INTERPHARM 2015 – ApothekenRechtTag

Ein sicheres Gefühl für Apotheker

Was kann und soll die Selbstverwaltung leisten?

ks | Die richtige Arzneimittelabgabe ist eine Kunst für sich. Apotheker müssen nicht nur Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers ­beachten, sondern auch eine Reihe vertraglicher Regelungen, wenn sie Patienten korrekt versorgen wollen. Insbesondere der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V und die ihn ergänzenden Arzneilieferverträge auf regionaler Ebene sollen dafür sorgen, dass Klarheit zwischen Apotheken und Kassen herrscht. In der Praxis klappt dies bislang nur bedingt. Doch auch wenn die Spannungen zuweilen groß sind: Für Britta Marquardt, Leiterin der Abteilung Verträge im Geschäftsbereich Wirtschaft, Soziales und Verträge bei der ABDA, ist die Selbstverwaltungslösung strikten staatlichen Vorgaben auf jeden Fall vorzuziehen.
Fotos: DAZ/Alex Schelbert

Britta Marquardt

Was darf, kann und sollte die Selbstverwaltung regeln? Diesen Fragen ging Marquardt beim diesjährigen ApothekenRechtTag nach. Die Ausgangssituation ist den Apotheken bekannt: Sie müssen das Sozialgesetzbuch, 5. Buch, vor Augen haben, wenn sie Patienten nicht nur pharmazeutisch, sondern auch wirtschaftlich versorgen wollen. Einschlägig ist ­insbesondere § 129 SGB V und seine Konkretisierung durch den Rahmenvertrag. Aber auch Verordnungen wie die AMVV, die BtMVV oder die MPAV sind zu beachten, will man keine Fehler machen, die möglicherweise Retaxationen nach sich ziehen. Darüber hinaus gelten die Substitutionsausschlussliste und zahlreiche Rabatt­verträge. Bei all dem muss sich der ­Apotheker vor allem darauf verlassen können, dass seine Software alle ­maßgeblichen Daten aktuell abbildet. „Ohne dies ist es dem Apotheker schlechterdings nicht mehr möglich, ordnungsgemäß zu versorgen“, konstatierte Marquardt. Die Apotheker können durchaus zufrieden sein: In 99 Prozent der Fälle sei die Software auf dem neuesten Stand – was man von den Programmen der Ärzte leider nicht behaupten könne. Hier müsse man daran arbeiten, ein Gleichgewicht herzustellen.

Folgen des Null-Retax-Urteils des Bundessozialgerichts

Doch trotz all der bestehenden Regelungen ist es für Apotheker nicht immer leicht, richtig abzugeben. Bekanntlich haben Juristen die Gabe, die gleiche Regelung oft höchst unterschiedlich auszulegen. Das eröffnet vielfältige Retax-Möglichkeiten, die die Krankenkassen mehr oder weniger intensiv nutzen. GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) bemühten sich daher bereits 2012 um ordentliche Regelungen, mit denen beide Seiten gut leben können, erklärte Marquardt. Dennoch gilt noch immer der Rahmenvertrag von 2011. Denn kurz bevor es 2013 zu einer Unterzeichnung eines geänderten Vertrages kam, der nicht zuletzt konkreter regeln sollte, welche Fehler zu Retaxationen führen können, erging das Null-Retax-Urteil des Bundessozialgerichts. Dieses besagte: Die Nichtabgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels ohne Begründung rechtfertigt eine Vollabsetzung. Dies sei zwar ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der jedoch durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sei. Seitdem liegt der Rahmenvertrag auf Eis. Dann folgte das Urteil des Sozialgerichts Koblenz, das die bisherige Praxis zur Substitution von Original und Import bei gesetztem Aut-idem-Kreuz auf den Kopf stellte und in der Folge zu völlig unterschiedlichen Retax-Varianten der Kassen führte. Für die Apotheken eine denkbar ­undankbare Situation. Mit den Ersatzkassen hat der DAV mittlerweile eine einheitliche Lösung gefunden, mit dem GKV-Spitzenverband sei man in ­diesem Punkt „auf gutem Wege“, so Marquardt.

Keinen Erfolg hatte die Selbstverwaltung der Kassen und Apotheker bei der Substitutionsausschlussliste. Nachdem diese nur stockend anlief und erst mithilfe der Schiedsstelle mit zwei Wirkstoffen bescheiden startete, übertrug der Gesetzgeber die Aufgabe dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Mit dem jetzigen Ergebnis sind die Apotheken nur bedingt zufrieden. Die jetzt bestehende Liste beantworte zwar einige Fragen – noch mehr werfe sie aber auf, so Marquardt. Etwa wie im Notdienst vorzugehen ist, wenn ein nicht austauschfähiges Arzneimittel verordnet, dieses aber nicht verfügbar ist.

Trotz der Schwierigkeiten in der Vergangenheit blickt Marquardt zuversichtlich in die Zukunft. Das geplante E-Health-Gesetz und das Versorgungsstrukturgesetz sieht neue Aufgaben für die Selbstverwaltung von Apothekern und Krankenkassen vor. Etwa was den Medikationsplan betrifft. Auch das Retax-Problem soll nun einen gesetzgeberischen Anstoß bekommen, um endlich im Rahmenvertrag gelöst zu werden. Dies sei ein „hoher Auftrag, dem wir gerne nachkommen“, so Marquardt. Ziel sei es, Apothekern ein ­sicheres Gefühl zu verschaffen. Das Zeichen der Politik bei diesen beiden Gesetzen ist für die ABDA-Juristin klar: Sie will die Partner zur gemeinsamen Gestaltung zusammenbringen. Unter der früheren Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe es viel mehr Tendenzen zu einer Verstaatlichung des Gesundheitssystems gegeben – der Verhandlungsweg sei vielleicht schwer, aber doch vorzuziehen, findet ­Marquardt. |

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