DAZ aktuell

Entlassmanagement nicht ohne die öffentliche Apotheke

BVKA fordert gesetzlich geregelten Koordinierungsvertrag

BAD HOMBURG (ks) | Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheken (BVKA) setzt auf eine Neupositionierung und will neue Mitglieder gewinnen. Das kündigte der frisch wiedergewählte Verbandsvorsitzende Dr. Klaus Peterseim bei BVKA-Jahrestagung am 5. und 6. Mai in Bad Homburg an. Im Mittelpunkt der Tagung standen in diesem Jahr aktuelle gesetzgeberische Pläne wie die Neuregelung des Enlassmanagements und das Antikorruptionsgesetz.

Peterseim erklärte, dass der BVKA sich nach 32 Jahren inhaltlich neupositionieren wolle. Geplant sei eine stärkere Fokussierung auf den Bereich Heim­versorgung. Aber auch Apotheken, die sich Spezialgebieten wie etwa der Palliativversorgung oder Methadon-Substitution widmen, sollen künftig angesprochen werden. Ziel sei, sich zu einem Spezialverband von Apotheken zu entwickeln, die pharmazeutische Versorgung von Patienten außerhalb der Offizin anbieten. Die Klinikversorgung, so Peterseim, bleibe aber ebenfalls ein wichtiger Tätigkeitsbereich.

Gröhes Pläne gehen nicht weit genug

Arbeit sieht der Verband jedenfalls genug. Das machte Peterseim in seinem berufspolitischen Bericht deutlich. ­Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) war in seiner bisherigen Amtszeit überaus aktiv und hat diverse Gesetzgebungsverfahren angestoßen, einige auch schon beendet. Vieles ist für Peterseim nicht nachvollziehbar. Was die Pläne angeht, die alle Apotheken betreffen, kritisiert er etwa den ­Regelungsvorschlag der Regierung zur Eindämmung von Nullretaxationen. Dieser werde den Ankündigungen nicht gerecht – und auch der Einsatz der ABDA zu diesem Thema hat den BVKA-Vorsitzenden enttäuscht. Wenn Apotheker trotz Versorgung des Patienten gar kein Geld bekommen, sei dies schlicht „Wegelagerei“, so Peterseim. Den Kopf schütteln kann er auch nur über den Medikationsplan, auf den ­Patienten unter bestimmten Voraussetzungen künftig einen Anspruch haben sollen. Dieser soll bekanntlich zunächst in Papierform erstellt werden, „das ist klassische EDV zu Fuß“. Ebenfalls kein Verständnis hat Peterseim, dass Apotheken im Präventionsgesetz keine ­Rolle spielen. Es sei „hanebüchen“, auf sie zu verzichten – niemand sonst biete einen niedrigschwelligeren Zugang zum Gesundheitswesen.

Stark macht sich der BVKA jedoch insbesondere bei verbandsspezifischen Themen, zum Beispiel für eine faire Vergütung der Heimversorgung und die Honorierung der Neuverblisterung von Arzneimitteln. Weiterhin sieht er etwa im Hinblick auf die ambulante spezialfachärztliche Versorgung Klarstellungsbedarf: Wer soll hier für die Arzneimittelversorgung zuständig sein? Aus BVKA-Sicht ist klar: die öffentliche Apotheke. Besonderes Engagement legt der Verband überdies für eine saubere Regelung zum Entlassmanagement und der Entlassmedikation an den Tag. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Möglichkeit der Kliniken, zum Outsourcing des Entlassmanagements nicht missbraucht werde, so Peterseim. Externe Dienstleister liefen sich hier bereits warm, um umfangreiche Aufgaben zu übernehmen, die bis hin zu einer Rezeptvermittlung gehen können. Der BVKA hat seine konkreten Vorstellungen für eine bessere Regelung bereits in einer Stellungnahme zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz kundgetan (DAZ 2015, Nr. 13, S. 12).

BVKA-Vorstandswahl

Bei der BVKA-Jahrestagung wurde am 11. Mai der Vorstand neu gewählt. Dr. Klaus Peterseim, Inhaber der Dom-Apotheke in Essen, ist für zwei weitere Jahre an die Spitze gewählt worden. Der 58-Jährige, der seit zwölf Jahren BVKA-Vorsitzender ist, wurde ohne Gegenstimme in seinem Amt bestätigt. Unter den vier weiteren Vorstandsmitgliedern gibt es drei bekannte und ein neues Gesicht. Karl-Heinrich Reinert (Göttingen) bleibt erster stellvertretender Vorsitzender, neu dabei ist dagegen Andreas Willmann (Wilnsdorf) als zweiter stellvertretender Vorsitzender. Michael Marxen (Wesseling) wurde als Schatzmeister bestätigt, Christian Suter (Gründau) als Schriftführer. Die Berliner BVKA-Geschäftsstelle leitet weiterhin der Volljurist Dr. Rötger von Dellingshausen.

Knackpunkt Entlassmanagement

Bei der Jahrestagung ging es gleich in zwei Vorträgen um das Thema. So schilderte Dr. Ralph Hoppe, Apotheker in Baden-Baden, wie schwierig derzeit die sektorenübergreifende Koordination zwischen stationärer und ambulanter Behandlung ist. Unzureichende Informationen über die Anschlussmedikation und fehlende vertragsärztliche Verordnungen stellten entlassene Patienten und die von ihnen aufgesuchten Apotheken vor große Probleme – vorzugsweise freitagnachmittags oder samstags. Wenn es künftig ein Entlassrezept aus der Klinik geben soll, sei das zwar gut – aber es gebe Fallstricke. So wisse ein Klinikarzt etwa nicht, wie eine vertragsärztliche Verordnung derart auszustellen ist, dass sie den Apotheker nicht in Retax-Gefahr bringt. Hier, aber auch schon im Vorfeld der Entlassung müsse unbedingt die Kompetenz der öffentlichen Apotheken einbezogen werden – allerdings auf klarer gesetz­licher Grundlage. Denn auf der anderen Seite sehen viele betroffene Apotheker schon das geplante Korruptionsgesetz lauern, das Kooperationen von Leistungserbringern ins Visier nehmen wird.

Koordinierungsvertrag als Lösung

Die Lösung sieht der BVKA daher in ­einem gesetzlich geregelten Koordinierungsvertrag zwischen Krankenhaus und öffentlicher Apotheke (neuer § 12b ApoG) nach dem Beispiel des Heimversorgungsvertrags (§ 12a ApoG). Dieser soll geschlossen werden, wenn das Krankenhaus Aufgaben des Entlass­managements (Anschlussmedikation) auf öffentliche Apotheken übertragen möchte. Dabei soll der Abschluss des Vertrages – und zwar mit einer oder mehreren öffentlichen Apotheken – für beide Seiten freiwillig sein. Hoppe und Professor Dr. Hilko Meyer, der den BVKA in rechtlichen Fragen berät, betonten die Vorteile dieser Lösung: So werde nicht nur die Versorgung für die Patienten verbessert und das Klinikpersonal im Hinblick auf eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie beraten, sondern beispielsweise auch das Regionalprinzip und die freie Apothekenwahl gewahrt (der Vertrag darf keine Ausschließlichkeitsbindung zugunsten einer Apotheke enthalten). Meyer unterstrich ferner, dass der Vorschlag der ABDA, Dritte, die darauf aus sind, Rezepte aus Kliniken „abzugreifen“, schlicht mit einem Verweis auf § 11 ApoG (Absprache- und Zuweisungsverbot) auszuschalten, nicht ausreiche, sogar in die falsche Richtung gehe. Diesen Paragrafen, entschied vor einem guten Jahr der Bundesgerichtshof, müsse man im Zusammenhang mit Regelungen zum Entlassmanagement einschränkend auslegen. Hier ­bestehe eine Grauzone zwischen gewollter Kooperation und unzulässiger Zusammenarbeit, die aus BVKA-Sicht mit seinem Vorschlag aufgelöst werden könnte.

Das geplante Korruptionsgesetz

Die geplante Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen war ein weiteres Thema, mit dem sich die BVKA-Mitglieder letzte Woche auseinandersetzten. Professor Meyer legte den Sachstand dar und bekräftigte die derzeit von vielen Seiten geäußerte Kritik: Die Unbestimmtheit des Tatbestandes, der Wertungswiderspruch zur Förderung der intersektoralen Zusammen­arbeit und die mögliche Kriminalisierung eines ganzen Berufsstandes. Es sei sehr schwer zu sagen, was am Ende der einzelne Staatsanwalt und der einzelne Richter für unlauter und berufspflichtwidrig halten wird – mit der schweren Folge einer Strafbarkeit. Klar sei: Schon im Ermittlungsverfahren könne es zu Härten kommen, die die Existenz oder jedenfalls die Reputation eines Heilberuflers gefährden können (Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Verhaftung etc.). ­Meyer rät daher allen, die darüber nachdenken, ob ein von ihnen betriebenes Kooperationsmodell kritisch sein könnte, dieses tatsächlich genau zu prüfen. Das normale Tagesgeschäft, so beruhigte er, falle sicherlich nicht unter den kommenden Korruptions­paragrafen. Was die viel diskutierte Frage der Großhandelsrabatte betrifft, so schauten sich die Großhändler ihre Modelle gerade genau an, so Meyer. Dennoch: Am Ende werden die Gerichte wohl viele Einzelfälle zu entscheiden haben. Wie sinnvoll das ist, ist fraglich, ein Ordnungswidrigkeitentatbestand hätte aus seiner Sicht auch ausgereicht – zumal es auch schon diverse andere Sanktionsmöglichkeiten in verschiedenen Gesetzen und den Berufsordnungen der Heilberufler gibt. Doch vermutlich ist das Strafgesetz nicht mehr aufzuhalten. Und so bleibt es bei dem Rat, sich seine eigenen Geschäftsmodelle genauer anzuschauen. Der BVKA bietet seinen Mitgliedern an, sie hierbei zu unterstützen. |

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