Die Seite 3

Jenseits von Checklisten

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Schicke ich den jungen Mann, der für seine Freundin die „Pille danach“ haben möchte, wieder weg? Gebe ich der ­Dame, die zwei Packungen eines Notfallkontrazeptivums haben möchte, nur eine? Verweigere ich die Abgabe der ­„Pille danach“ an ein 13-jähriges Mädchen? Die Unsicherheit ist groß. Umso dankbarer werden Beratungshilfen angenommen, die ein Stück Sicherheit versprechen. Zum Beispiel die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer mit der zweiseitigen Checkliste. Sie wird so ernst genommen, dass manch einer das Notfallkontrazeptivum nur abgibt, wenn die Liste vollständig ausgefüllt und unterschrieben ist.

Zugegeben, es vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, wenn schriftlich dokumentiert ist, dass die Verhütungspanne in das Wirkfenster des Notfallkontrazeptivums fällt, dass wohl keine Schwangerschaft vorliegt, dass keine Interaktions­gefahr besteht, dass das junge Mädchen doch schon volljährig ist.

Aber auch in Zweifelsfällen will das BAK-Papier weiterhelfen. So ist zu lesen: „Notfallkontrazeptiva sollen ohne Einverständnis eines Erziehungsberechtigten nicht an Mädchen unter 14 Jahren abgegeben werden.“ Auf den ersten Blick also eine klare Ansage: keine Pille danach für 13-Jährige. Es ist aber auch zu lesen, dass es keine spezifischen arzneimittelrechtlichen Vorschriften zur Abgabe an Minderjährige gibt und die Produktinformationen keine altersspezifischen Einschränkungen enthalten. Medizinisch-fachlich also kein Grund, die Abgabe zu verweigern, wäre da nicht noch die Frage der Geschäftsfähigkeit. Doch was tun, wenn die Eltern nicht erreichbar sind oder die junge Dame den Kontakt zu den Erziehungsberechtigten verweigert, es Wochenende ist, die nächste Notdienstambulanz nicht recht­zeitig erreicht werden kann?

Spätestens in solchen Fällen wird klar, dass die BAK-Empfehlungen nur Empfehlungen sind, dass uns die vielen zurzeit kursierenden Leitfäden und Ratgeber nicht Entscheidungen abnehmen können, dass wir nicht darum herum kommen, Verantwortung zu übernehmen und selbst entscheiden müssen – von Fall zu Fall, jenseits von Checklisten. Und: Wir müssen die Frauen und gegebenenfalls ihre Partner ausführlich und nach bestem Wissen und Gewissen beraten. Das ist keine Empfehlung, sondern eine gesetzliche Verpflichtung! Dazu gehört auch und vor allem der Hinweis, dass die Pille danach – wie so manch andere Verhütungsmethode – keinen 100%igen Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft bieten kann. Wer mehr Sicherheit möchte, der muss an den Gynäkologen verwiesen werden.

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