Aus den Ländern

„Der Kopf im Gleichgewicht“

20. Fortbildungswochenende von LAK und AV Brandenburg in Cottbus

COTTBUS (ck) | Über 200 Apotheker-innen und Apotheker besuchten das Fortbildungswochenende vom 13. bis 15. März in Cottbus, das von der Landesapothekerkammer und dem Apothekerverband Brandenburg gemeinsam veranstaltet wurde.
Foto: DAZ/ck

Ein voller Saal mit interessierten Zuhörern und tollen Vorträgen - so macht Fortbildung Spaß!

Der Präsident der Landesapothekerkammer Jens Dobbert sprach gleich die Einladung für das 21. Fortbildungswochenende aus: Ab dem nächsten Jahr wird es von der Landesapothekerkammer Brandenburg allein organisiert werden und soll immer am 2. Märzwochenende stattfinden. 2016 wird zur Erinnerung an den 200. Geburtstag von Hermann Hager, dem Herausgeber des „Handbuch der pharmazeutischen Receptirkunst“, eine „Hager-­Tagung“ organisiert. Übergreifendes Thema der Vorträge in diesem Jahr war „Der Kopf im Gleichgewicht“.

Foto: DAZ/ck

Thomas Müller

Apotheker als Wissenschaftler positionieren

Den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als den „Kopf der Arzneimittelversorgung“ stellte Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel beim G-BA, vor. Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er besteht aus 13 Mitgliedern, ohne Beteiligung der Apothekerschaft. Pharmazeuten sind nur im Unterausschuss Arzneimittel vertreten, was Müller sehr bedauerte: „Wir brauchen Pharmazeuten als Wissenschaftler!“ Denn leider sehe die Politik den Apothekerberuf zuerst als Kaufmann. Müller schätzt den großen Vorteil sehr, den Apotheker in ihrer Doppelrolle Kaufmann und Heilberufler haben. Auch in der Arbeit beim G-BA treten bedauerlicherweise die Apotheker als Berufsgruppe kaum in Erscheinung, das Anhörungsrecht werde zu selten wahrgenommen. Lediglich bei der Diskussion um die Substitutionausschluss­liste war die Apothekerschaft aktiv. Aber das reiche nicht, forderte Müller, die Apothekerschaft müsse mehr Stellungnahmen abgeben, präsenter sein. Aber auch an jeden Apotheker ging ein Appell: Die Entscheidungen des G-BA seien abstrakt, es sind Bedenken möglich, die dann im Einzelfall entschieden werden. Zwar dürfe der Einzelfall nicht zum Regelfall werden, aber trotzdem ermutigte Müller die Teilnehmer, pharmazeutische Bedenken deutlich zu machen: „Die Kreuze werden gezählt!“

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Prof. Dr. Gerhard Danzer

Mit affektiven Dysbalancen umgehen

Wer kennt nicht Patienten, die wutschnaubend in der Apotheke stehen und jetzt und sofort dies oder jenes verlangen und sogar die Mitarbeiter aggressiv anpöbeln? Dieser Mensch mit einer affektiven Dysbalance fühlt sich – zu Recht oder zu Unrecht – angegriffen, verletzt und beeinträchtigt und sieht seine subjektiv vertretenen oder objektive Werte sowie seine Interessen verletzt. Auch wenn oft der erste Gedanke „einfach nur weg“ ist, so kann das keine Lösung sein, man muss sich doch dem Problem, dem Kunden oder dem Mitarbeiter stellen. Wie das möglich ist, zeigte Prof. Dr. Gerhard Danzer von der Praxis für Integrierte Psychosomatik und Psychotherapie der Ruppiner Kliniken in Neuruppin. Nicht immer leide der affekt­geladene Mitmensch, sondern oftmals bevorzugt der Apotheker bzw. die Apothekerin. Das Ausmaß des Leidens des pharmazeutischen Personals nimmt in der räumlichen und zeitlichen Intensität der Kontakte mit affektgeladenen Menschen zu. Die Umstehenden werden eingeschüchtert und empfinden Furcht oder Mitleid oder werden selber aggressiv. In der Regel sei es nicht möglich, in einer Affektsituation zu dem Affektierten vorzudringen und vernünftig mit ihm zu sprechen. Und Äußerungen wie „Seien Sie doch nicht so ärgerlich“ oder Aufforderungen sich zu ändern bewirken in der Regel nichts oder nichts Gutes. Danzer betonte, dass es das Ziel sein sollte, nach außen mit souveräner Emotionalität zu reagieren. Dazu sei eine Impulskon­trolle wichtig, die eigenen und die Affekte der anderen sollten erkannt und eingeordnet werden. Denn wer brüllt, so Danzer, pfeift oft aus dem letzten Loch! Im Umgang mit Menschen im Affekt gilt es, einen Moment innezuhalten: Zwischen Reiz und Reaktion bleibt eine Millisekunde Zeit, Zeit in der wir unseren Geist einsetzen können, das Geschehen zu erkennen, einzuordnen und im besten Fall in eine andere Richtung zu lenken. So wird es möglich, die Situation zu gestalten. Der positive Effekt: Wir selber leiden weniger und wir helfen dem Patienten, aus seiner affektiven Dysbalance wieder in die Balance zu kommen.

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Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz

Hilfe bei Migräne

Es gibt nur wenige neue Erkenntnisse, aber es ist ein sehr lohnenswertes Beratungsthema: Von der Migräne sind zum einen sehr viele betroffen – in Deutschland schätzungsweise zehn Millionen Menschen -, zum anderen ist der Leidensdruck sehr hoch: Die WHO zählt Migräne zu den zwanzig Leiden, die das tägliche Leben am meisten einschränken. Die leidenden Patienten sind dankbar für Beratung und Hilfe aus der Apotheke. Dabei haben wir noch immer kein Gesamtbild, wir verstehen erst Etappen der Erkrankung, so Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt. Über 90% aller Kopfschmerzen lassen sich auf Migräne und Spannungskopfschmerz zurückführen. In der Apotheke können durch gezieltes Nachfragen Hinweise auf eine Migräne erfasst werden:

  • Häufigkeit (wechselnd, ein- bis sechsmal im Monat),
  • Schmerzdauer (vier bis 72 Stunden),
  • Lokalisation (meist einseitig),
  • Schmerzstärke: heftige Attacken,
  • Schmerzcharakter: pochend, hämmernd, pulsierend,
  • Begleitsymptome: Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit, selten mit Aura, Verschlechterung bei Bewegung.

Berichten Patienten von zwei Kopfschmerzkriterien und von einem Begleitkriterium, dann kann man von einer Migräne ausgehen. Für den Therapieverlauf ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders sinnvoll. Treten mehr als drei Attacken pro Monat auf oder weniger Attacken, die aber mit der Akutmedikation nicht ausreichend beherrscht werden können, ist eine medikamentöse Prophylaxe der Mi-gräne indiziert. Mittel der ersten Wahl sind Betablocker (Propranolol und Metoprolol), Flunarizin, Valproat und Topiramat. Da diese Arzneimittel eigentlich für andere Indikationen zugelassen sind, sollte das den Patienten erklärt werden! Bei mittelschweren und schweren Migräneattacken, die nicht ausreichend auf eine Therapie mit Analgetika oder nicht-steroidalen Antirheumatika ansprechen, sind Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptor­agonisten (Triptane) Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan Therapie der ersten Wahl. Sie führen zu einer Vasokonstriktion der während der Migräne­attacke erweiterten Blutgefäße im Bereich der Dura. Triptane unterdrücken Kopfschmerzen und bessern die Lärm- und Lichtempfindlichkeit, sind aber nicht in der Lage, den eigentlichen Krankheitsprozess zu durchbrechen. Ein Hinweis darf nie fehlen: Die Medikation darf maximal an zehn Tagen im Monat und maximal an drei Tagen hintereinander gegeben werden. |

Foto: Thomas Baumgart

Schwarze Pumpe Eines der modernsten Braunkohlekraftwerke der Welt – und ein großer Arbeitgeber in der Region – konnte im Rahmenprogramm besichtigt werden.

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