im Zusammenhang mit diesem Gebrauch wurden schwere Nebenwirkungen, auch Todesfälle, berichtet, mitunter bei völlig gesund erscheinenden Individuen, weswegen Ephedrae Herba 2004 in den USA verboten wurde [15]. Das FDA erklärte jedoch, dass ihm keine Daten zu Morbidität oder Mortalität bei der Anwendung im Rahmen traditioneller Medizin bekannt sind [16].

Ephedra sinica – offizinell sind das Kraut und die Wurzel. Es bestehen einige Kontraindikationen, aber keine allgemeinen Risiken.

Kontraindikationen von Ephedrae Herba sind (in Anlehnung an die Monografie der Kommission E [17]): Bluthochdruck, Herz- und Gefäßerkrankungen, Angst- und Spannungs­zustände, Suchtkrankheiten, Anfallsleiden u. a. Auch die gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmern oder sympathomimetisch wirkenden Arzneimitteln ist kontraindiziert.

Glycyrrhizae Radix

Glycyrrhizae Radix (gan cao) ist sicherlich die am häufigsten eingesetzte TCM-Droge. Als Süßholz ist sie auch in der westlichen Phytotherapie gut bekannt. Bei sensiblen Personen muss bei längerer Einnahme bereits ab einer Tagesdosis, die 100 mg Glycyrrhizinsäure enthält, mit Nebenwirkungen gerechnet werden (Blutdruckerhöhung, Hypokaliämie, Salz- und Wasserretention) [18, 19]. Da eine latente Blutdruckerhöhung weit verbreitet ist, sollte ab einer Tagesdosis über 3 g Rohdroge oder 0,5 g Granulat der Blutdruck kontrolliert werden. Eine Langzeiteinnahme von mehr als 5 g Rohdroge oder 1 g Granulat ist nicht zu empfehlen. Besondere Vorsicht ist bei gleichzeitiger Einnahme von Diuretika, die die Kaliumausscheidung erhöhen, von Digitalis und Glucocorticoiden geboten.

Aristolochia-Drogen

In der TCM wurden zeitweise einige Aristolochia-Drogen verwendet, die hohe Gehalte von Aristolochiasäure I oder II aufweisen. Aristolochiasäuren sind nephrotoxisch und stark krebserregend. In einer belgischen Schlankheitsklinik, in der regelmäßig Aristolochia fangchi enthaltende Arzneimittel verabreicht wurden, traten ca. 100 Fälle von Nierenversagen und in der Folge etliche urotheliale Karzinome auf [20]. 2003 wurden in Taiwan und Hongkong alle Aristolochia-Drogen und in der Volksrepublik zumindest Aristolochia manshuriensis verboten [21 – 23]. In der ChP 2010 [2] sind jedoch weiterhin zwei Aristolochia-Drogen enthalten, und in Taiwan werden Aristolochia-Drogen trotz des Verbotes teilweise noch verwendet. Die Risiken wurden somit in diesen Ländern nicht konsequent eliminiert.

In den europäischen Staaten sind Aristolochia-Drogen nicht verkehrsfähig, in Deutschland bereits seit 1981, und dieses Verbot wird streng überwacht. Daher sollten hierzulande schwere Aristolochiasäure-Intoxikationen durch CA, die in den Medien immer wieder aufgewärmt werden, der Vergangenheit angehören. Beim Bezug von TCM-Drogen durch den ausländischen Internet-Versandhandel sind jedoch Aristolochiasäure-Belastungen durch Verunreinigungen weiterhin möglich.

Pyrrolizidinalkaloide

Pyrrolizidinalkaloide (PA) mit 1,2-ungesättigtem Necin-Gerüst sind in Abhängigkeit von der Dosis lebertoxisch und kanzerogen. Sie können die venookklusive Lebererkrankung hervorrufen. Das Bundesgesundheitsamt hat 1992 PA-Grenzwerte erlassen [24], bei deren Einhaltung nach Kenntnis des Autors keine Gesundheitsschäden dokumentiert sind. Drei TCM-Drogen, die in Europa üblich sind, haben moderate PA-Gehalte: Farfarae Flos (kuan dong hua, Huflattichblüten), Arnebiae Radix (zi cao) und Eupatorii Herba (pei lan). Ihre Zubereitung als Dekokt (oder Infus) ist relativ sicher, weil die PA nur teilweise in die wässrige Lösung übergehen. Das BGA hat aus diesem Grund für Tees aus Huflattichblättern einen zehnfach höheren PA-Grenzwert festgesetzt als für andere Zubereitungen. Chinesischen Arzneidrogen kommt diese Regelung anscheinend nicht zugute, sodass sie hier teilweise nicht für die Therapie zur Verfügung stehen.

Schwangerschaft

Während ein mögliches Abortrisiko durch CA schon lange sorgfältig beobachtet und durch entsprechende Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen minimiert wurde, gibt es kaum valide Daten zu einem möglichen Teratogenitäts­risiko der CA. Allein für die Droge Coptidis Rhizoma (huang lian) und eine chinesische Kombinationsrezeptur wurde durch eine große taiwanesische Studie gezeigt, dass darunter vermehrt Missbildungen auftraten [25].

Die Droge Coptidis Rhizoma (huang lian) ist in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Tierexperimentelle Studien zum Teratogenitätsrisiko sind wenig aussagefähig. Im Allgemeinen gilt für die in Europa üblichen CA das Gleiche wie für die meisten chemisch definierten Arzneimittel, dass deren Risiko nicht eindeutig bestimmt werden kann [26]. Bei der Behandlung Schwangerer sind Nutzen und Risiko der CA sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Interaktionen

Interaktionen chemisch definierter Arzneimittel mit chinesischen Arzneidrogen sind immer möglich und schwer vorauszusehen. Dem Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) wurde ein Fall gemeldet, bei dem es unter einer geringen Tagesdosis von 14 g Rohdrogen (Plantaginis Semen, Foeniculi Fructus, Gastrodiae Rhizoma, Poria, Bambusae Caulis) zu einer Interaktion mit Ciclosporin kam, was durch Reexposition bestätigt wurde. Wegen der Individualisierung der TCM können jedoch kaum gültige Aussagen für den Einzelfall getroffen werden. Wichtiger ist es, bei konventionellen Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite äußerst vorsichtig zu agieren, d. h. die Indikation streng zu stellen und während der Therapie möglichst die Plasmaspiegel zu bestimmen. Kritisch sind u. a. Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus), Anti-HIV-Mittel, Antiepileptika und Antikoagulanzien.

Fazit

Bei fachgerechter Anwendung gemäß Diagnose nach TCM, Beachtung von Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen sowie Verwendung qualitäts­gesicherter Ware kann die CA als relativ sicher bezeichnet werden [9, 27]. Das gilt zumindest für die legalen europäischen Anwendungsbedingungen, die klar von denen in Ost- und Südostasien zu ­unterscheiden sind. Treten Reaktionen auf, die in Zusammenhang mit CA stehen könnten, sollten diese an das CTCA gemeldet werden, um nach Möglichkeit den Kausalitäts­zusammenhang zu evaluieren und die Kenntnisse über Risiken zu erweitern. Von der Website www.ctca.de kann ein Meldebogen heruntergeladen werden. |

Literatur

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 [6] Wester K, et al. Incidence of fatal adverse drug reactions: a population based study. Br J Clin Pharmacol 2008;65:573-9

 [7] MacPherson H, Liu B. The safety of Chinese herbal medicine: a pilot study for a national survey. J Altern Complement Med 2005;11:617-26

 [8] Teschke R. Toxische Leberschäden durch Arzneimittel. Dtsch Ärztebl 2001;98:B-2220-5

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[11] Wiebrecht A, Kalg A. Herbal hepatotoxicity – an update on traditional Chinese medicine preparations (letter). Aliment Pharmacol Ther 2014;40:737-8

[12] Blaschek W, et al. Aconitum. Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen. 6. Aufl. Bd. 1. Stuttgart, 2007:272

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[23] Chen CH, et al. Aristolochic acid-associated urothelial cancer in Taiwan. Proc Natl Acad Sci USA 2012;109:8241-6

[24] Bundesgesundheitsamt. Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II - Bescheid zu Pyrrolizidin-Alkaloiden mit einem 1,2-ungesättigten Necin-Gerüst. BAnz Nr. 111 vom 17.6.1992

[25] Chuang CH, et al. Herbal medicines used during the first trimester and major congenital malformations: an analysis of data from a pregnancy cohort study. Drug Saf 2006;29:537-48

[26] Wiebrecht A, et al. Safety aspects of Chinese herbal medicine in pregnancy – Re-evaluation of experimental data of two animal studies and the clinical experience. Complement Ther Med 2014;22:954-64

[27] Shaw D. Toxicological risks of Chinese herbs. Planta Med 2010;76:2012-8

Autor

Dr. med. Axel Wiebrecht

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